Volle Auftragsbücher und gleichzeitig Probleme bei der Bauteilbeschaffung. Dieser Konflikt dominierte das Geschäft der Stromversorgungsspezialisten 2010 und setzt sich auch 2011 fort.
Spätestens wenn der Bandstillstand droht, werden Kunden kreativ, um dringend benötigte Komponenten an die Produktionsstraße zu bringen. Stromversorgungen vom Flughafen mit dem Taxi direkt zum Kunden zu bringen, scheint da in der Stromversorgungsbranche in den letzten 12 Monaten eher schon Standard, als die Ausnahme gewesen zu sein. Wer Vertriebsmitarbeitern von Stromversorgungsherstellern zuhört, könnte den Eindruck bekommen, das James-Bond-reife Warenübergaben auf Autobahnparkplätzen von einem LKW zum anderen inzwischen schon fast zum Standardrepertoire in der Branche gehören.
Innerhalb von zwei Jahren hat die Stromversorgungsbranche eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich gebracht. Nach den massiven Auftrags- und Umsatzeinbrüchen des Jahres 2009 katapultierte die Auftragsexplosion des Vorjahres die Hersteller von AC/DC- und DC/DC-Wandlern in vielen Fällen auf oder sogar über das Auftrags- und Umsatzniveau des Jahres 2008. Dass dies nicht ohne ein Strapazieren der Lieferkette bis zum Äußersten vonstatten gehen kann, erklärt sich von selbst. Luftfracht für Stromversorgungen? Wer hätte an so etwas vor 2010 gedacht? Inzwischen geben Unternehmen monatlich fünfstellige Summen dafür aus, ihre Lieferzusagen halten zu können.
Doch auch diese Kraftanstrengungen helfen nichts, wenn die Forecasts der Kunden, auch wenn sie erst wenige Monate alt sind, etwa durch den Markterfolg eines neuen Kundenprodukts innerhalb kürzester Zeit zu Makulatur werden. Wenn Jahresbedarfe plötzlich in monatliche Liefervolumina transformiert werden sollen, wird es auch für die Großen unter den Power-Spezialisten schwierig. Schön, wenn dann der Kunde sagt, »Kosten spielen keine Rolle«, und die Produktion in Asien eben auch zum Dreifachen der sonst üblichen Komponentenkosten einkaufen kann. Lieferfähigkeit hat sich in den 12 Monaten des Vorjahres zu einem absolut wichtigen Entscheidungskriterium entwickelt, Preisdiskussionen sind dagegen etwas in den Hintergrund getreten.
Verantwortlich dafür sind neben den massiven Bedarfssteigerungen auf der Kundenseite vor allem die nach wie vor angespannte Lieferkette auf dem Bauelementemarkt und die im letzten Jahr deutlich gestiegenen Rohstoffpreise. »Unsere Rohmaterial-Einkaufspreise haben sich im Durchschnitt um 18 Prozent erhöht, erläutert Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, »erstmals in der Geschichte unseres Unternehmens mussten wir darum die Preise unserer Netzteile für neue Aufträge um 4,5 Prozent anheben«. Jürgen Hähle, Geschäftsführer der Etasyn, berichtet ebenfalls von moderaten Preiserhöhungen von über 3,5 Prozent. Zahlen nennt auch Janko Strauß, Produktmanager Power Supply bei der Murrelektronik: »Steigende Bauteil- und Rohstoffpreise haben bereits 2010 dazu geführt, dass wir unsere Preise um 2,9 Prozent anheben mussten«.
Nachdem lange versucht wurde, die Preissteigerungen aufzufangen, scheint das seit der zweiten Hälfte des letzten Jahres bei zahlreichen Herstellern nicht mehr möglich zu sein. So berichtet auch Uwe Frischknecht, Prokurist bei Recom Electronic von leichten Preiserhöhungen, in einem Jahr, in dem der Umsatz des Unternehmens um gut 90 Prozent gegenüber 2009 stieg. Friwo-Vorstand Felix Zimmermann rechnet auch in diesem Jahr mit weiteren Preiserhöhungen. Ähnlich fällt die Einschätzung von Bernhard Erdl, Geschäftsführer von Puls aus: »Neben den steigenden Kosten bei Bauelementen und Rohmaterial, werden wir in diesem Jahr wohl eine spürbare Erhöhung der Löhne und Gehälter einkalkulieren müssen. Eine Erhöhung des Preisniveaus halte ich deshalb für unumgänglich«.
Wenn die Kunden sich also schon auf steigende Preise einrichten müssen, können sie dann wenigstens mit einer Entspannung der Liefersituation in absehbarer Zeit rechnen? »Zur Zeit beträgt die Lieferzeit für unerwartete Auftragseingänge 12 bis 18 Wochen«, schildert Gustav Erl, Geschäftsführer bei TDK-Lambda in Deutschland die aktuelle Situation. Dem Distributor Emtron ist es in den vergangenen Monaten gelungen die Lieferzeiten für »Nicht-Lagerware« von 60 Tagen auf über 50 und mittlerweile 40 Tage zu reduzieren, wie Geschäftsführer Jörg Traum berichtet. »Bis zum Ende des ersten Quartals 2011«, gibt er das jetzige Ziel vor, »wollen wir wieder 30 Tage erreichen«. Ermöglicht wurde dies durch die Installation neuer Produktionslinien des Hauptlieferanten Mean Well in China. Bis Ende dieses Jahres werden dort insgesamt acht neue Produktionslinien in Betrieb genommen, insgesamt wird Mean Well Ende 2011 dann auf über 20 Fertigungsstraßen in China Stromversorgungen produzieren.