Bei kundenspezifischen Lösungen sieht es derzeit so aus, dass Spezialisten wie etwa inpo-tron Schaltnetzteile für den ersten Abruf neuer Aufträge Fristen von 20 bis 25 Wochen nennen, »danach sind wir mit 2 bis 3 Wochen wieder in der Spur«, versichert Geschäftsführer Püthe. Auch Hähle gibt als Orientierungsgröße für die erste Lieferung bei Neuaufträgen über 20 Wochen an. Keine Probleme bei den Lieferzeiten sieht Hans Fehr, Geschäftsführer Vertrieb bei Tracopower Deutschland: »Wir liefern unsere Standardprodukte normalerweise ab Lager Deutschland innerhalb von 48 Stunden«. Vergleichsweise entspannt sieht auch Strauß bei Murr-elektronik die Situation: »Unsere Lieferzeiten bewegen sich derzeit zwischen 2 und 15 Tagen«.
Mögen diese durchaus voneinander abweichenden Lieferzeiten auch mit unterschiedlichen Produktspektren und der Frage zu tun haben, ob es sich um Standardprodukte oder kundenspezifische Lösungen handelt, so kämpfen dennoch alle Stromversorgungshersteller nach wie vor mit Problemen bei der Bauteilbeschaffung. So freut sich Sandra Maile, Geschäftsführerin der Firma Autronic, zwar einerseits über den höchsten Auftragsbestand der Firmengeschichte, »doch wenn Bauteile von einzelnen Herstellern Lieferzeiten von 6 bis 7 Monaten aufweisen, macht das die Abwicklung von Aufträgen fast unmöglich«!
Andreas Mielke, Geschäftsführer der Eplax weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach wie vor die Lieferzeiten von Keramik- und Folienkondensatoren sowie Elkos extrem hoch sind, »und zwar genau in dieser Reihenfolge«. Als absoluten Knaller bezeichnet Jörg Herre, Vertriebsleiter Stromversorgungen bei Gebrüder Frei, den Fall eines Entstörkondensators, »da wurde eine Lieferzeit von 82 Wochen angegeben«! Eine Größenordnung, die nach Angaben von Hilmar Kraus, Managing Director der MTM Power durchaus immer noch am Markt präsent ist: »Es werden immer noch Elektrolytkondensatoren mit Lieferzeiten von 80 bis 100 Wochen angeboten«! Auch Fehr bestätigt, »dass sich die Lieferzeiten für hochwertige Elektrolytkondensatoren japanischer Herstellern sich nicht wesentlich verbessert haben«.
Neben den verschiedenen Kondensatoren und Ferritmaterialien sind es vor allem die Leistungshalbleiter, die den Stromversorgungsherstellern weiterhin Sorgen machen. »Aus unserer Sicht sind nach wie vor die Transistoren und MOSFETs das Problem«, betont Frischknecht. Ähnlich bewerten die Situation Erl, Hähle und Erdl.
Speziell die angespannte Liefersituation bei den Leistungshalbleitern scheint offenbar immer wieder dazu zu führen, dass sich Stromversorgungshersteller versuchen auf dem Brokermarkt mit entsprechender Ware einzudecken. Ein nach wie vor risikoreiches Unterfangen, auch wenn Maile darauf hinweist, dass inzwischen wieder deutlich mehr Originalware über den Broker-Kanal erhältlich sei, »die so zur Verfügung gestellten Produkte, weisen jedoch gehäuft Gebrauchsspuren auf«. Der Aufwand, die Guten von den Schlechten mittels einer Qualitätskontrolle am Wareneingang zu separieren ist hoch. »Die wenigsten Hersteller verfügen etwa über Röntgengeräte und Kennlinienschreiber bei der Wareneingangskontrolle«, weist Erl auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Herstellern hin.
Ungeachtet der Probleme, die der Markterfolg des letzten Jahres der Mehrzahl der auf dem deutschen Markt tätigen Stromversorgungshersteller beschert hat, mit einem Nebeneffekt des Erfolgs haben wohl die wenigsten gerechnet – dem steigenden Lagerbedarf. So gibt es eine Reihe von Unternehmen, die erst vor zwei oder drei Jahren ihre Lagerfläche erweitert hatten und nun schon wieder über eine Erweiterung der Lagerkapazitäten nachdenken müssen. Verantwortlich dafür sind wohl vor allem zwei Effekt. Zum einen haben kundenspezifisch orientierte Unternehmen wie inpotron durch die Aufstockung ihrer Entwicklungsabteilungen das Produktspektrum deutlich erweitert. Auf der anderen Seite haben namhafte Standardgerätehersteller in den letzten Jahren durch den Einstieg in neue Marktsegmente und die Entscheidung, Low-Cost-Geräte in ihr Vertriebsprogramm aufzunehmen, dafür gesorgt, dass der benötigte Lagerbedarf deutlich angestiegen ist.
Angesichts der Tatsache, dass die Wirkungsgrade von Standardnetzteilen heute immer häufiger bereits 90 bis 93 Prozent erreichen und mehr spezifisch ausgerichtete Geräte heute bereits 95 bis 96 Prozent Wirkungsgrad erreichen, stellt sich die Frage, wie weit sich die Effizienzschraube noch drehen lässt. Auch wenn die befragten Hersteller eine weitere Steigerung unter technischen Gesichtspunkten, etwa durch den Einsatz neuer Leistungshalbleiter, durchaus für realisierbar halten, stellt sich für Unternehmer wie Püthe jedoch die Frage, ob die damit verbundenen Kosten überhaupt eine breite Marktfähigkeit ermöglichen?
Herre warnt in diesem Zusammenhang vor einer physikalischen Schere, die sich mit weiteren Steigerungen beim Wirkungsgrad verbindet: »Je mehr an diesem Parameter optimiert wird, um so höher sind die damit verbundenen Initialkosten hinsichtlich Entwicklungs- und Schaltungsaufwand sowie der damit verbundenen Komplexität und dem benötigten Bauteilaufwand.« Auch Erdl stellt fest, »dass die Luft bei aktuell erreichten Wirkungsgraden von 95 Prozent schon recht dünn wird, jeder weitere Fortschritt wird da gerade unter kommerziellen Gesichtspunkten schwierig«. Anstatt den Wirkungsgrad im Volllastbereich noch weiter nach oben zu schrauben, orientieren sich immer mehr Hersteller daran, einen möglichst hohen Wirkungsgrad über das volle Lastspektrum ihrer Geräte zu erreichen.
Flexibilität, Kundennähe und kurze Reaktionszeiten, das waren bereits in der Vergangenheit die Pluspunkte mittelständischer deutscher Stromversorgungsspezialisten im Wettbewerb mit global Playern. Flexibilität bedeutet für sie eben auch Produktion in Deutschland oder zumindest in Europa. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass auch bei steigenden Löhnen in Asien, speziell in China, die Kosten für manuellen Montageaufwand in Deutschland auf das selbe Niveau wie in Asien kommen, aber mit zunehmenden Automatisierungsgrad in der Fertigung scheint eine Fertigung in Europa, oder sogar in Deutschland, heute eher wieder denkbar zu sein, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Bleibt abzuwarten, ob dieser Sinneswandel nur den Ereignissen des Ausnahmejahres 2010 zuzuschreiben ist oder ob sich die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandortes Europa im internationalen Wettbewerb wirklich nachhaltig verbessert hat.