Lieferfähigkeit ist das entscheidende Selektionskriterium

Anhaltender Auftragsboom am deutschen Stromversorgungsmarkt

23. Februar 2011, 15:32 Uhr | Engelbert Hopf
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Lieferfähigkeit ist das entscheidende Selektionskriterium

Bei kundenspezifischen Lö­sungen sieht es derzeit so aus, dass Spezialisten wie etwa inpo-tron Schaltnetzteile für den ersten Abruf neuer Aufträge Fristen von 20 bis 25 Wochen nennen, »da­nach sind wir mit 2 bis 3 Wochen wieder in der Spur«, versichert Geschäftsführer Püthe. Auch Häh­le gibt als Orientierungsgröße für die erste Lieferung bei Neuaufträ­gen über 20 Wochen an. Keine Probleme bei den Lieferzeiten sieht Hans Fehr, Geschäftsführer Vertrieb bei Tracopower Deutsch­land: »Wir liefern unsere Standardprodukte normalerweise ab Lager Deutschland innerhalb von 48 Stunden«. Vergleichsweise ent­spannt sieht auch Strauß bei Murr-elektronik die Situation: »Unsere Lieferzeiten bewegen sich derzeit zwischen 2 und 15 Tagen«.

Mögen diese durchaus vonein­ander abweichenden Lieferzeiten auch mit unterschiedlichen Pro­duktspektren und der Frage zu tun haben, ob es sich um Stan­dardprodukte oder kundenspezi­fische Lösungen handelt, so kämpfen dennoch alle Stromver­sorgungshersteller nach wie vor mit Problemen bei der Bauteilbe­schaffung. So freut sich Sandra Maile, Geschäftsführerin der Fir­ma Autronic, zwar einerseits über den höchsten Auftragsbestand der Firmengeschichte, »doch wenn Bauteile von einzelnen Herstel­lern Lieferzeiten von 6 bis 7 Mo­naten aufweisen, macht das die Abwicklung von Aufträgen fast unmöglich«!

Andreas Mielke, Geschäftsfüh­rer der Eplax weist in diesem Zu­sammenhang darauf hin, dass nach wie vor die Lieferzeiten von Keramik- und Folienkondensato­ren sowie Elkos extrem hoch sind, »und zwar genau in dieser Reihenfolge«. Als absoluten Knaller bezeichnet Jörg Herre, Vertriebs­leiter Stromversorgungen bei Ge­brüder Frei, den Fall eines Entstör­kondensators, »da wurde eine Lieferzeit von 82 Wochen angege­ben«! Eine Größenordnung, die nach Angaben von Hilmar Kraus, Managing Director der MTM Po­wer durchaus immer noch am Markt präsent ist: »Es werden im­mer noch Elektrolytkondensato­ren mit Lieferzeiten von 80 bis 100 Wochen angeboten«! Auch Fehr bestätigt, »dass sich die Lieferzei­ten für hochwertige Elektrolyt­kondensatoren japanischer Her­stellern sich nicht wesentlich verbessert haben«.

Neben den verschiedenen Kon­densatoren und Ferritmaterialien sind es vor allem die Leistungs­halbleiter, die den Stromversor­gungsherstellern weiterhin Sorgen machen. »Aus unserer Sicht sind nach wie vor die Transistoren und MOSFETs das Problem«, betont Frischknecht. Ähnlich bewerten die Situation Erl, Hähle und Erdl.

Speziell die angespannte Liefersituation bei den Leistungshalbleitern scheint offenbar immer wie­der dazu zu führen, dass sich Stromversorgungs­hersteller versuchen auf dem Brokermarkt mit entsprechender Ware einzudecken. Ein nach wie vor risikoreiches Unterfangen, auch wenn Maile darauf hinweist, dass inzwischen wieder deutlich mehr Originalware über den Broker-Kanal erhält­lich sei, »die so zur Verfügung gestellten Produk­te, weisen jedoch gehäuft Gebrauchsspuren auf«. Der Aufwand, die Guten von den Schlechten mit­tels einer Qualitätskontrolle am Wareneingang zu separieren ist hoch. »Die wenigsten Hersteller verfügen etwa über Röntgengeräte und Kennlini­enschreiber bei der Wareneingangskontrolle«, weist Erl auf die Unterschiede zwischen den ein­zelnen Herstellern hin.

Ungeachtet der Probleme, die der Markterfolg des letzten Jahres der Mehrzahl der auf dem deut­schen Markt tätigen Stromversorgungshersteller beschert hat, mit einem Nebeneffekt des Erfolgs haben wohl die wenigsten gerechnet – dem stei­genden Lagerbedarf. So gibt es eine Reihe von Unternehmen, die erst vor zwei oder drei Jahren ihre Lagerfläche erweitert hatten und nun schon wieder über eine Erweiterung der Lagerkapazitä­ten nachdenken müssen. Verantwortlich dafür sind wohl vor allem zwei Effekt. Zum einen ha­ben kundenspezifisch orientierte Unternehmen wie inpotron durch die Aufstockung ihrer Ent­wicklungsabteilungen das Produktspektrum deutlich erweitert. Auf der anderen Seite haben namhafte Standardgerätehersteller in den letzten Jahren durch den Einstieg in neue Marktsegmen­te und die Entscheidung, Low-Cost-Geräte in ihr Vertriebsprogramm aufzunehmen, dafür gesorgt, dass der benötigte Lagerbedarf deutlich angestie­gen ist.

Angesichts der Tatsache, dass die Wirkungs­grade von Standardnetzteilen heute immer häu­figer bereits 90 bis 93 Prozent erreichen und mehr spezifisch ausgerichtete Geräte heute be­reits 95 bis 96 Prozent Wirkungsgrad erreichen, stellt sich die Frage, wie weit sich die Effizienz­schraube noch drehen lässt. Auch wenn die be­fragten Hersteller eine weitere Steigerung unter technischen Gesichtspunkten, etwa durch den Einsatz neuer Leistungshalbleiter, durchaus für realisierbar halten, stellt sich für Unternehmer wie Püthe jedoch die Frage, ob die damit verbun­denen Kosten überhaupt eine breite Marktfähig­keit ermöglichen?

Herre warnt in diesem Zusammenhang vor einer physikalischen Schere, die sich mit weiteren Steigerungen beim Wirkungsgrad verbindet: »Je mehr an diesem Parameter optimiert wird, um so höher sind die damit verbundenen Initialkosten hinsichtlich Entwicklungs- und Schaltungsauf­wand sowie der damit verbundenen Komplexität und dem benötigten Bauteilaufwand.« Auch Erdl stellt fest, »dass die Luft bei aktuell erreichten Wirkungsgraden von 95 Prozent schon recht dünn wird, jeder weitere Fortschritt wird da ge­rade unter kommerziellen Gesichtspunkten schwierig«. Anstatt den Wirkungsgrad im Voll­lastbereich noch weiter nach oben zu schrauben, orientieren sich immer mehr Hersteller daran, einen möglichst hohen Wirkungsgrad über das volle Lastspektrum ihrer Geräte zu erreichen.

Flexibilität, Kundennähe und kurze Reaktions­zeiten, das waren bereits in der Vergangenheit die Pluspunkte mittelständischer deutscher Strom­versorgungsspezialisten im Wettbewerb mit glo­bal Playern. Flexibilität bedeutet für sie eben auch Produktion in Deutschland oder zumindest in Europa. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass auch bei steigenden Löhnen in Asien, speziell in China, die Kosten für manuellen Montageauf­wand in Deutschland auf das selbe Niveau wie in Asien kommen, aber mit zunehmenden Auto­matisierungsgrad in der Fertigung scheint eine Fertigung in Europa, oder sogar in Deutschland, heute eher wieder denkbar zu sein, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Bleibt abzuwar­ten, ob dieser Sinneswandel nur den Ereignissen des Ausnahmejahres 2010 zuzuschreiben ist oder ob sich die Wettbewerbsfähigkeit des Produkti­onsstandortes Europa im internationalen Wettbe­werb wirklich nachhaltig verbessert hat.


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