Branche erweitert Kapazitäten

»Der Bedarf wächst exponentiell«

29. März 2022, 9:00 Uhr | Engelbert Hopf
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 6

Russlands völkerrechtswidriger Einmarsch in die Ukraine

Als der Krieg noch eine Hypothese war

Gut 24 Stunden vor Russlands völkerrechtswidrigem Einmarsch in die Ukraine war die Situation im Osten Europas mit Putins Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken in der Ostukraine natürlich auch ein Thema der versammelten Diskussionsrunde. Eine militärische Konfrontation erschien zu diesem Zeitpunkt, knapp 77 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Europa, trotz des russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze und in Belarus nur eine hypothetische Möglichkeit zu sein, die sich keiner der Diskussionsteilnehmer wirklich vorstellen konnte. Entsprechend drehte sich die Diskussion auch um mögliche Folgen für die Weltwirtschaft und die europäische Elektronikindustrie, sollte es zu einer weiteren Verschärfung der Situation in der Ukraine kommen.

Dass im Zuge der Spannungen zwischen der Ukraine und Russland vor allem Deutschland seine extrem hohe Abhängigkeit von russischen Erdöl- und Erdgas-Lieferungen deutlich wurde, sehen die Diskussionsteilnehmer positiv. »Zielgerichtete Investitionen in Richtung der Umsetzung des Green Deals dürften nun wesentlich schneller erfolgen als ursprünglich vorgesehen«, ist sich etwa Jean Quecke sicher. Eine Einschätzung, die Konsens ist.

Harald Sauer skizziert aber schon einmal die Konsequenzen, sollte Russland, als Reaktion auf zu erwartende westliche Sanktionen, seine Öl- und Gaslieferungen an Europa einstellen: »Dann werden wir ganz schnell bei einer Priorisierung sein, bei der es darum geht, wer zuerst abgeschalten wird. Und dann wird es als Erstes die Industrie und nicht die privaten Verbraucher treffen. Wir können also ganz schnell in die Lage kommen, das es in Fabriken zu Produktionsstopps kommt.«

Thomas Heel setzt zu diesem Zeitpunkt noch darauf, dass sich Russland einen Ausfall seiner wichtigsten Einnahmequellen nicht leisten kann. Perspektivisch warnt er aber davor, dass der deutsche Netzentwicklungsplan auf einen Ausfall der russischen Lieferungen gar nicht vorbereitet sei. So stünden aktuell in Deutschland rund 80 GWh zur Verfügung. Planungen sehen vor, dass bis 2035/37 allein 55 GWh nötig sein werden, um Elektrofahrzeuge zu laden. In diesen Planungen spielen Gaskraftwerke eine wichtige Rolle, sollten keine erneuerbaren Energien im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen.

Einig sind sich die versammelten Diskussionsteilnehmer auch, dass der diskutierte Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Bankensystem das mit Abstand schärfste Schwert unter möglichen Sanktionen wäre. »Dann wäre das Russlandgeschäft faktisch tot«, so Ferdinand Leicher, »das ist die Einschätzung unserer Finanzleute«. Da die Produkte aber eindesignt sind, geht er davon aus, dass die russischen Kunden sich über Graumärkte in China mit den benötigten Bauteilen versorgen werden.

Peter Kokot erwartet durch sich gegenseitig aufschaukelnde Sanktionen und Gegensanktionen, dass sich rasch ein Kostendruck aufbaut: »Ob Firmen oder Privatleute, wir werden das sehr schnell am Geldbeutel spüren.« Eine Inflationsrate, die sich eh schon der 7-Prozent-Marke nähert, hält er angesichts der Entwicklung in der Ukraine noch nicht für das Ende der Kette.

Als Elektronikexperten, die mit den geopolitischen Herausforderungen in Asien vertraut sind, gehen die Diskussionsteilnehmer alle davon aus, dass die Situation in der Ukraine und das Verhalten des Westens, speziell der USA, von großer Bedeutung für die Zukunft Taiwans sein wird. »Wenn der Westen angesichts Putins Verhalten wieder nur den Zeigefinger hebt, wird Taiwan als Nächstes dran sein«, vermutet Uwe Reinecke.

Doch auch wenn das Risiko von den Diskussionsteilnehmern als aktuell hoch eingeschätzt wurde »und Putin jetzt offenbar auslotet, wie weit er gehen kann«, wie es Thomas Heel ausdrückt, gingen zum Zeitpunkt des Round-Table-Forums immer noch alle davon aus, dass es nicht zur militärischen Eskalation mit allen darauf folgenden Maßnahmen kommen würde.

»Wir haben bereits einmal einen jahrzehntelang andauernden kalten Krieg erlebt«, so Quecke, »und damals wurde das Gas auch nie abgeschaltet, weil die Einkünfte aus den Rohstoffverkäufen elementar für die damalige Sowjetunion waren und auch für das heutige Russland sind, um ihren jeweiligen Staatsapparat am Laufen zu halten«.


  1. »Der Bedarf wächst exponentiell«
  2. Die Kleinen beißen die Hunde?
  3. Verwerfungen in der Knappheit
  4. Einfach mehr produzieren?
  5. Passive auf der Messe
  6. Im Zuge der Corona-Pandemie
  7. Russlands völkerrechtswidriger Einmarsch in die Ukraine
  8. Natürlich geboostert und mit negativen Testergebnissen

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Passive starten sehr gut ins Jahr 2023

Asiens schwacher Konsumgütermarkt sorgt für Entspannung

Liefersituation: Passive Bauelemente

Nur die Ruhe vorm nächsten Sturm?

Passive Bauelemente

Entspannung der Halbleiterlieferkette

Multilayer-Chip-Kondensatoren

DC-Bias-Alterung und Kapazitätsdrift

Polymer-Elektrolytkondensatoren

Herausfordernde CPUs, ASICs und FPGAs gut versorgt

Kondensatoren für Automobilanwendungen

Trau schau wem – Kriterien bei der Kondensatorauswahl

Forum Batterien+Akkus bei Markt&Technik

Leichte Entspannung bei Lieferzeiten

TDK Electronics, Dr. Werner Lohwasser

»Ich glaube nicht an das Ende der Globalisierung«

Prognose von TrendForce

Preise für Low-End-MLCCs fallen weiter

Passive Bauelemente in EMEA

EPCIA meldet Rekordumsatz für 2021

7. Anwenderforum „Passive für Profis“

Endlich wieder live und in Farbe!

TDK Electronics

Dr. Werner Lohwasser folgt Joachim Zichlarz als CEO

Induktive Bauelemente

Frequenzabhängige Verluste bestimmen

Krieg in der Ukraine

Lieferzeiten und Preise für passive Bauelemente steigen weiter

Spezialist für Passive, Power, Emech

Avnet Abacus wird 50

Große M&T-Umfrage zum Ukraine-Konflikt

Die Kriegsauswirkungen auf die Elektronikbranche

Passive Bauelemente

Expertenrunde erwartet starke Preiserhöhungen

Lieferengpässen vs Umsatzrekorde

Warten auf die Halbleiter

Passive Bauelemente

»2022 wird zum Tanz auf dem Vulkan Teil 2«

Wegen steigender Nachfrage bei MLCCs

Taiyo Yuden baut neues Werk in China

Passive Bauelemente

Yageo meldet höchsten Quartalsgewinn seit drei Jahren

Wegen steigender Nachfrage bei MLCCs

Taiyo Yuden baut neues Werk in Malaysia

Exklusiv-Interview mit Harald Sauer

Taiyo Yuden investiert in Fertigungskapazitäten

Viele Werkschließungen in Südostasien

Weiteres Risiko für Elektronikfertigung?

Lieferengpässe bei MLCCs

Corona-Maßnahmen könnten Murata und Samsung treffen

Verknappung und kein Ende

»Wir kämpfen wie die Verrückten für die Kunden«

Liefersituation bei Passiven angespannt

„Bestellungen für das 2. Quartal 2022 sind ein Muss“

Induktive Bauelemente

Yageo übernimmt Chilisin Electronics

Keramikkondensatoren / MLCCs

Taiyo Yuden baut neues Produktionsgebäude für Bariumtitanat

Yageo, Chilisin und Holy Stone

Stetige Nachfrage befeuert Umsatz

Covid-19: Lockdown in Malaysia

Halbleiter nicht betroffen, passive Komponenten schon

Kemets Integration in die Yageo-Gruppe

»Aus zwei Teams wird eine Mannschaft«

Elektromechanische Bauelemente

Die fünf häufigsten Fehler bei der Beschaffung

Markt für passive Bauelemente 2021

Es wird spürbar enger

Verknappung bei passiven Bauelementen

Kemet erhöht Preise für Tantal-Kondensatoren

Induktive Bauelemente

Bourns übernimmt Kaschke Components

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!