Große Einigkeit unter den Diskussionsteilnehmern herrschte beim Thema Produktfälschungen. Waren in der Vergangenheit Allokationen immer auch ein Einfalltor für Produktfälscher, scheinen diese bislang keine Rolle zu spielen. »Ich habe in den letzten eineinhalb Jahren kein einziges Fake-Bauteil auf den Tisch bekommen«, versichert Leicher, der das unter anderem darauf zurückführt, »dass wir in Asien ‚Ship and Debit’ eingeführt haben«, sowie einige andere Maßnahmen, um den Produktfluss besser kontrollieren zu können.
Hinter vorgehaltener Hand geht man davon aus, dass es für Broker gar nicht nötig ist, sich aus zweifelhaften Quellen zu bedienen, da große EMS überschüssige Ware durch die Hintertür verkaufen und so für eine ausreichende Versorgung der Broker sorgen. Dazu kommt, wie Quecke betont, »dass die wirkliche Shortage ja vor allem Halbleiter betrifft, und die sind deutlich schwieriger zu fälschen als passive Bauelemente«.
Der Preis der Unterversorgung
Als durchaus sensibles Thema erweist sich in der Diskussion die Frage nach möglichen Preiserhöhungen in diesem Jahr. Für Bittigkoffer ist das Thema vom jeweiligen Produkt abhängig: »Wir können das Frachtkostenthema nicht wegdiskutieren, und auch die Rohstoffpreise sind nicht mehr auf dem Niveau von vor zwei Jahren, das ist ein Fakt.« Alle Hersteller wiesen heute eine andere Kostenstruktur auf als vor zwei Jahren. »Wir haben von allen Kondensatorherstellern Preiserhöhungen angekündigt bekommen, und dabei geht es nicht nur um ein oder zwei Prozent, das ist schon deutlich mehr.«
Kokot zeigt Verständnis für die Preiserhöhungen: »Frachtcontainer haben sich im letzten Jahr um 400 Prozent verteuert, die Luftfrachtkosten sind um 53 Prozent gestiegen und der Preis für Aluminium ist allein in den letzten sechs Monaten um 45 Prozent geklettert, da sind die gestiegenen Energie- und Personalkosten noch gar nicht berücksichtigt, da geht es nur um den Anteil Aluminium.« Die außergewöhnliche Situation speziell im Bereich der Aluminium-Elektrolyt-Kondensatoren bestätigt auch Heel: »Aluminiumfolien werden von Spezialisten angeboten, die sind ausgelastet bis zum Anschlag und sagen sich auch, das muss sich jetzt lohnen!« Die Kollegen aus dem Bereich Aluminium-Elektrolyt-Kondensatoren hätten ihm versichert: »Preiserhöhungen wie diese hat es in den letzten 30 Jahren nicht gegeben!«
Wenn die Preiserhöhungen dann am Markt umgesetzt werden, hoffen die Vertriebsprofis bei den Distributoren, dass die Erhöhungen nicht tröpfchenweise erfolgen und dann pro Quartal um 5 Prozent erhöht wird. Genau das hätte der ein oder andere Hersteller im letzten Jahr getan. »Wir arbeiten uns einen Wolf«,
so der Tenor bei den Distributoren, »wenn wir pro Quartal für Tausende von Lines die Preise anpassen müssen«. Es mag in diesem Zusammenhang seltsam klingen, aber den Distributoren wären einmalige kräftige Preiserhöhungen lieber als schrittweise über mehrere Monate hingezogene Preiserhöhungen.
Aus Sicht von Leicher war die grundsätzliche Bereitschaft, Preiserhöhungen hinzunehmen, nie höher als jetzt. »Wenn ein Kunde, der früher regelmäßig minus 3 oder minus 7 Prozent gefordert hat, ohne jede Diskussion ein Plus von 8 Prozent akzeptiert, dann hat sich am Markt etwas nachhaltig geändert.« Nach Leichers Worten sei der Kunde bei entsprechender Begründung auch bereit, 10 und 15 Prozent Preissteigerung zu akzeptieren, »denn er bekommt dafür ja Kapazität«.