Armin Derpmanns, Head of Semiconductor Marketing & Operations bei Toshiba Electronics Europe, ist ebenfalls eher skeptisch, ob das Nio-Konzept das richtige ist. Anfänglich mag das vielleicht noch funktionieren, aber wenn viele Leute auf dieses Angebot zurückgriffen, stiege die Zeit für den Austausch aufgrund von zusätzlichen Wartezeiten – und steigt sie zu stark, dauert der Austausch länger als das Laden. Und auch er verweist auf die hohen Investitionen, die notwendig sind, um diese Austauschstationen zu bauen, folglich: »Ich denke, dieser Ansatz mag für den Moment vielleicht eine Lösung sein, um die eigenen Elektrofahrzeuge zu promoten, aber langfristig muss das technologisch anders gelöst werden.«
Wobei Prats hier widerspricht, denn er hält diesen Ansatz auch langfristig für tragfähig. Er erklärt weiter: »Ich denke, dass die ersten Robotaxis, die wir in fünf Jahren oder so sehen werden, auch auf dieses Konzept setzen werden. Das heißt, die Vorteile bestehen nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und langfristig.« Allerdings merkt er noch an, dass bei einem Fahrzeug, das 200.000 km bei einer Reichweite von 400 km fährt, die Batterie 500-mal getauscht werden muss, das muss das Fahrzeug auch erst einmal vertragen.
Ein Standard – nicht in Europa
Wie oben bereits angemerkt, könnte ein gemeinsamer Batteriestandard helfen, dass mehrere OEMs sich am Aufbau beteiligen, doch in Europa scheint diese Idee nicht umsetzbar. So erklärt beispielsweise Prats stellvertretend: »Ich glaube nicht, dass sich die europäischen Hersteller auf eine Harmonisierung der Batterie einigen können. In China ist das anders, hier gibt es eine Standardisierung.« Und auch Dudenhöffer erklärt in seinem bereits erwähnten Artikel, dass es nicht »die« Batterie gibt. Dudenhöffer: »Auf der einen Seite werden unterschiedliche Zellformate verbaut.
Größere Zellenformate, wie die sogenannte Blade Battery des chinesischen Autobauers BYD oder bei Tesla die 4680-Zelle, erlauben Kostenvorteile bei weniger Gewicht und Batterievolumen. Zusätzlich sind Zellen, selbst im gleichen Format, oft deutlich differenziert. So nutzt Tesla für die Einstiegsvariante des Model 3 Zellen mit Lithium-Eisenphosphat-Kathoden. In höherwertigen Modellen werden Kobalt-Nickel-Kathoden oder Kobalt-Nickel-Mangan-Verbindungen genutzt.
Da die Batteriezellentwicklung mit großen Innovationssprüngen voranschreitet, werden Zellen aus dem Jahr 2020 nicht mehr mit Zellen des Jahres 2025 identisch sein. Es wird deutlich, dass nicht nur die immer besser ausgebaute Ladeinfrastruktur einer Infant Industry mit einem Batteriewechselsystem den Markteintritt schwermacht. Eine Wechselstation-Infrastruktur braucht hohe Standardisierungen um eine Einheitsbatterie. Große Vielfalt an unterschiedlichen Batterietypen auf Lager zu halten zerstört die Ökonomie eines Batteriewechselstationssystems.
Last, not least gibt es heute kein westliches Autobauunternehmen, das seine Elektroautos so konstruiert, dass ein Batteriepack in kurzer Zeit gewechselt werden kann. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Unter normalen Marktgesetzen haben Batteriewechselsysteme keine Chance zum Durchbruch.« Wobei er auch betont: »China setzt in hohem Tempo einen neuen Infrastrukturstandard für Elektromobilität. Weder in Europa noch in den USA sind ähnliche Projekte beobachtbar. Ähnlich wie bei Lithium-Ionen-Batterien hat China mit dem Wechselstationenmodell die Chance, klare Wettbewerbsvorteile für das Land und seine Unternehmen aufzubauen.« Die weiteren Entwicklungen bleiben also spannend.