Batteriewechselsysteme kommen

»Nur auf Ladesäulen zu setzen ist der falsche Weg«

22. Juli 2023, 14:00 Uhr | Iris Stroh
Batteriewechselanlage
© Infradianba

Better Place ist vor Jahren mit der Idee gescheitert, in Europa ein Batteriewechselsystem zu etablieren. InfraDianba tritt mit genau dieser Idee wieder an.

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Dr. Katharina Flämig, Chief Communications Officer (CCO) bei InfraMobility-Dianba ist überzeugt, dass es dieses Mal klappen wird, auch in Europa.

Markt&Technik: Batteriewechselsysteme sind in China durchaus erfolgreich. Warum hat dieser Ansatz heute Erfolg, was hat sich geändert und wer sind die Treiber hinter diesem Ansatz?

Dr. Katharina Flämig: Klimawandel und Klimaerwärmung zwingen Staaten weltweit dazu, optimale Bedingungen für eine CO2-neutrale Mobilität zu schaffen. In China wurde von allen betroffenen Akteuren frühzeitig erkannt, dass ein alleiniger Fokus auf eine Ladesäulen-Monokultur den Bedürfnissen von Vielfahrern, Kleinstunternehmen und Flottenbetreibern nicht gerecht werden kann.

Branchen wie das Taxigewerbe, Handwerksbetriebe und Sozialdienste sind darauf angewiesen, ihre Fahrzeuge als Arbeitsmittel kontinuierlich nutzen zu können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Langes Warten an der Ladesäule wäre in ihrem Fall mit massiven Umsatzeinbußen verbunden. Eine schnelle Alternative wie mit dem 90-Sekunden-Aulton/InfraDianba-Batteriewechsel erlaubt es, nach einem nur kurzen Boxenstopp weiterzumachen.

Hinzu kam in China die frühe Erkenntnis, dass eine flächendeckende Bereitstellung von Ladesäulen einen viele Milliarden teuren und zeitfressenden Stromnetz-Ausbau erforderlich macht, obwohl es landesweit schnellere und billigere Alternativen gibt.

Die Nachfrage nach batteriewechselfähigen Fahrzeugen steigt in Asien permanent, daher haben heute bereits 80 Prozent der chinesischen Automobilhersteller den Batteriewechsel in ihr Portfolio integriert.

Von dem Batteriewechsel profitieren in China auch die großen Mineralölkonzerne wie BP und Sinopec. Der Wechsel zur Elektromobilität erfordert von ihnen eine Neukonzeptionierung ihrer Geschäftsmodelle, denn auch die E-Tankstellen leben vom Mengengeschäft. Mit dem Batteriewechsel von Aulton/InfraDianba können große Kundenzahlen durch bis zu 1000 Wechsel pro Tag und Station sichergestellt werden. Der Batteriewechsel ermöglicht die Weiternutzung ihrer erprobten und bewährten Infrastrukturen, die nur umgerüstet werden müssen. Die Mobilitätswende in Asien, aber auch in Europa, hat in derart erneuerten Tankstellen ihren stärksten Verbündeten. Durch einen Dual-Use-Ansatz können Tankstellen mit speicherbasiertem Batteriewechsel zudem zukünftig auch als Energiestationen für E-Mobilität und das Smart Grid arbeiten. Sie dienen damit der Mobilitäts- und der Energiewende.

 

Flämig Katharina
Dr. Katharina Flämig, InfraDianba: »Wir sind davon überzeugt, dass europäische OEMs mittelfristig auf den Batteriewechsel setzen müssen, um auf dem asiatischen Leitmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, und dadurch auch in Europa in der Lage sein werden, eigene, insbesondere für die Breitennachfrage attraktive Batteriewechsel-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.«
© Infradianba

Die Situation sieht in den USA und in Europa anders aus, auch wenn selbst hier erste Schritte mittlerweile erfolgt sind. Woran liegt das, und wie sehen Sie die Chancen, dass Batteriewechselsysteme auch in diesen Regionen Erfolg haben werden?

Wir halten den Batteriewechsel für einen Game-Changer im Bereich der Elektromobilität. Dass bereits 80 Prozent der Autohersteller in China den Batteriewechsel anbieten, signalisiert das Potenzial dieser Technik für alle Märkte, die auf mehr Integration, Synergien, aber auch auf das autonome Fahren setzen.

Der deutsche Automobilmarkt hat an Stärke und Dominanz weltweit bereits hohe Einbußen hinnehmen müssen. Die Automesse in Shanghai hat uns eindrücklich vor Augen geführt, dass die chinesische Innovations- und Entwicklungskraft den globalen Automarkt im Bereich der Elektromobilität zunehmend dominiert. Die Frage, ob der Batteriewechsel in Regionen wie den USA und Europa erfolgreich sein wird, stellt sich daher unseres Erachtens nicht, der Erfolg ist unausweichlich.

Welche Maßnahmen könnten die Entwicklung beschleunigen?

Eine langfristig erfolgreiche Umsetzung der Batteriewechsel-Strategie in Europa wird durch die frühe Einbeziehung von Tankstellen bzw. Mineralölkonzernen, Autohäusern und Betriebshöfen wesentlich erleichtert. Aber wir denken auch an die direkte Verknüpfung von Solarparks und speichergestützten Batteriewechsel.

Die Erlangung einer breiten Akzeptanz der Batteriewechseltechnologie als alternative Strombereitstellung kann durch politische Rückendeckung beschleunigt werden. Der Batteriewechsel muss hierzulande endlich als eine vollkommen ebenbürtige Technologie vorangetrieben und gefördert werden.

Der Ansatz eines Batteriewechselsystems funktioniert nur, wenn OEMs bereit sind, diese Technik zu nutzen, und ihre Autos so bauen, dass die Batterie gewechselt werden kann. InfraDianba hat auf seiner Website 16 Hersteller gelistet (Stand 2023), die auf die Technik von Aulton Dianba setzen. Welche Argumente konnten die OEMs von Aulton Dianba überzeugen?

Die Hersteller haben unterschiedliche Motive und Strategien. In Asien steigt aber die Nachfrage nach erschwinglichen Batteriewechselfahrzeugen konstant, da die Technologie für den Taxibetrieb bzw. E-Flotten die einzige preislich und zeitlich attraktive Alternative darstellt. In Peking allein nutzen aktuell 30.000 E-Taxis die Wechseltechnik von Aulton/InfraDianba, weil sie damit bis zu 30 Prozent höhere Erträge generieren.

Die Batteriewechseltechnologie von Aulton ist aufgrund ihrer Markenoffenheit im Fahrzeug- und Batteriebereich für alle interessant, die ihr Batteriewechselfahrzeug-Portfolio für OEM- und Batterie-Alternativen offen halten wollen.

In enger, ca. sechsmonatiger Zusammenarbeit mit dem OEM wurde von Aulton für jedes Fahrzeug ein individuelles Wechselakku-Paket entwickelt, welches kompatibel mit dem teilstandardisierten Wechselrahmen von Aulton/InfraDianba ist. Diese Teilstandardisierung und das jeweils angepasste Batteriepackgehäuse erlauben es den chinesischen Automobilherstellern sicherzustellen, dass sie dem Kunden jederzeit ihre spezifische Batterie an der Wechselstation (geladen) bereitstellen können.

Für die langfristige Erreichung hoher Mobilitätseffizienz wäre eine Vollstandardisierung jedoch wünschenswert.

Ein weiteres überzeugendes Argument ist die Geschwindigkeit, in der der Wechsel erfolgt. Mit einer technischen Wechselzeit von 20 Sekunden ist der Batteriewechsel von InfraDianba im Vergleich zu anderen Herstellern von Wechselsystemen ungeschlagen. Die Fahrzeuge können somit innerhalb kürzester Zeit wieder auf der Straße sein.

Kostendruck und der stark reduzierte Ausbau der Plug-in-Infrastruktur machen den Batteriewechsel in China immer attraktiver.


  1. »Nur auf Ladesäulen zu setzen ist der falsche Weg«
  2. "Der Batteriewechsel hat das Potenzial, eine der treibenden Technologien in der »grünen Mobilität« zu werden"

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