Ghosting am Arbeitsmarkt?

»Viele testen gerade ihren Marktwert«

23. Mai 2023, 12:37 Uhr | Corinne Schindlbeck
Olaf Kammerer, Managing Director der Personalberatung Deltacon, Nürnberg. Er verantwortet mit seinem Team die Branchen Elektrotechnik, Automatisierung und Elektronik.  »Die Wechselbereitschaft ist wieder gestiegen. Aber auch die Anspruchshaltung, vor allem beim Gehalt.«
© Deltacon

Die Wechselwilligkeit von Ingenieuren hat wieder zugenommen, leider auch eine grassierende Unverbindlichkeit bis hin zu »Ghosting«, wie Personalberater Olaf Kammerer von Deltacon beobachtet: »Viele testen aktuell ihren Marktwert.« Wie gehen Personaler damit um? Wir haben Stimmen eingefangen.

Wird Ghosting zum unrühmlichen Trend?

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Herr Kammerer, die PCIM ist gerade vorbei – wie entwickelt sich denn der Arbeitsmarkt in der Leistungselektronik?

Olaf Kammerer: Die Corona-Phase scheint abgeschlossen zu sein, die Unternehmen setzen wieder auf Wachstum und Stellenaufbau. Wir registrieren viel Bewegung im Bereich Vertrieb, Field Application und bei Senior-Positionen. Spannend wird zu sehen sein, wie das an den neuen Standorten von Intel in Magdeburg und Wolfspeed im Saarland gelingen wird – beides ja eher strukturschwache Regionen. Einfach wird die Besetzung dort nicht werden, vor allem mit Blick auf hochqualifizierte und/oder promovierte Ingenieure. Denn das Stellenangebot für sie ist groß und die Konkurrenz um Fachkräfte ist gewachsen. Sichtbar etwa am Beispiel der Automobilindustrie, die sich zum attraktiven Arbeitgeber für Leistungselektronik entwickelt hat und zudem ein sehr positives Image bei Absolventen hat. Für kleinere, bei der breiten Masse unbekannte Mittelständler ist das keine gute Nachricht, für sie wird die Stellenbesetzung immer schwerer.   

Verbände warnen im Vorfeld des geplanten Einwanderungsgesetzes, dass der Fachkräftemangel Unternehmen ins Ausland treiben, Industrie abwandern könnte. Sie wünschen sich jetzt Tempo. 

Unternehmen sollten, ja müssen im Ausland rekrutieren. Das und die anschließende Integration und Administration der ausländischen Mitarbeiter ist ein Thema, dem sie sich stellen müssen. In Polen, Tschechien, Bulgarien, der Slowakei oder auf dem Balkan gibt es sehr gut ausgebildete Ingenieure, auch in Indien, Asien oder Nordafrika. Sie zu finden und anzusprechen, ist über Active Sourcing – etwa über LinkedIn – einfacher geworden. Das Interesse ist im Ausland auch höher, zeigt die Erfahrung. Bis zur Stellenbesetzung ist es freilich oft noch ein weiter Weg, es warten Vorstellungsrunden und vor allem bei Drittländern bürokratische Hürden. Ich empfehle daher, unbedingt auf ein konkurrenzfähiges Gehalt zu achten. Sonst sind schnelle Wechsel der Neulinge vorprogrammiert. 

Ist die Bereitschaft zum Jobwechsel gestiegen? Während Corona war davon ja nichts zu bemerken.  

Ja. Die Wechselbereitschaft ist wieder gestiegen. Aber auch die Anspruchshaltung, vor allem beim Gehalt. Bis zu 20 Prozent »Wechselprämie« sind aber in der Regel nicht zu erzielen, wird aber häufig erwartet. Was erschwerend hinzukommt, ist eine gewisse Unverbindlichkeit gegenüber Zusagen und auch bereits geschlossenen Verträgen. Manchmal entscheiden sich Kandidaten in allerletzter Minute um und springen ab, etwa weil der/die Partner:in doch keinen Umzug wünscht. Man merkt, dass die Dinge nicht immer konsequent zu Ende gedacht werden, viele oft nur ihren Marktwert testen wollen. Dagegen ist nichts zu sagen, aber man sollte das transparent machen und fair bleiben. Ich kann nur warnen, dass sich Kandidaten sonst ins eigene Fleisch schneiden und ihre Reputation durch so ein Verhalten beschädigen. 

Wieviel mehr ist denn beim Stellenwechsel drin?

Das kann man nicht pauschal sagen, es hängt auch von der Region ab und dem dortigen Gehaltsgefüge. 5 bis 10 Prozent können es sein. Wir beobachten aber, dass Angebote mit 5.000 bis 10.000 Euro plus allein nicht reichen. Das Gesamtpaket muss stimmen – und hier insbesondere Themen wie Nachhaltigkeit, Unternehmenskultur und Sinnhaftigkeit der Unternehmensziele. 

(Interview: Corinne Schindlbeck)

 


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