Exklusiv-Interview mit Prof. Leo Lorenz

Halbleiter sind das neue Öl

9. März 2016, 8:20 Uhr | Ralf Higgelke
Professor Leo Lorenz (rechts), Vorsitzender des Fachbeirats der PCIM, im Gespräch mit Ralf Higgelke, Redakteur bei der DESIGN&ELEKTRONIK
© Lisette Hausser

Vom 10. bis 12. Mai 2016 findet die PCIM Europe statt. Im Vorfeld der Messe konnte die DESIGN & ELEKTRONIK mit Prof. Leo Lorenz, Vorsitzender des Fachbeirats und Präsident der ECPE, darüber sprechen, warum Netzteile eine aussterbende Gattung werden könnten und warum Halbleiter das neue Öl sind.

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DESIGN&ELEKTRONIK: Herr Professor Lorenz, wenn Sie das Konferenzprogramm der PCIM Europe 2016 ansehen, was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Themen in diesem Jahr?

Dan Kinzer, Navitas, Wide Bandgap Semiconductor, SiC, GaN, Siliziumkarbid, silicon carbide, Galliumnitrid, gallium nitride
Die Wide-Bandgap-Landschaft
© Dan Kinzer, Navitas

Professor Lorenz: In diesem Jahr haben wir vier oder fünf große Themen. Das ist zum einen wie jedes Jahr natürlich die Halbleiterei. Dennoch betone ich in diesem Zusammenhang dies auch als neues Thema, weil wir große Fortschritte bei Wide-Bandgap-Bauelementen gemacht haben. Das betrifft einerseits die Qualität des Materials, andererseits auch die Weiterentwicklung der Bausteine selber. Auch werden erste Demonstratoren vorgestellt, wie es in Zukunft zu einer höherwertigen Integration kommen könnte. Darüber hinaus gibt es auch in den Bereichen Ansteuerung und Schutzkonzepte für Leistungshalbleiter neue Ideen und Vorschläge.

Als zweites großes Thema sehe ich eine Technik, die sich "Solid-State-Umrichter" nennt. Man will in Zukunft für einige Anwendungen direkt an das Mittelspannungsnetz gehen und sich den großen Netztrafo einsparen. Leistungselektronische Stellglieder sollen die hohe Spannung direkt auf 380 Volt AC oder - wie auch angedacht im Heim- und Bürobereich oder bei Industrieanlagen - direkt auf zum Beispiel 42 Volt DC oder auch eine andere Gleichspannung heruntersetzen.

Also gleich mit Gleichspannung ins Haus?

Genau, das ist eine wichtige Anwendung. Man will ja idealerweise beispielsweise vom Mittelspannungsnetz direkt auf das Wechselspannungsnetz im Haus wandeln, und man denkt auch darüber nach, im Haus- und Bürobereich direkt mit Gleichspannung zu arbeiten. Sie müssen sich vorstellen, jedes Gerät zuhause oder im Büro braucht eine Stromversorgung. Jedes hat ein eigenes AC/DC-Netzteil und nachgeschaltete DC/DC-Wandler.

Johann Kolar, ETH Zürich, Solid-State-Transformator, PCIM
Konzept der Solid-State-Umrichter
© Johann Kolar, ETH Zürich

Man spart sich also komplett die Netzteile ein.

Das sehen Sie völlig richtig. Aber nicht nur das, auch der Gesamtwirkungsgrad lässt sich dadurch wesentlich verbessern, denn AC/DC-Netzteile haben einen relativ schlechten Wirkungsgrad verglichen mit modernen DC/DC-Wandlern. Die Netzteile einzusparen wäre ein großer Schritt.

Ein Thema, worüber ich mich besonders freue, ist "smarte Leistungselektronik" oder "Industrie 4.0", wobei Letzteres für fast alle Dinge gebraucht oder gar missbraucht wird. Bei uns geht es im Wesentlichen darum, den Umrichter internetfähig zu machen. Welche Diagnosefähigkeiten brauche ich? Welche Schnittstellen, damit ich mit dem Umrichter direkt kommunizieren kann? Also Man-to-Umrichter, Umrichter-to-Man und Umrichter-to-Umrichter.

Als letzten Punkt sehe ich die digitale Leistungselektronik, hier mit der Zielapplikation "Smart Lighting". Man möchte ja moderne Leuchtkörper beispielsweise über Bluetooth ansteuern. Ich glaube, im Bereich Lighting ist die digitale Leistungselektronik am weitesten fortgeschritten. Dazu wird es eine Session in der Konferenz geben.


  1. Halbleiter sind das neue Öl
  2. Trendthema Solid-State-Umrichter und Firmenfusionen
  3. »Leistungshalbleiterei muss in Europa gehalten werden«
  4. Baustellen bei der Ausbildung
  5. Halbleiter aus Diamant, und was wir von China lernen können

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