Vom 16. bis 18. Mai 2017 findet die PCIM Europe statt. Im Vorfeld der Messe konnte die DESIGN&ELEKTRONIK mit Prof. Leo Lorenz, Vorsitzender des Fachbeirats, unter anderem darüber sprechen, warum die Elektromobilität für GaN eine große Chance sein könnte und warum DC-Netze kommen werden.
DESIGN&ELEKTRONIK: Gehe ich recht in der Annahme, Herr Professor Lorenz, dass auf der kommenden PCIM Europe wieder an jedem Tag eine Keynote gehalten wird und welche Themen stehen denn dieses Mal im Fokus?
Prof. Leo Lorenz: Die erste Keynote behandelt die Elektromobilität, ein immerwährend wichtiges Thema. Robert Lassartesses von Renault-Nissan berichtet über leistungselektronische Wandler im Auto sowie Ladestrukturen und -konzepte. Da gibt es im Wesentlichen zwei oder drei Wege: das »Soft Charging« zuhause an der Steckdose über Nacht sowie – und das ist das wesentlich wichtigere Thema in Deutschland und wahrscheinlich auch Europa – das Schnellladen. Da geht es um ganz andere Leistungsbereiche als diejenigen, die in der Vergangenheit diskutiert wurden. Das ist der eine Aspekt den Lassartesses ansprechen wird.
Der andere Aspekt ist eine Betrachtung, wie es im Auto selbst aussehen wird. Da gibt es ja drei wesentliche Komponenten: der DC/DC-Wandler, der Traktionsantrieb und die Batterie. Lassartesses wird zeigen, wie sich diese kompakt aufbauen lassen, es geht also um die Integration ins System Auto. Renault-Nissan ist übrigens der Meinung, dass Wide-Bandgap-Halbleiter hier sehr wichtig werden. Den Wirkungsgrad und die Leistungsdichte zu erhöhen und gleichzeitig die Zuverlässigkeit zu verbessern, sind hierbei die treibenden Faktoren. Eine interessante Aussage ist, dass Renault-Nissan Galliumnitrid-Bauelemente von der Kostenstruktur her mittelfristig als besonders attraktive Lösung ansehen. Das finde ich sehr interessant und bin gespannt, wie der Redner da argumentieren wird.
Worum geht es in der zweiten Keynote?
Diese hält Hans Krattenmacher von SEW Eurodrive und man könnte sie umschreiben mit Smart Factory oder Industrie 4.0. Dabei gibt es mehrere Themenkomplexe: Der eine ist die Fabrik als solche. Sie soll hoch flexibel sein, man möchte weg vom Fließband, wo ein Arbeitsschritt nach dem anderen kommt. Letztlich möchte man schneller und besser auf Kundenwünsche eingehen. Braucht ein Kunde beispielsweise bestimmte Produktfeatures nicht, dann wird dieses Wunschprodukt über das hoch flexible System genauso schnell ausgeliefert wie alle anderen Produkte. Viel wichtiger aber ist noch die Fertigungskapazität. Bei den heute noch üblichen Fertigungsstraßen ist es ein großes Problem, beispielsweise auf 110 Prozent zu gehen. Was mache ich dann? Muss ich eine zweite Fertigungslinie aufbauen? Und vor allem: Wie fülle ich diese dann? Oder könnte ich einen Arbeitsschritt parallel bedienen, um so etwas zu vermeiden?
Im zweiten Teil seiner Keynote behandelt Krattenmacher, wie die Leistungselektronik der Zukunft für eine solche Smart Factory aussehen muss. Und er postuliert, in diesem Bereich werde es keine revolutionären neuen Schritte geben. Die Wandler für Industrie 4.0 werden – und da stimme ich voll mit ihm überein – dem »Mainstream« der leistungselektronischen Systeme folgen, also höhere Leistungsdichte, höherer Wirkungsgrad, höhere Zuverlässigkeit und höhere Integration bei niedrigeren Kosten.
Neben diesem Mainstream kommt dann noch die Kommunikationsfähigkeit hinzu; das ist eine neue Entwicklung. Neben den Prozessdaten geht es da vor allem um die Abfrage von Zuverlässigkeitsdaten, z. B. die Lebensdauer von IGBT-Modulen oder von Kondensatoren. Man möchte die Alterung dieser Komponenten überwachen, um eine Wartung zeitnah planen zu können – Stichwort »Predictive Maintenance«.
Der dritte Aspekt, den Krattenmacher in seiner Keynote ansprechen wird, ist die »smarte« Stromversorgung für diese Fabriken der Zukunft. Man will einerseits eine gewisse Autarkie vom öffentlichen Stromnetz, indem man Energie selber »erzeugt« beispielsweise durch Solarzellen auf dem Fabrikdach, andererseits muss man dann diese Energie speichern und man muss dafür sorgen, dass das Versorgungsnetz für die Fabrik in Summe stabil und zuverlässig ist. Man wird also weiterhin ans öffentliche Stromnetz angeschlossen bleiben, möchte aber auch eigenerzeugte Energie einspeisen. Da wird es noch viel zu reden geben, welche DC-Spannungen für die Stromversorgung der Elektronik sich durchsetzen werden, etwa 24 Volt oder 48 Volt, da bei diesen Werten noch keine sichere Trennung notwendig ist. Im Industriebereich könnten DC-Netze aber auch bei ±380 Volt, ±700 Volt oder noch darüber liegen.
Die »smarte« Energieversorgung für die Fabrik der Zukunft wird von hoher Bedeutung sein. Stabile Energieversorgung bei höchster Zuverlässigkeit, Sicherheit und Energieeinsparung sind hier besonders wichtig. Auch der »smarte« Transformator könnte langfristig hier von hoher Bedeutung werden, da multiple Energiequellen auf der Einspeiseebene und unterschiedliche Spannungsbereiche zur Stromversorgung der angeschlossenen Verbraucher gleichzeitig bedient werden.
Derzeit sind 24 Volt noch der Standard in der Fabrikautomatisierung. Es wird davon also eher weggehen hin zu höheren Spannungen?
Richtig.