Fraunhofer IAF

Galliumnitrid-Schaltungen monolithisch integriert

10. November 2016, 10:37 Uhr | Ralf Higgelke

Aus GaN lassen sich nicht nur außergewöhnliche Einzelschalter fertigen. Da sich durch ihre laterale Struktur weitere Schaltungsteile monolithisch integrieren lassen, steigt auch der Funktionsumfang der Bauteile.

Diesen Artikel anhören

von Richard Reiner, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF).

Erste kommerziell erhältliche GaN-Transistoren zeigen erstklassige Eigenschaften in Bezug auf Leistungsdichte und Schaltverhalten. Im direkten Vergleich zu konventionellen Siliziumbauelementen ist ihr Durchlasswiderstand bei gleicher Bauteilgröße kleiner und in Schaltanwendungen reduzieren sie die Schaltverluste. Trotzdem sollte man die GaN-Technologie nicht einfach nur als einen Ersatz für Silizium betrachten. Ein Verständnis der Unterschiede ist für den richtigen Einsatz entscheidend. Darüber hinaus eröffnen sich mit dieser Technologie völlig neue Möglichkeiten, die über den Funktionsumfang eines einfachen Leistungstransistors hinausgehen.

Bild 1: Schaltungen und Bauelemente auf einem prozessierten Multi-Projekt-Wafer in einer Hochvolt-GaN-auf-Si-Technologie.
Bild 1: Schaltungen und Bauelemente auf einem prozessierten Multi-Projekt-Wafer in einer Hochvolt-GaN-auf-Si-Technologie.
© Fraunhofer IAF

Im Unterschied zu den konventionellen vertikalen Transistorstrukturen wie Power-MOSFETs oder IGBTs beruhen GaN-Transistoren auf einer lateralen HEMT-Struktur (High Electron Mobility Transistor). Das bedeutet der Durchlassstrom fließt anders als bei vertikalen Bauelementen nicht durch das Bulk-Material, sondern lateral nahe der Chipoberfläche. Damit sind alle Anschlüsse (Drain, Gate, und Source) auf der Chipoberseite und lassen sich über Leiterbahnen verdrahten. Durch die laterale Beschaffenheit lassen sich auch mehre Transistoren auf einem Chip platzieren. Isolierte Bereiche können diese Komponenten voneinander trennen. Damit lassen sich Schaltungsteilen oder ganzen Leistungstopologien auf einem Chip integrieren (Bild 1). Ein weiterer Vorteil einer lateralen Struktur ist, dass man die GaN-Komponenten auf großflächigen, kostengünstigen Si-Trägersubstraten prozessieren kann. Dadurch hat diese Technologie gegenüber anderen neu auf den Markt gebrachten Leistungshalbleitern wie Siliziumkarbid (SiC) einen enormen Kostenvorteil und eignet sich so für Massenanwendungen.

Was ist ein effizienter Schalttransistor?

Bei Leistungstransistoren bestimmt der Durchlasswiderstand RON die Leitungsverluste (RON ∙ ID²). Deshalb gilt der flächenspezifische Durchlasswiderstand RON ∙ A als Vergleichsmaß für die Effizienz. Gerade GaN- oder SiC-Bauelemente erzielen hier kleine Werte. Im Vergleich zu Si-Bauelementen lässt sich daher mit den Wide-Bandgap-Halbleitern auf gleicher Bauteilfläche ein deutlich kleinerer Durchlasswiderstand erreichen. Allerdings ist die Siliziumtechnologie noch deutlich kostengünstiger, sodass man mit größerer Chipfläche bei noch immer geringen Kosten einen genauso niederohmigen Leistungstransistor in Silizium bauen kann. Der kleine flächenspezifische Durchlasswiderstand alleine ist also noch kein ausschlaggebendes Argument für GaN und SiC.

Die Vorteile zeigen sich beim Schaltverhalten. Durch schnell schaltende Leistungstransistoren kann die Schaltfrequenz fSW steigen. Somit lassen sich Anwendungen mit kleineren Spulen und Kondensatoren kompakter, leichter und kostengünstiger entwickeln. Das sind Eigenschaften, die in nahezu in allen Anwendungsbereichen von größter Bedeutung sind, besonders aber für die Bereiche Automotive, Luft- und Raumfahrt sowie mobile Geräte.

Bei hohen Schaltfrequenzen bestimmen auch die Schaltverluste die Effizienz einer Anwendung. Diese Verluste entstehen während der Ein- und Ausschaltzeit tSW des Transistors, sie können in der Schaltanwendung angenähert berechnet werden:

PLOSS,SW ≈ UDS,OFF ∙ ID,ON ∙ tSW ∙ fSW

Die Schaltzeit tSW ist die Zeit, während der der Transistor über das Gate Ladungsträger aufnimmt und zu leiten beginnt oder Ladungsträger abgibt und zu sperren beginnt. Die Ladungsmenge QG = IG ∙ tSW wird dabei als Gate-Ladung bezeichnet. Damit ist dieser Wert der bestimmende Bauteilparameter für die Schaltverluste.

Bild 2: Vergleich von Leistungstransistoren in Bezug auf ihre Durchlass- und Schaltverluste. GaN-Bauelemente haben einen deutlich kleineren Verlustfaktor.
Bild 2: Vergleich von Leistungstransistoren in Bezug auf ihre Durchlass- und Schaltverluste. GaN-Bauelemente haben einen deutlich kleineren Verlustfaktor.
© Fraunhofer IAF

Ein Transistor mit viel Bauteilfläche hat eine große Ladung, allerdings kann man auf großer Chipfläche auch einen kleinen Durchlasswiderstand erzielen. Umgekehrt hat ein Transistor auf kleiner Fläche eine kleine Ladung aber einen großen Durchlasswiderstand. Aus diesem Gegensatz lässt sich eine aussagekräftige Kennzahl für effiziente Leistungstransistoren ableiten. Ein kleines Produkt aus dem Durchlasswiderstand und der Schaltladung RON ∙ QG gilt daher als wichtiger Faktor für effiziente und schnell schaltende Leistungsbauelemente. Wegen hoher Leistungsdichte erzielen auch hier GaN- und SiC-Bauelemente deutlich kleinere Werte als solche aus Silizium. Bild 2 zeigt die Kennzahl RON ∙ QG in Abhängigkeit der maximalen Sperrspannung. GaN-Transistoren haben demnach bereits heute einen um etwa Faktor 10 kleineren Wert als moderne Siliziumtransistoren derselben Spannungsklasse. Von diesen Bauteilen ist daher ein Entwicklungssprung bei effizienten und kompakten Schaltanwendungen zu erwarten.


  1. Galliumnitrid-Schaltungen monolithisch integriert
  2. GaN-HEMT mit integrierter Freilaufdiode
  3. Monolithisch integrierte Halbbrücke und Sensoren

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Dr. Richard Reiner, Fraunhofer IAF

Trends und Perspektiven der GaN-Leistungselektronik

Fraunhofer IAF

GaN-auf-Si-Halbbrücke für 600 V in Platine integriert

Referenzdesign

Adapternetzteil mit 300 W

Taiyo Nippon Sanso

Kostengünstig GaN-Substrate herstellen

Fraunhofer IAF / Leistungshalbleiter

Aluminiumscandiumnitrid erstmals per MOCVD hergestellt

Cornell University / Galliumnitrid

Effizientes zweidimensionales Löchergas machbar

Fraunhofer IAF / PCIM

Galliumnitrid-Power-ICs mit integrierter Sensorik

Anwenderforum Leistungshalbleiter 2018

Vier Koryphäen im Video-Interview

TDK-Lambda

Netzteil nutzt GaN-Transistoren von Transphorm

GaN-Treiber / Universität Reutlingen

Drei Stufen geben GaN-Transistoren Sicherheit

Texas Instruments / Galliumnitrid

Drei neue Leistungsstufen mit 600-V-GaN-Transistoren

Dr. Steffen Metzger, Infineon

CoolGaN startet in den Massenmarkt

Alex Lidow, Efficient Power Conversion

»Wir können Silizium-MOSFETs nun direkt attackieren!«

Wide-Bandgap-Leistungshalbleiter

Flosfia fertigt selbstsperrenden Galliumoxid-MOSFET

APEC 2018 / Seminar

GaN-Bauteile richtig einsetzen

Interview mit Alex Lidow, EPC

»Moore’s Law lebt!«

Universität Aalto / Galliumnitrid

Beryllium-dotiertes GaN für kommende Leistungshalbleiter

600-V-GaN-HEMTs von Texas Instruments

Besser sperren als bei der Kaskode

Interview mit Tim McDonald, Infineon

»CoolGaN konkurriert nicht mit CoolMOS«

3-kW-Server-Stromversorgung von Eltek

Mit CoolGaN zu 98 Prozent Wirkungsgrad

Texas Instruments / Galliumnitrid

Keine Explosionen mehr durch integrierte GaN-Transistoren

Interview mit Dr. Gerald Deboy, Infineon

CoolMOS – Hintergründe und Ausblicke einer Erfolgsstory

ECP-Technologie:

Basis für extrem kleine GaN-Leistungstransistoren

Passive Bauelemente

Magnetics für GaN und SiC

Panasonic

Spezielles Treiber-IC für GaN-Transistoren

Treiber für GaN-Transistoren

Optimierte Performance

Marktstudie von Yole Développement

Die GaN-Halbleiterindustrie ist Fast & Furious

Dialog Semiconductor

Hochintegriertes GaN-Bauteil für Schnelladegeräte

GaN-Transistoren in Stromversorgungen

Neue Stufe der Leistungsfähigkeit

Interview mit Dan Kinzer

»Silizium sollte sich warm anziehen«

Nachlese APEC 2016

GaN und Magnetics im Brennpunkt

Exklusiv-Interview mit Prof. Leo Lorenz

Halbleiter sind das neue Öl

Leistungselektronik

Höherer Wirkungsgrad dank Galliumnitrid

Hy-Line Power Components

GaN-Schalter von transphorm ab Lager lieferbar

TDK

Ferritmaterial für GaN-Schalter

Power Electronic Measurements

Rogowski-Stromtastköpfe für SiC- und GaN-Chips

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF

Weitere Artikel zu Leistungshalbleiter-ICs