Batterie- und Akku-Branche

Marktentwicklung falsch eingeschätzt

25. Juli 2024, 8:05 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Denkpause beim Thema neue Batteriefabriken in Deutschland

Ja wo bleiben sie denn? Zuletzt sogar mit finanzieller Unterstützung der EU Komission sollten in Deutschland und Europa neue Batteriefabriken entstehen, um die sich abzeichnende Abhängigkeit von asiatischen, speziell chinesischen Herstellern beim Thema Speicherzellen für Elektroauto-Batterien zu vermeiden. Zeitweise gab es rund 40 angekündigte oder sogar in Bau befindliche Projekte in Europa; inzwischen ist es deutlich ruhiger um dieses Thema geworden, und zuletzt häuften sich Meldungen, die darauf hindeuteten, dass sich das mit dem Aufbau neuer Fabriken wohl mindestens deutlich verzögern wird. 

Zuletzt sorgte die Ankündigung von Northvolt für Unruhe, dass die weiteren Expansionspläne des Unternehmens noch einmal überdacht werden sollen. Zwar versicherte Deutschlandchef Christofer Haux, dass es nicht zu einem Baustopp in Heide kommen werde, allerdings wollte er auch nicht ausschließen, dass sich der Fabrikbau verzögern oder verändern könnte. Noch Anfang des Jahres wurde nach langem Hin und Her endlich die Ansiedlung von Northvolt in Schleswig-Holstein bestätigt, und jetzt das. 

Zu einem Baustopp ist dagegen in Kaiserlautern seit Anfang Juni die Rede. Eigentlich sollten den ursprünglichen Plänen von ACC folgend aktuell die Maschinen im Werk installiert und Ende des Jahres die Produktion aufgenommen werden. Aber aus all dem wird vorerst nichts. ACC, ein Gemeinschaftsunternehmen von Saft, Mercedes Benz und Stellantis, wollte am Standort Kaiserslautern die Zellen für die Mobilitätswende produzieren. Inzwischen hat sich die dynamische Entwicklung des E-Mobility-Marktes deutlich verlangsamt und gleichzeitig sind bei ACC offensichtlich noch einmal Diskussionen darüber hochgekommen, welche Art von Akku-Technologie denn man nun eigentlich für die Elektroautos der Zukunft benötige – daher die sogenannte Denkpause.

Auch SVolt wird das im September 2022 angekündigte Werk im brandenburgischen Lauchhammer nicht mehr bauen. Als Grund werden der Wegfall eines signifikanten Kundenprojekts und zahlreiche Unsicherheiten am Markt, ungleich verteilte Fördermittel und die wiederaufflammende Diskussion über das Verbrenner-Aus als Gründe für den Verzicht auf den Werksbau genannt.

Hoffnung gibt es für die am Varta-Standort Ellwangen gebauten Elektroautobatterien. Demnach befindet sich Porsche offenbar in Verhandlungen mit Varta, um das V4Drive-Geschäft mittels einer Mehrheitsbeteiligung zu übernehmen. Bereits in der Vergangenheit war darüber spekuliert worden, dass Porsche Batteriezellkunde bei Varta werden könnte. Kommt es nun dazu, dürfte nicht nur die weitere Produktion gesichert sein, sondern Varta bei seinen Restrukturierungsbemühungen wohl einen entscheidenden Schritt nach vorne kommen.

Beim Thema Northvolt wirft Thilo Hack, Ansmann, die Frage auf, welchen Markt das Unternehmen denn nun eigentlich bedienen wolle, »das hat sich über die Jahre immer wieder geändert«. Dass BMW vor Kurzem einen Batterievertrag über 2 Milliarden Euro storniert hat, dürfte sicher auch nicht für Zukunftssicherheit bei Northvolt gesorgt haben. Hack vermisst die langfristige Strategie aber nicht nur bei Northvolt selbst, sondern in der gesamten Förderung der Batterieansiedelungen: »Anstatt da mit der Gießkanne übers Land zu gehen, sollte man vielleicht erst einmal eine Pflanze zum Wachsen bringen, bevor man sich dem nächsten Projekt zuwendet.«

In dieselbe Kerbe schlägt auch Ralf Isermeyer, VRI Batterie Technik: »Es fehlt die langfristige Strategie in der Förderlandschaft über 20, vielleicht auch 30 Jahre.« Northvolt ist ein Paradebeispiel eines förderungsgetriebenen Unternehmens: »Angefangen hat das Ganze mit den Fördermitteln für den Truck, dann kamen die Fördermittel für die Kunden und dann die Fördermittel für das Elektro-Auto – China hat im Gegensatz dazu seine Strategie in diesem Bereich aus meiner Sicht perfekt umgesetzt.«

Zwar sei es in einem zentralistischen System sicher einfacher, Investitionen zu steuern, vermutet Werner Suter, Tefag Elektronik, »aber ich bin der Ansicht, dass der lange Atem, der bei dieser Technologie vonnöten ist, hier vielerorts gänzlich unterschätzt wird!«. Und er bemängelt die Umsetzungsgeschwindigkeit: »Während hier noch diskutiert wird, errichten die Chinesen in Osteuropa einfach weitere Batteriefabriken.« Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Hochschule Landshut, bemängelt, dass es in Deutschland an einer entsprechenden Kultur fehle, die verschiedenen Stake­hol­­der auf der gesamten Wertschöpfungskette der Batterie mit einer Vision zusammenzuführen. »Es macht einfach keinen Sinn, ein Projekt zu stoppen, weil Absatzregulierungen kommen, oder die Entwicklungszeit nicht durchzuhalten, wenn es vielversprechende Anwendungen gibt. Führe ich die Stake­hol­der hier nicht zusammen, sind die einzelnen verunsichert und investieren nicht mehr.«

An Visionen mangele es in Deutschland durchaus nicht, merkt Suter an, »da spricht man ja von Produktionskapazitäten von bis zu 400 GWh, die hier bis 2030 aufgebaut werden sollen« – er lässt offen, ob er dieser Prognose ebenso vertraut wie den Ankündigungen der großen Koalition, die einmal eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen im Jahr 2020 als Ziel ausgegeben hatte. Überhaupt die Politik: Kurt Korn, Omnitron Griese, stellt nüchtern fest, »dass die Batteriebranche hierzulande in der Politik keine wirkliche Lobby hat. Das gilt für die Ampelkoalition wie für die Vorgängerregierungen. Man sieht das ja nun ganz deutlich: Wenn da mal einer ins Straucheln kommt, dann wird der nicht unterstützt«. Ob die Ziele zur Ansiedelung neuer Batteriefertigungsstätten in Deutschland mittel- und langfristig erfolgreich sein werden, wird wohl erst die Zukunft zeigen. 

 


  1. Marktentwicklung falsch eingeschätzt
  2. Kritischer Blick auf die neue EU-Batterieverordnung
  3. Der Hype um die Natrium-Ionen-Batterie geht weiter
  4. Denkpause beim Thema neue Batteriefabriken in Deutschland

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