Erst vor einigen Wochen hat das Marktforschungsinstitut IDTechEx eine neue Marktstudie zum Thema Natrium-Ionen-Batterie veröffentlicht, der den Zeitraum von 2024 bis 2034 abdeckt. Für den Report wurden rund 30 Unternehmen unter die Lupe genommen, die sich mit der neuen Batterietechnologie beschäftigen. In ihrer Untersuchung gehen die Marktforscher aktuell vom Aufbau einer Fertigungskapazität von 40 GWh bis 2025 aus. Sollte das gelingen, so ihre Prognose, dann rechnen sie bis 2030 mit dem Aufbau zusätzlicher Fertigungskapazitäten in der Größenordnung von 100 GWh. Getrieben wird der Hype um Natrium-Ionen-Batterien letztlich von der Furcht, dass es mittelfristig zu einer Verknappung des Lithium-Angebots kommen könnte. Für Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Hochschule Landshut, ist die Natrium-Ionen-Batterie darum vor allem ein Rohstoffthema. »In der Zeitschrift Nature wurde im letzten Jahr ein Bericht veröffentlich, aus dem hervorgeht, dass sich 2024 erstmals eine Lücke bei der Lithium-Versorgung aufgetan hat zwischen dem, was gebraucht wird, und was bis 2036 zur Verfügung gestellt werden kann.« Es gäbe zwei Möglichkeiten, auf diese Entwicklung zu reagieren: Recycling oder der Umstieg auf ein anderes Erdalkali. Für Prof. Dr. Pettinger ist Lithium die geniale Technologie für tragbare Lösungen, »aber für den stationären Bereich bietet sich die Natrium-Ionen-Batterie als Ersatz für Lithium-Eisenphosphat-Batterien an«. Im mobilen Bereich, speziell im Automotive-Bereich, sieht er Natrium-Ionen nicht. Ein entscheidender Punkt für Natrium-Ionen seien auch die um 30 Prozent niedrigeren Kosten gegenüber NMC-Zellen. Dass es bei diesem Hype nach wie vor einen Unterschied zwischen dem macht, was chinesische Hersteller wie CATL oder BYD zum Thema Natrium-Ionen-Batterie veröffentlichen, und dem, was in Europa erhältlich ist, macht Fabian Fluck von Hy-Line Schweiz deutlich: »Das, was wir bisher auf den Tisch bekommen und durchgetestet haben, war noch um Faktoren von Lithium entfernt. Fast das Gleiche gilt auch für Lithium-Eisenphosphat, was man gerne als Konkurrenzprodukt bezeichnet.« Sein Fazit: »Das ist auf jeden Fall noch weit von dem entfernt, was wir in Europa unter Mobilität verstehen.« Ralf Isermeyer, VRI Batterie-Technik, bemüht sich, die Vorteile von Natrium-Ionen-Batterien hervorzuheben: »Auf jeden Fall ist die Temperaturfestigkeit von Natriumzellen um einiges besser als die der Lithiumzellen, ganz zu schweigen davon, dass es wesentlich brandfester und resistenter ist.« Thilo Hack, Ansmann, verweist zum einen darauf, dass sie von Kunden immer wieder auf die neue Technologie angesprochen werden, und zum anderen auf die vor Kurzem veröffentlichten Ergebnisse einer koreanischen Forschungsgruppe am KAIST, der es offenbar gelungen ist, die Leistungsdichte bei Natrium-Ionen-Batterien von 160 auf 250 kWh/kg zu erhöhen. Möglich geworden ist das offenbar durch einen Hybridansatz, der Richtung Supercap geht. Ein entscheidender Vorteil einer marktreifen Natrium-Ionen-Batterie wäre die massive Hochstromfähigkeit einer solchen Zelle. Warum ist es dann trotzdem im Laufe des letzten Jahres etwas ruhiger um die Natrium-Ionen-Batterie geworden? Auch darauf liefert die Diskussionsrunde eine Antwort. »Als der Lithiumpreis hoch war, sprachen ganz klar die Kosten für die Natrium-Ionen-Batterie«, stellt André Gronke von Farasis Energy fest, »inzwischen hat diese Motivation etwas nachgelassen«. Im Übrigen sieht auch Gronke den Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien eher im stationären Bereich »als in der Mobilität«. Das Argument des gesunkenen Kostendrucks hat auch Marc Eichhorn, Avnet Abacus, wahrgenommen. Trotzdem glaubt er, »dass das nur eine Zwischenpause ist, in der Erfahrungen gesammelt werden, bevor man dann richtig in die Skalierung dieser Technologie geht«. Kurt Korn von Omnitron Griese erinnert daran, »dass wir das alles auch schon mal über Lithium-Eisen-Phosphat gesagt haben. Das hat sich aber auch nicht in der Breite durchgesetzt, sondern nur in bestimmten Nischen«. Er könne seinen Kunden noch so sehr den Sicherheitsaspekt hervorheben, »wenn es um die Laufzeit geht, wird er zu Lithium-Ionen greifen. Dasselbe gilt für das Preisargument; wenn der Kunde aber die höchste Energiedichte möchte, dann zählt nur Lithium-Ion«. Im Speicherbereich, ja, da sei bisher Lithium-Eisenphosphat das Non-Plus-Ultra, das wird sich in Zukunft in Richtung Natrium-Ionen verändern, aber »überall dort, wo etwas am Körper getragen wird und es darum geht, noch 200 mAh mehr reinzupacken, führt kein Weg an Lithium-Ionen-Akkus vorbei«. Warum wird die Technologie dann als Alternative für den E-Mobility-Bereich propagiert? Weil Automotive einfacher sexier ist als langweilige Energiespeicher? Für Gronke hängt das auch mit den angekündigten Produktionskapazitäten zusammen: »30, 60 GWh, das kriege ich halt nicht mit Kleinanwendungen ausgelastet.« Hack verweist noch einmal auf den Aspekt Sicherheit – auch im Automotive-Bereich: »Die Deutsche Post setzt heute in ihren Elektrofahrzeugen nur noch Lithium-Eisenphosphat ein, da wären Natrium-Ionen-Batterien natürlich der ideale Ersatz, ich denke aber, dass wir das Thema Sicherheit auch nicht beim privaten Autokauf unterschätzen sollten. Es muss was passieren, um mehr Leute zum Umstieg auf Elektrofahrzeuge zu bewegen, und aus diesem Grund sehe ich Natrium-Ionen-Batterien ganz ehrlich auch im Auto.« |