Die Eigenschaften der verbotsgeplagten PFAS-Chemikalien sind oft einzigartig - umso schwieriger gestaltet sich gerade in der Medizintechnik deren Substiution. Das Fraunhofer IFAM hat neue Materialien entwickelt, die sich auch in Medizinprodukten eignen, um PFAS gezielt zu ersetzen.
Das geplante EU-Verbot der Nutzung von per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen, kurz PFAS, ihat gravierende Folgen für die Medizintechnik. Da die Chemikalien und Stoffe über viele für den Einsatz in der Medizin unerlässliche Eigenschaften verfügen, werden sie derzeit in zahlreichen Standardprodukten eingesetzt. Eine zeitintensive Markteinführung, welche die aktuell vorgeschlagenen Übergangsfristen in der Regel deutlich übersteigt, zwingt die Medizintechnikbranche, schnell umsetzbare Alternativen mit vergleichbaren Sicherheitsstandards zu finden.
Dr. Ralph Wilken, Bereichsleiter Oberflächentechnik am Fraunhofer IFAM, will Medtech-Unternehmen dabei unterstützen. Der PFAS-Fachmann wollte schon lange bevor die giftigen Stoffe in Verruf gerieten, Alternativen finden. Mit beeindruckenden Resultaten: »Seit mehr als zwei Jahrzehnten nutzen wir nun erfolgreich siliziumorganische Chemie, um ein großes Spektrum positiver Eigenschaften der PFAS vernünftig zu ersetzen«.
Die Materialien, die Wilken und seine Kolleg:innen entwickelt haben, werden in der Lebensmittelbranche gerade eingeführt – und erfüllen auch jene Maßgaben, die für die Medizintechnik zwingend erforderlich sind: Sie sind biokompatibel und damit verträglich und zugleich inert, das heißt sie reagieren nicht oder nur minimal mit anderen Stoffen. Zudem gelang es den Fachleuten, zahlreiche Beschichtungen zu entwickeln, die über elektrisch isolierende Eigenschaften verfügen und über ihre Oberfläche in ihrer Wechselwirkung mit Zellen optimal einstellbar sind.
Die Forschenden haben bereits mehrere PFAS-Substitute entwickelt, dazu gehören u.a. innovative Lacke, die plasmapolymere Funktions-Trennschicht Release Plas, welche eine trennmittelfreie Fertigung von Kunststoffbauteilen ermöglicht, die Antihaftbeschichtung Plaslon sowie Materialien für die Funktionalisierung von Oberflächen wie Silikon modifiziert durch vakuumultraviolette Strahlung (VUV).
Um PFAS bei gleicher Funktionalität zu ersetzen, braucht es einen passgenauen Zuschnitt der neuen Ersatzmaterialie: »Wir sind in der Lage, die zu ersetzende Komponente genau zu analysieren und so gezielt die gewünschten Eigenschaften zu substituieren. Dabei begleiten wir Firmen mithilfe erprobter Prozesse, unserem Wissens um Oberflächen und Funktionswerkstoffe und der Erfahrung, welches Material wie zielführend ersetzt werden kann,« sagt Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter Medizintechnik und Life Sciences am Fraunhofer IFAM. Auf der Compamed 2024 präsentiert das Fraunhofer IFAM vom 11. bis 14. November die PFAS-Substitute am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 8a, Stand G10. (uh)