Medtech-Verbände schlagen Alarm

EU-Verordnungen bremsen MedTech-Innovation massiv aus

5. November 2025, 10:53 Uhr | Elektronik Medical (uh)
Seit dem 26. Mai 2021 gilt für Medizinprodukte in der EU die neue MDR.
© AdobeStock/dmutrojarmolinua

Die aktuelle Branchenumfrage von BVMed, MedicalMountains, Spectaris und VDGH zeigt die gravierenden Folgen der MDR / IVDR für Medtech-Firmen: 53 Prozent der Hersteller reduzierten die Forschung, über 40 Prozent bringen neue Produkte nicht mehr in der EU inverkehr. Gefordert ist eine zügige Revision.

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Die europäischen Verordnungen für Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) verfehlen ihre ursprünglichen Ziele und gefährden den Innovationsstandort Europa. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Branchenumfrage, die vier führenden Medizintechnik-Verbände im Sommer 2025 durchgeführt haben. 245 Hersteller aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen an der Befragung teil – ihre Rückmeldungen zeichnen ein düsteres Bild.

Forschung und Entwicklung unter Druck

Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen berichtet von einer Reduktion ihrer Forschungs- und Entwicklungsprojekte in den letzten fünf Jahren. Besonders drastisch: 46 Prozent dieser Unternehmen verzeichnen einen Rückgang von über 75 Prozent. Bei 20 Prozent kam es zusätzlich zu Personalabbau in der Forschung. In der gemeinsamen Erklärung warnen die Verbände: »MDR und IVDR müssen dringend nachjustiert werden, sonst verliert Europa an Innovationskraft und Versorgungssicherheit«.

Die Umfrage zeigt auch, dass über 40 Prozent der Hersteller innovative Produkte nicht mehr in der EU in Verkehr bringen. Stattdessen erfolgt die Markteinführung in den USA, Asien, Südamerika und Kanada. »Statt Innovation zu fördern, führen die aktuellen Regelungen zu einem massiven Rückgang von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Verlagerungen von Innovationen und in Teilen Produktionen ins Ausland«, heißt es im Ergebnisbericht, der unter anderem an EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi übergeben wurde.

Produktionsstandorte wandern ab

Rund ein Drittel der Unternehmen plant eine teilweise oder vollständige Verlagerung der Produktion außerhalb der EU. Als Gründe nennen die Befragten steigende Energiekosten, Fachkräftemangel, hohe Lohnkosten sowie die zunehmende regulatorische Belastung und Bürokratie. Auch Patentanmeldungen gehen zurück: 22 Prozent melden weniger Patente an, was auf verlängerte Entwicklungs- und Zulassungsverfahren sowie die Verlagerung von Ressourcen in regulatorische Tätigkeiten zurückzuführen ist.

Binnenmarkt fragmentiert

Selbst innerhalb der EU führen nationale Sonderanforderungen zu Versorgungsunterschieden. 38 Prozent der Hersteller bieten bestimmte Produkte aufgrund regulatorischer Sonderregeln wie Sprachanforderungen oder nationaler Datenbanken nicht in allen Mitgliedstaaten an – besonders betroffen sind die Slowakei, Ungarn, Kroatien und Rumänien.

Versorgungslücken bei Orphan Devices

Besonders alarmierend ist die Situation bei sogenannten Orphan Devices, hochspezialisierten Produkten für kleine Patientengruppen. Von den Herstellern solcher Produkte haben 64 Prozent bereits Abkündigungen aufgrund der MDR und IVDR vorgenommen. Dies droht erhebliche Versorgungslücken für vulnerable Patientengruppen zu schaffen. Erst kürzlich ist Karl Storz nach 5 Jahren Kraftakt mit der MDR in die Neurochirurgie insbesondere für Neugeborene zurückgekehrt. 

Verbände fordern Revision

Die vier Verbände fordern eine zielgerichtete Revision beider Verordnungen. »Die notwendigen Anpassungen müssen zeitnah verabschiedet und umgesetzt werden, um die Weichen für ein Regulierungssystem zu stellen, das Innovation ermöglicht, die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichert und zugleich ein hohes Maß an Patientensicherheit garantiert«, so die gemeinsame Forderung. Dazu gehören vereinfachte Verfahren, verhältnismäßige Anforderungen und eine Entlastung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen.


An der Online-Befragung vom 15. Juni bis 31. August 2025 nahmen 267 Unternehmen teil, davon 245 Hersteller. Die Spannbreite reichte von Kleinstunternehmen bis zu Großunternehmen mit über 750 Beschäftigten. 84 Prozent waren in den vergangenen zehn Jahren in Forschung und Entwicklung aktiv, 91 Prozent betreiben mindestens einen Produktionsstandort in der EU.


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