Medizintechnik im Portrait »Pheal«

Wearable mit Herz versteht Gesundheit kontinuierlich

5. Dezember 2025, 9:58 Uhr | Ute Häußler
Das Gründerduo Eike Kottkamp und Dr. Agnes Musiol. In »Pheal« steckt nicht nur viel Herzblut, sondern auch die Sensorik des Schwester-Startups »Addsensors«.
© Pheal

Von der Diabetes-App über intelligente Prothesen bis hin zu Pflegerobotern: Startups wollen das Gesundheitssystem digital in die Zukunft führen. »Pheal« aus Osnabrück will mit intelligenter Sensortechnologie Gesundheit nicht mehr nur punktuell messen, sondern präventiv und kontinuierlich verstehen.

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Wie lautet der »Pheal« Elevator Pitch? 

Unser Gesundheitssystem ist reaktiv – es behandelt Krankheiten, statt sie zu verhindern. Chronische Krankheiten verursachen 70 Prozent aller Kosten. Der Grund: Punktuelle Bluttests oder Untersuchungen liefern nur Momentaufnahmen. Kritische Veränderungen dazwischen bleiben unbemerkt, bis Symptome auftreten – oft zu spät.

Pheal ändert das. Die sensorbasierten Smart Patches messen biochemische Parameter in Schweiß, Gewebeflüssigkeit oder Blut kontinuierlich – in Echtzeit, direkt am Körper. Kleinste Veränderungen werden erkannt, bevor sie gefährlich werden. Prävention statt Behandlung. Wir wollen das Gesundheitssystem proaktiv machen – damit Gesundheit erhalten bleibt, bevor Krankheit entsteht.

Wie ist die Idee entstanden?

Aus zwei Perspektiven entstand der gemeinsame Antrieb, das Gesundheitssystem grundlegend zu verändern. Dr. Agnes Musiol begleitete als Head of Clinical Operations internationale Studien in Pharma, MedTech und Digital Health – und sah die größten Probleme des reaktiven Gesundheitssystems hautnah. »Ich habe so viele großartige Ideen scheitern sehen – einfach, weil das System sie nicht zugelassen hat«. Noch persönlicher wurde dieser Antrieb, als ihr Vater schwer erkrankte.

Eike Kottkamp, Ingenieur und Sensorikexperte, musste bei seiner Mutter erfahren, wie spät viele Krankheiten erkannt werden – und gründete Pheal. Als Agnes und Eike sich 2022 kennenlernten, wollte sie ihm eigentlich nur bei der regulatorischen Planung helfen. Doch aus der Beratung wurde eine Mission, eine gemeinsame Vision: Werkzeuge zu schaffen, die Menschen befähigen, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen – bevor Krankheit entsteht.

Was für eine Technik steckt in den ­Patches?

Pheal hat eine modulare Smart-Patch-Plattform entwickelt, die wie ein tragbares Labor direkt auf der Haut arbeitet. Der Patch ermöglicht die kontinuierliche Messung biochemischer und ionenselektiver Parameter in Schweiß, interstitieller Flüssigkeit oder Kapillarblut. Das Prinzip ist von CGM-Systemen bei Diabetes bekannt und führt es mit der simultanen Erfassung relevanter Biomarker weiter.

Die Plattform besteht aus drei Modulen: Das »Analyte Access Module« schafft den Zugang zu Schweiß, interstitieller Flüssigkeit oder Blut. Die patentierte »Window into your Body«-Technologie ermöglicht erstmals die kontinuierliche Messung direkt im Kapillarblut, völlig ohne Nadeln. Die austauschbare »Sensor Card« enthält multiparametrische elektrochemische Elemente, die ionenselektive und biochemische Parameter erfassen. Die wiederverwendbare »Reusable Electronics«-Einheit verarbeitet die Signale in Echtzeit und überträgt sie an eine Smartphone-App, die Trends analysiert und bei kritischen Veränderungen warnt. 

Bild 1. Schweiß, ISF und BLut werden direkt im Patch analysiert, derzeit können rund 20 Biomarker detektiert werden. Die Elektronik bei Pheal ist ausstauschbar und damit einfach zu erweitern.
Bild 1. Schweiß, ISF und BLut werden direkt im Patch analysiert, derzeit können rund 20 Biomarker detektiert werden. Die Elektronik bei Pheal ist ausstauschbar und damit einfach zu erweitern.
© Pheal; kentoh/stock.adobe.com

Was war der größte Erfolg bisher?

Besonders stolz sind wir auf den dritten Platz beim »Healthcare Innovation World Cup« der Medica, wo wir aus mehr als 340 internationalen Start-ups aufs Treppchen gekommen sind. Ein weiterer Meilenstein war die Einladung in das MedTech-Innovator-Programm – wir zählten zu den besten 20 Prozent der Bewerber weltweit und haben international viel Gehör bekommen. Große Industriepartner und Forschungseinrichtungen arbeiten jetzt aktiv mit uns zusammen. Und der vielleicht größte Erfolg: zu sehen, wie aus einer Idee ein starkes, interdisziplinäres Team geworden ist.

Und der größte Rückschlag?

Der größte Rückschlag war die Erkenntnis, wie schwierig es ist, in einer frühen Phase Kapital für ein technologisch anspruchsvolles Medizintechnik-Produkt zu gewinnen. Gerade in Deutschland ist die Bereitschaft, in sehr frühe, risikoreiche Projekte mit langfristigem Entwicklungshorizont zu investieren, noch begrenzt. Visionen werden oft »kleiner gedacht«, um ins aktuelle System zu passen. Das wollen wir nicht und gehen lieber den steinigen, aber für uns richtigen Weg. Das hat uns gelehrt, unabhängig zu denken, Ressourcen klug einzusetzen und noch entschlossener für unsere Vision einzutreten.

Wo steht Pheal in fünf Jahren?

In fünf Jahren soll unsere Smart-Patch-Plattform im Alltag vieler Menschen ankommen sein – als Werkzeug, das Prävention greifbar macht. Der Weg dazu führt bewusst über Consumer Health Tech: Zunächst kommen nicht-medizinische Smart Patches auf den Markt – etwa für das Monitoring von Elektrolyten im Schweiß zur Optimierung von Hydratation oder Regeneration. Diese Produkte bilden die technische und kommerzielle Grundlage für die Medizinzulassung.

In fünf Jahren soll unser Smart Patch, klinisch validiert und CE-zertifiziert, als Medizinprodukt in Europa auf dem Markt sein. Der Fokus liegt auf Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, wo ein frühzeitiges Erkennen den entscheidenden Unterschied macht.

Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?

Die Medizin der Zukunft wird nicht mehr darauf warten, dass Menschen krank werden – sie wird dafür sorgen, dass sie gesund bleiben. Heute betreiben wir noch immer »Sickcare«: Wir reagieren auf Krankheiten, statt sie zu verhindern. In Zukunft wird Medizin vorausschauend und personalisiert sein: Dank kontinuierlicher Sensorik, künstlicher Intelligenz und datenbasierter Prävention tritt an die Stelle einzelner Laborwerte ein kontinuierlicher Datenstrom. Ärztinnen und Ärzte werden nicht mehr erst eingreifen, wenn Symptome sichtbar werden, sondern wenn sich Trends abzeichnen. Die Patienten werden zu aktiven Partnern ihrer eigenen Gesundheit – befähigt durch intuitive, alltagstaugliche Technologien.


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