Nach fünfjähriger Pause nimmt das Tuttlinger Medizintechnikunternehmen Karl Storz seine Neuroprodukte wieder in Europa auf. Die erste Klasse-III-Zertifizierung nach der EU-Medizinprodukteverordnung wurde erfolgreich abgeschlossen. Ab Ende 2025 sollen die Instrumente schrittweise verfügbar sein.
Es muss ein sonniger Julitag in Tuttlingen gewesen sein: Da erhielten die Medizingeräteentwickler bei Karl Storz eine Nachricht, auf die si fast fünf Jahre gewartet haben: Die erste Klasse-III-Akte für neurochirurgische Instrumente wurde vom TÜV Süd erfolgreich zugelassen. Ohne Übertreibung ein Meilenstein, der das Ende einer schwierigen Zeit markiert.
Im Januar 2020 musste Karl Storz eine schmerzliche Entscheidung treffen: Die Versorgung mit neurochirurgischen Produkten in Europa wurde eingestellt. Grund waren die verschärften Anforderungen der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR), die auch etablierte Produkte zur vollständigen Neuzertifizierung zwangen. Besonders bitter war dies für die pädiatrische Neurochirurgie, wo millimetergenaue endoskopische Eingriffe etwa bei Wasserkopf-Behandlungen von Neugeborenen lebensrettend sind.
Fünf Jahre regulatorischer Kraftakt
Der Weg zurück erwies sich als Mammutaufgabe. Während sich andere Anbieter aus dem Nischensegment zurückzogen, startete Karl Storz 2020 ein umfassendes MDR-Klasse-III-Programm. Jedes Produkt musste den kompletten Entwicklungsprozess durchlaufen – inklusive aufwendiger Verifizierungen und Validierungen, als wäre es eine Neuentwicklung.
»Die erfolgreiche Zulassung unserer ersten Klasse-III-Akte für die Neurochirurgie ist das Ergebnis jahrelanger, intensiver Teamarbeit über Fachbereiche hinweg.« |
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Christy Gaudet, Global Head of Solutions bei Karl Storz |
Der Erfolg zeige, dass regulatorische Exzellenz und Innovationskraft Hand in Hand gehen könnten.
Die finale Produktverfügbarkeit ist für Ende 2025 geplant, eine breitere Verfügbarkeit folgt ab 2026. Das Neuro-Portfolio wurde dabei konsolidiert, um eine nachhaltige und wirtschaftlich vertretbare Versorgung sicherzustellen. In CE-unabhängigen Märkten wie den USA, Asien und Lateinamerika blieben die Produkte durchgehend verfügbar.
Das Tuttlinger Familienunternehmen, das 1945 gegründet wurde und heute 9.800 Mitarbeitende in mehr als 50 Ländern beschäftigt, erzielte 2024 einen Umsatz von 2,24 Milliarden Euro. Mit der Rückkehr in die europäische Neurochirurgie schließt sich nun ein wichtiger Kreis – zum Wohl der kleinsten Patienten. (uh)