Quantentechnologien richtig fördern

Industrie drängt auf strategischen Kurswechsel

28. November 2025, 8:32 Uhr | Heinz Arnold
Maik Müller, Vorstand von Nynomic und Photonik-Vorsitzender von SPECTARIS: »Wenn wir die Kommerzialisierung ernst meinen, braucht es verlässliche, langfristige Strukturen – nicht kleinteilige Programme, die Innovationszyklen ausbremsen.«
© Nynomic AG

Während eines von SPECTARIS organisierten parlamentarischen Dialogs forderten Industrievertreter eine koordinierte Förderung über alle Quantentechnologien, eine robuste Infrastruktur und eine Talentoffensive.

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Sie bemängelten die heute zu fragmentierten Förderstrukturen, einen überproportionalen Fokus auf Quantencomputing, und dass es an industriellen Testumgebungen, Pilotlinien und europäischen Fertigungskapazitäten für optische Komponenten fehle. Das seien die Hürden, die der schnelleren Kommerzialisierung von Quantentechnologien entgegenstünden.

Die Quantentechnologien zählen zu den sechs Schlüsselbereichen der neuen Hightech-Agenda der Bundesregierung – und gilt gemeinsam mit der Photonik als zentrale Voraussetzung für technologische Souveränität und eine starke deutsche Zulieferindustrie.

Sie schnell in marktfähige Produkte umzusetzen, wäre also dringend erforderlich. Deshalb hatte SPECTARIS, der deutsche Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik, am 26. November in Berlin Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu einem parlamentarischen Dialog eingeladen. Denn nahezu alle Quantentechnologien – ob Sensorik, Kommunikation oder optische Komponenten für Quantencomputer – basieren auf der Photonik. In dem forschungspolitischen Austausch diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft darüber, wie Photonik und Quantentechnologien schneller in die industrielle Wertschöpfung überführt werden können. 

Starke Industrie, zu langsame Kommerzialisierung

Mit rund 190.000 Beschäftigten, einem Jahresumsatz von über 50 Milliarden Euro und einem europäischen Marktanteil von etwa 40 Prozent zählt die deutsche Photonikbranche zu den weltweit führenden. Dennoch bleibt die Kommerzialisierung neuer photonischer und quantenbasierter Systeme im internationalen Vergleich hinter den Erwartungen zurück.

»Der heutige Auftakt war ein wichtiges Signal: Photonik und Quantentechnologien stehen ganz oben auf der politischen Agenda. Aber der Handlungsbedarf bleibt enorm«, sagte Maik Müller, Vorstand von Nynomic und Photonik-Vorsitzender von SPECTARIS. Deutschland habe die Chance, im globalen Technologiewettlauf eine Spitzenposition einzunehmen – allerdings nur, wenn Förderstrukturen und Investitionen strategischer ausgerichtet würden.

Fragmentierte Förderung und fehlende Pilotlinien

Im Zentrum der Diskussion standen industriepolitische Hürden: stark fragmentierte Förderprogramme, ein übermäßiger Fokus auf Quantencomputing sowie fehlende Testumgebungen, Pilotlinien und europäische Fertigungskapazitäten für optische Komponenten. Start-ups und etablierte Unternehmen aus der Photonik- und Quantenbranche verwiesen darauf, dass marktreife Technologien – insbesondere in Sensorik und Kommunikation – bereits verfügbar seien, jedoch mangels geeigneter Strukturen zu langsam den Weg in die Anwendungen fänden.

Vier Handlungsfelder für die Hightech-Agenda

SPECTARIS präsentierte daher vier zentrale Handlungsfelder, auf denen Politik und Verwaltung rasch sichtbare Fortschritte erzielen sollten:

  • Förderung skalierbarer Quantentechnologien: Vorrang für marktnähere Anwendungen wie Quantensensorik, Quantenkommunikation, Softwarelösungen sowie Pilotprojekte zur schnelleren Markteinführung.
  • Koordination der Förderstrukturen: Konsolidierte, langfristige Programme auf nationaler und europäischer Ebene, die den gesamten Innovationszyklus adressieren.
  • Aufbau einer robusten Infrastruktur: Offene Testbeds, industrielle Pilotlinien und eine europäische Photonikfertigung, um Lieferketten und technologische Souveränität zu sichern.
  • Talentoffensive: Neue Studiengänge, Kompetenzzentren, Weiterbildungsangebote und erleichterte Fachkräftezuwanderung, um eine breite Talentbasis zu schaffen.

Globaler Wettbewerb erhöht den Druck

SPECTARIS warnte, dass der internationale Wettbewerb rasant zunimmt. Vor allem die USA und mehrere asiatische Staaten investieren massiv in Photonik und Quantentechnologien. Ohne eine abgestimmte nationale und europäische Strategie drohe Deutschland, technisches Know-how, Wertschöpfung und Fachkräfte an andere Regionen zu verlieren.

»Wenn wir die Kommerzialisierung ernst meinen, braucht es verlässliche, langfristige Strukturen – nicht kleinteilige Programme, die Innovationszyklen ausbremsen«, betonte Müller. Viele photonische Quantentechnologien seien bereits heute marktreif; nun müsse die Politik die passenden Rahmenbedingungen schaffen, damit diese breit eingesetzt werden können.

Breite Unterstützung aus Industrie und Forschung

Den parlamentarischen Austausch unterstützten unter anderem Unternehmen wie TOPTICA, BOSCH Quantum Systems sowie das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Abgeordnete des forschungspolitischen Ausschusses nutzten die Gelegenheit, um konkrete Schritte zur Umsetzung der Hightech-Agenda zu diskutieren.

SPECTARIS kündigte an, den politischen Prozess zur Ausgestaltung der Hightech-Agenda Deutschland eng zu begleiten. Die gestern veröffentlichte Empfehlungsschrift des Verbandes soll dabei als Grundlage dienen, um Photonik als »Enabling Technology« für alle sechs Schlüsseltechnologien der Bundesregierung fest zu verankern.
 


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