Wie kann Europa innovativ bleiben?

Life-Science-Strategie der EU: Das sagen die Medtech-Verbände

7. Juli 2025, 14:48 Uhr | Ute Häußler
© EU-Kommision

Die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken - das ist das Ziel der neuen Life-Science-Strategie, mit der die EU-Kommission Europa zum Innovationszentrum für Biowissenschaften machen will. Branchenverbände wie der BVMed begrüßen die Initiative, fordern aber eine entschlossene nationale Umsetzung.

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Mit ihrer am 2. Juli 2025 vorgestellten Life-Science-Strategie will die Europäische Kommission Europa bis 2030 zum globalen Innovationszentrum für Biowissenschaften machen. Die Reaktionen aus der deutschen Medizintechnik- und Diagnostikbranche sind überwiegend positiv – verbunden mit der klaren Forderung, die europäischen Impulse nun auch auf nationaler Ebene entschlossen umzusetzen.

Ziel: Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken

Mit jährlich mehr als 10 Milliarden Euro legt die Strategie einen koordinierten Ansatz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg vor.  Das Maßnahmenpaket der EU-Kommission zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit Europas in Schlüsselbereichen wie Medizinprodukte, Biotechnologie und klinische Forschung zu sichern und auszubauen.

Dazu gehören laut Kommission die Förderung klinischer Forschung, die Beschleunigung datenbasierter Innovationen, der Aufbau eines Biotech-Ökosystems sowie die Unterstützung von Start-ups und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).

»Die Initiative der Kommission kommt zur richtigen Zeit. Europa braucht eine starke Lebenswissenschaftsstrategie vor dem Hintergrund schwacher Wachstumsraten und eines zunehmenden Protektionismus.«
Dr. Martin Walger, Geschäftsführer des Verbands der Diagnostica-Industrie (VDGH)
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Der Geschäftsführer des Verbandes der Diagnostica-Industrie (VDGH), Dr. Martin Walger, ist auch im Vorstand des europäischen Branchenverbandes MedTech Europe.
© VDGH

Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) lobt die Initiative der EU-Kommission ausdrücklich. Forschung und Entwicklung seien essenziell, um den Wirtschaftsstandort Europa im internationalen Wettbewerb zu sichern.

Defizit erkannt - Nationale Maßnahmen notwendig

Auch der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) sieht in der Strategie gute Ansätze, um den Wirtschafts- und Forschungsstandort Europa zu stärken. »Positiv ist, dass die EU die Defizite des Standorts erkannt hat und bei den Lösungsstrategien die Medizintechnik-Branche einbezieht. Das muss auch auf nationaler Ebene verstärkt werden«, sagt BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Er fordert einen eigenständigen MedTech-Dialog und -Strategieprozess in Deutschland, der mit anderen Bereichen verzahnt werden kann.

Medizintechnik und Diagnostik als Innovationsmotoren

Nach Angaben der Europäische Union tragen die Lif-Sciences-Unternehmen fast 1,5 Billionen Euro zur EU-Wirtschaft bei und sichern 29 Millionen Arbeitsplätze in der gesamten Union. Gerade in Deutschland ist die Bedeutung des Wirtschaftszweges, der neben der Medizin auch in die Ernährung, Agrarwirtschaft und nachhaltige Produktion ausstrahlt, enorm: Die Medizintechnik beschäftigt über 212.000 Menschen und erwirtschaftete 2024 einen Umsatz von über 41 Milliarden Euro. Die Diagnostikunternehmen im VDGH erzielten im selben Jahr 6,2 Milliarden Euro Umsatz, davon 3,8 Milliarden Euro im Bereich Life-Science-Research. Beide Gesundheitsbranchen sind mittelständisch geprägt, hoch innovativ und investieren einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.

Dr. Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer
Dr. Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer des BVMed
© BVMed

Forderung an die Politik: Regulatorik reformieren

Der BVMed fordert gerade mit Blick auf seine Mitglieder unter anderem die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, risikobasierte Ansätze, einen zeitnahen Zugang zu Innovationen für Patienten, den Abbau von Verwaltungsaufwand sowie gezielte Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). »Ein moderner, innovationsfreundlicher und effizienter Rechtsrahmen ist für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Medizintechnik-Branche von großer Bedeutung«, betont Dr. Möll.

Der VDGH sieht in dem Eu-Papier einen klaren Handlungsauftrag für Deutschland und verweist auf fünf Punkte aus dem Koalitionsvertrag, die nun schnellstmöglich umgesetzt werden sollten:

  • 1000-Köpfe-Programm zur Gewinnung internationaler Forschungstalente
  • Förderung translationaler Forschung
  • Verabschiedung des Forschungsdatengesetzes noch in diesem Jahr
  • Förderung der Gen- und Zelltherapie als strategisches Forschungsfeld
  • Anhebung des Fördersatzes und der Bemessungsgrundlage bei der steuerlichen Forschungszulage

»Jetzt braucht Deutschland einen Schulterschluss von Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik«, fordert Dr. Walger. Nur so könne der Anspruch eingelöst werden, dass Europa und Deutschland (wieder) globale Taktgeber in den Gesundheitswissenschaften werden.

MedTech Europe: Strategie als Startpunkt, nicht als Ziel

MedTech Europe, der europäische Dachverband der Medizintechnikindustrie, begrüßt die Veröffentlichung der Life-Science-Strategie ausdrücklich. 

»Die Strategie ist ein wichtiger Schritt, um die Rolle Europas als führende Region für Innovation und Zugang zu Medizintechnologien zu stärken. Sie sollte jedoch als Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen gesehen werden, nicht als Endpunkt.«
Statement von Medtech Europe zur europäischen Life-Sciences-Strategie

Insbesondere forderte der europäische Verband, dass die Strategie durch konkrete, sektorspezifische Maßnahmen ergänzt wird, die die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Medizintechnikbranche stärken. Dazu gehöre unter anderem ein innovationsfreundlicher Regulierungsrahmen, der Zugang zu Kapital und Talenten sowie gezielte Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Ganzheitliche Life-Sciences Ansätze gefragt

Die deutschen Verbände betonen dagegen, dass die europäischen Maßnahmen auf nationaler Ebene durch eine eigenständige Strategie flankiert werden müssen. Dazu gehören laut BVMed eine bessere Koordinierung der Ressorts, eine zukunftsfähige Innovationspolitik, wettbewerbsfähige Regulatorik, Bürokratieabbau und bessere Rahmenbedingungen für KMU.

Einig sind sich die Branchenvertreter, dass die Life-Science-Strategie der EU-Kommission wichtige Impulse für die Zukunft der Biowissenschaften in Europa setzt. Damit diese Wirkung entfalten, seien jetzt entschlossene Maßnahmen auf nationaler Ebene und sektorspezifische Initiativen gefragt – insbesondere in Deutschland als führendem Standort der Medizintechnik und Diagnostik. 


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