Doktorarbeit mit Ausblick: Alexander Hofmann vom IMMS stellt wegweisende technische Grundlagen für die Integration präziser Labordiagnostik in kompakte elektronische Schnelltests vor. Im Zentrum steht ein auf CMOS-Technologie basierender, optoelektronischer Biosensor - präzise und gut integrierbar.
Mit der erfolgreichen Verteidigung seiner Dissertation »CMOS-Biochip-System zur optischen Detektion und Quantifizierung von Analyten« an der TU Ilmenau stellt Alexander Hofmann (IMMS) einen einen optoelektronischen CMOS-Biosensor vor, der mit seiner Präzision und Skalierbarkeit die Lieferkette der In-Vitro-Diagnostik, wie wir sie heute kennen, verändern könnte.
Herzstück des Lab-on-Chip-Systems ist ein auf standardisierter Halbleitertechnologie aufgebauter CMOS-Chip mit integrierter optoelektronischer Detektion. Die Analyt-Probe wird dabei direkt auf die Oberfläche des optischen Sensorchips appliziert. Die Chip-Oberfläche ist spezifisch funktionalisiert – die dafür notwendige Oberflächenchemie wurde in Zusammenarbeit mit externen Partnern entwickelt und ermöglicht die genaue und selektive Detektion biochemischer Zielstrukturen.
Das Messprinzip basiert auf der Detektion von Lichtabsorptionsunterschieden in Abhängigkeit der jeweiligen Analytkonzentration. Nach Bindung spezifischer Zielmoleküle ändert sich die Lichtabsorption, was direkt als Helligkeitsdifferenz auf den Photodioden des CMOS-Chips gemessen werden kann. Laut Dissertation entfällt das klassische optische Interface zwischen Probe und Detektor – der Messansatz ist somit besonders kompakt und sensitiv.
Optische Analysemethoden im Praxis-Vergleich
Eine wesentliche technologische Fragestellung war die Optimierung des Abstands zwischen Analyten und Detektor, die für die maximale Sensitivität kritisch ist. In der Arbeit werden dabei Ansätze zum »Contact Sensing« und »Contact Imaging« miteinander verglichen; Vor- und Nachteile klassischer sowie direkter optischer Nachweismethoden werden detailliert diskutiert.
Ergänzend entwickelte Hofmann ein umfassendes Modell des Gesamtsystems, bestehend aus optischen, biochemischen und elektronischen Komponenten. Für Entwickler ist bedeutsam, dass sich damit zentrale Leistungsparameter wie Sensitivität, Signalauflösung, Signal-zu-Rausch-Verhältnis, Dynamikbereich, Konzentrationsmessbereich und Nachweisgrenze schon im Entwurfsprozess quantitativ abschätzen lassen.
Die Plattform wurde bioanalytisch mit zwei Verfahren evaluiert:
Molekularer Nachweis (DNA): Erstmals wurde die Detektion von DNA mittels Lichtabsorptionsmessungen direkt auf CMOS-Biochips und ohne zusätzliche Biomarker demonstriert. Der Nachweis erfolgte durch DNA-Hybridisierung auf den integrierten Photodioden – hochsensitiv und, entscheidend, PCR-frei.
Proteinnachweis (Immunoassay): Am Beispiel des prostataspezifischen Antigens (PSA) zeigte sich, dass das CMOS-Biochip-System den Schnellteststandard (LFA) deutlich übertrifft und im Vergleich zum Labor-Goldstandard ELISA mindestens gleichwertige, teils bessere Resultate liefert.
Dieses Leistungsniveau war bisher miniaturisierten Point-of-Care-Geräten verschlossen und zentralisierten Laboren vorbehalten.
Neben optischen Nachweisverfahren forscht das IMMS parallel an ladungsbasierten Sensorsystemen, insbesondere ISFETs (ionensensitive Feldeffekttransistoren), und integriert diese mit den optoelektronischen Plattformen. Ziel ist es, bioanalytische Nachweise auf eine Vielzahl weiterer Parameter (physikalisch, chemisch, biologisch) zu erweitern. Dank der Modularität der CMOS-Technologie und der Kombinierbarkeit mit mikrofluidischen Lab-on-Chip-Systemen werden individuelle Gesundheitschecks sowie lebensmittel- und umweltanalytische Testanwendungen möglich.
»Alexander Hofmann hat mit seiner Dissertation zentrale Grundlagen für eine innovative Klasse von Point-of-Care-Diagnostiksystemen geschaffen, die Präzision auf Laborniveau mit der Kompaktheit und Kosteneffizienz elektronischer Schnelltests verbinden. Seine Arbeit ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie sich CMOS-Technologie und bioanalytische Verfahren zu einer leistungsfähigen Plattform für dezentrales Gesundheitsmonitoring integrieren lassen«, erklärt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ralf Sommer, Betreuer und wissenschaftlicher Geschäftsführer des IMMS sowie Leiter des Fachgebiets Elektronische Schaltungen und Systeme an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Technischen Universität Ilmenau.
»Die entwickelten Konzepte eröffnen neue Perspektiven für elektronische Schnelltests – von molekularen Nachweisen bei Infektionskrankheiten über personalisierte Gesundheitschecks bis hin zu Tests auf Allergene, Nährstoffe oder Verunreinigungen in Lebensmitteln und Trinkwasser. Durch die Kombination optischer und ionensensitiver Nachweismechanismen lassen sich künftig noch breitere bioanalytische Anwendungen abdecken, ohne dabei auf Laborausstattung angewiesen zu sein.« |
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Das vorgestellte CMOS-Biochip-System markiert einen Paradigmenwechsel in der Diagnostikkette: War bislang für Analytik auf Laborniveau zwingend die Nutzung spezialisierter Labore mit Wartezeiten und hohem Ressourcenaufwand notwendig, ermöglichen diese Systeme, präzise Diagnostik in kompakter, digitaler und skalierbarer Form direkt am Point-of-Care bereitzustellen. Künftig können medizinische, lebensmitteltechnische und umweltrelevante Nachweise dezentral, individualisiert und wesentlich flexibler als bisher erfolgen – ein entscheidender Technologiesprung für die Medizintechnik-Entwicklung.
Das IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme |
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Das IMMS unterstützt Unternehmen, international erfolgreiche Innovationen für Gesundheit, Umwelt und Industrie auf den Weg zu bringen und begleitet sie von der Machbarkeitsstudie bis zur Serienreife. Es bringt Unternehmen mit anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung in der Mikroelektronik, Systemtechnik und Mechatronik voran und transferiert Ergebnisse der Grundlagenforschung in Anwendungen. Das IMMS wurde 1995 als ein landeseigenes Unternehmen des Freistaats Thüringen gegründet und ist ein An-Institut der TU Ilmenau. Es arbeitet mit einem Team aus rund 90 Personen am Hauptsitz in Ilmenau und im Institutsteil in Erfurt. https://www.imms.de/ |