Die elektronische Patientenakte (ePA) kommt endlich in den Muss-Status: Seit dem 1. Oktober 2025 sind Ärzte gesetzlich dazu verpflichtet, relevante Gesundheitsdaten ihrer Patienten digital zu dokumentieren. Die ePA kann nun ihren wahren Wert für eine digitalisierte, effiziente Versorgung ausspielen.
Befunde, Blutwerte, Rezepte und alle Medikamente auf einen Blick: Eine Vielzahl der gesetzlich Versicherten hat inzwischen eine elektronische Patientenakte (ePA). Ob auf dem Handy oder als Austauschplattform für alle Ärzte: Bisher schlummerte die neue digitale Akte vielfach noch. Denn zur Wahrheit gehört auch: Viele Ärzte nutzten die ePA noch nicht. Seit Mittwoch ist es jedoch damit vorbei: Ärztinnen und Ärzte sind nun verpflichtet, wichtige Patientendaten einzutragen und diese damit für weitere Behandlungen verfügbar zu machen. Wie schnell kann die ePA jetzt die digitale Versorgung wirklich pushen?
Neue Verpflichtungen für Mediziner
Rund 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten besitzen bereits eine ePA, die ihre Krankenkassen seit Januar automatisch angelegt haben. Nach einer Testphase in drei Regionen und der bundesweiten Ausweitung im Frühjahr greift nun die Dokumentationspflicht für Ärzte.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) appelliert an alle Beteiligten: »Nutzen Sie die ePA. Wir sollten sie jetzt schnell zu unserem persönlichen Gesundheitshelfer werden lassen.« Ziel sei es, Doppeluntersuchungen und gefährliche Medikamenten-Wechselwirkungen zu vermeiden.
Breite Beteiligung im Gesundheitswesen
Die Resonanz zeigt bereits positive Entwicklungen. Nach Angaben der Digitalagentur Gematik partizipieren 61.600 der bundesweit 98.500 Arztpraxen am System. Zusätzlich sind 20.900 Zahnarztpraxen, 10.700 Apotheken und 777 Kliniken beteiligt. Insgesamt wurden seit Jahresbeginn etwa 22 Millionen Dokumente in die elektronischen Akten eingepflegt.
Die technische Infrastruktur erweist sich als einsatzbereit: Über 93 Prozent der Praxen, Zahnarztpraxen und Apotheken verfügen laut Gematik über die erforderliche Software-Ausstattung.
Patientensouveränität und Zugriffskontrolle
Versicherte behalten die vollständige Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten. Beim Einstecken der Versichertenkarte am Praxistresen erhalten Ärzte standardmäßig für 90 Tage Zugriff zum Lesen und Befüllen der ePA. Patienten können diesen Zeitraum über eine Smartphone-App individuell anpassen.
Bislang nutzen jedoch nur wenige diese Möglichkeiten aktiv: Bei den großen Krankenkassen Techniker, AOK und Barmer mit insgesamt 45 Millionen angelegten ePAs haben sich lediglich 1,37 Millionen Versicherte eingeloggt.
Die ePA startet mit einer automatisch generierten Medikamentenliste aus E-Rezepten. Schrittweise sollen weitere Inhalte folgen, beginnend mit detaillierten Medikationsplänen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) betont dabei, dass die »versichertengeführte« Akte die Praxis-Dokumentation nicht ersetzt.
Datenschutz und Sicherheitsbedenken
Verbraucherschützer äußern Kritik an den Kontrollmöglichkeiten. Lucas Auer von den Verbraucherzentralen bemängelt: »Es ist nicht nötig, dass die Zahnarztpraxis von der Psychotherapie erfährt.« Die detaillierte Steuerung, wer welche Informationen einsehen kann, sei unzureichend.
Das Gesundheitsministerium versichert hingegen hohe Sicherheitsstandards. Daten werden ausschließlich auf deutschen Servern gespeichert, jeder Zugriff wird mit Datum und Uhrzeit protokolliert. Nach Sicherheitslücken, auf die der Chaos Computer Club hinwies, wurden zusätzliche Schutzmaßnahmen implementiert.
Optimismus bei den Krankenkassen
Martin Krasney, Vorstandsmitglied des Spitzenverbands der Krankenkassen, sieht in der Verpflichtung einen entscheidenden Durchbruch: »Das wird den praktischen Nutzen für die Patientinnen und Patienten, aber auch für das gesamte Gesundheitssystem enorm steigern.«
Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, unterstreicht: »Nur wenn die ePA zu jedem Arztbesuch selbstverständlich dazugehört, wird sie ihren vollen Nutzen entfalten.« Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt zeigt sich zuversichtlich: »Mit jedem Eintrag wächst ihr Wert.«
Forschungsnutzung geplant
Für die Zukunft plant das Ministerium, pseudonymisierte Daten aus der ePA zu Forschungszwecken an zentrale Stellen weiterzuleiten. Dabei werden personenbezogene Angaben wie Name und Adresse entfernt. Versicherte können dieser Nutzung über die App oder bei einer Ombudsstelle widersprechen.
Während gesetzlich Versicherte automatisch eine ePA erhalten, bleibt die Teilnahme für Privatpatienten weiterhin freiwillig. Aktuell bieten nur fünf von 36 privaten Krankenversicherungen entsprechende digitale Akten an. (uh)