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Nobelpreis für Medizin geht 2025 an Immun-Forscher

6. Oktober 2025, 15:40 Uhr | Ute Häußler
Die Preisträger des Nobelpreises für Medizin 2025 sind Immunforschende aus Japan und den USA.
© dpa Bildfunk

Shimon Sakaguchi, Mary Brunkow und Fred Ramsdell haben mit ihren Forschungen zur peripheren Immuntoleranz neue Therapien gegen schwere Krankheiten eröffnet. Das Karolinska-Institut würdigt ihre bahnbrechenden Erkenntnisse, wie der Körper Autoimmunerkrankungen und allergische Reaktionen verhindert.

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Die Forschungsarbeiten der drei Wissenschaftler erklären einen fundamentalen Mechanismus: Wie verhindert das Immunsystem, dass es körpereigene Zellen angreift? Institutsprofessorin Marie Wahren-Herlenius betonte, dass diese Entdeckungen »die Basis für ein neues Feld der Wissenschaft gelegt und die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden etwa gegen Krebs und Autoimmunkrankheiten möglich gemacht« haben.

Olle Kämpe, Vorsitzender des Nobelkomitees, erläuterte die Bedeutung: »Wir verstehen jetzt besser, wie das Immunsystem funktioniert und warum nicht jeder von uns eine schwere Autoimmunerkrankung entwickelt.« Die Auszeichnung ist mit 11 Millionen schwedischen Kronen dotiert.

Sakaguchi zeigte sich an der Universität Osaka überrascht von der Ehrung. Der 74-jährige Forscher erklärte, er habe zwar mit einer möglichen Auszeichnung gerechnet, falls sich die Forschung klinisch bewähre, sei aber dennoch »überrascht und geehrt«. Thomas Perlmann vom Karolinska-Institut berichtete, Sakaguchi sei von der Nachricht »ganz gerührt« gewesen. Die beiden amerikanischen Kollegen waren zunächst nicht erreichbar, da es an der US-Westküste noch früher Morgen war.

Durchbruch in der Immunforschung

Sakaguchis entscheidender Beitrag stammt aus den mittleren 1990er Jahren: Er identifizierte erstmals regulatorische T-Zellen, eine zuvor unbekannte Gruppe von Immunzellen. Diese Zellen fungieren als Kontrollinstanz und halten das Immunsystem im Gleichgewicht, indem sie bestimmen, was der Körper toleriert.

Brunkow und Ramsdell ergänzten diese Forschung durch die Entdeckung einer spezifischen Genmutation. Sie fanden heraus, dass Veränderungen im Foxp3-Gen Mäuse für Autoimmunerkrankungen anfällig machen. Sakaguchi bewies anschließend, dass dieses Gen für die Funktion regulatorischer T-Zellen unverzichtbar ist.

Medizinische Bedeutung: Ohne diese Zellen würde das Immunsystem nützliche Darmbakterien angreifen oder sogar ein ungeborenes Kind im Mutterleib abstoßen. Funktionsstörungen dieses Systems können zu Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis führen.

Carsten Watzl von der TU Dortmund würdigte besonders Sakaguchis Beharrlichkeit: »Es ist die große Leistung von Sakaguchi, dass er drangeblieben ist und die regulatorischen T-Zellen entdeckt hat, trotz großer Skepsis in der Fachwelt.« Zuvor waren ähnliche Forschungsansätze zu sogenannten Suppressor-Zellen gescheitert, was das Forschungsfeld in Verruf gebracht hatte.

»Die herausragenden Forschungsarbeiten von Mary Brunkow, Fred Ramsdell und Shimon Sakaguchi zur peripheren Immuntoleranz haben entscheidend dazu beigetragen, zu verstehen, wie das Immunsystem seine Aktivität kontrolliert und Selbstzerstörung vermeidet.«

Prof. Dr. Stephan Ehl, Direktor des Instituts für Immundefizienz der Uniklinik Freiburg

Die regulatorischen T-Zellen gelten als vielversprechende Zielstrukturen für neue Therapien. Je nach Krankheitsbild müssen sie unterschiedlich beeinflusst werden: Bei Autoimmunerkrankungen sollen sie gestärkt, bei Krebserkrankungen hingegen gehemmt werden, damit das Immunsystem Tumorzellen effektiver bekämpfen kann.

Watzl dämpfte jedoch übertriebene Erwartungen: »Von einem Produkt sind wir noch weit entfernt.« Obwohl mehrere klinische Studien laufen, existiert bislang keine zugelassene Therapie auf Basis dieser Erkenntnisse.

Die Preisträger

Mary Brunkow, geboren 1961, forscht am Institute for Systems Biology in Seattle. Fred Ramsdell, 64 Jahre alt, arbeitet als wissenschaftlicher Berater bei Sonoma Biotherapeutics in San Francisco. Shimon Sakaguchi lehrt als Professor an der Universität Osaka und ist seit über vier Jahrzehnten mit seiner Kollegin Noriko verheiratet.

Sakaguchi erhielt bereits 2020 den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis für die Entdeckung der »Blauhelme des Immunsystems« - eine Auszeichnung nicht nur für seine bahnbrechende Entdeckung, »sondern auch für seine Weitsicht und konsequente Beharrlichkeit«.

Die Nobelpreis-Woche 2025

Der Medizin-Nobelpreis eröffnet die diesjährige Preissaison. Am Dienstag und Mittwoch folgen die Verkündungen für Physik und Chemie, danach die Preise für Literatur und Frieden. Den Abschluss bildet am kommenden Montag der Wirtschaftsnobelpreis. Die feierliche Verleihung aller Auszeichnungen findet traditionell am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. (uh)


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