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»Einfach gehofft, dass der Spaß irgendwann kommt«

27. Juli 2022, 9:34 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Spaß vermitteln - nicht erst auf der Party im Anschluss

Ein spezielles, ungelöstes Problem sind die wenigen Frauen in E-Technik. Und Michael Schanz ist langsam pessimistisch. »Frauen in E-Technik-Studiengängen, verändert sich da was? Ich fürchte, nein.«

Noch in den 80er-Jahren lag die Anfängerinnenquoten bei ein bis zwei Prozent. Doch dann, mit Einzug der Medizintechnikstudiengänge, zogen die Frauenquoten unglaublich an. »Und in diesen Studiengängen liegen die Quoten bei etwa 50 Prozent«, weiß Schanz. Da sie einen hohen Anteil an Elektronik- und Informationstechnik beinhalten, würden sie auch in der Regel der Elektrotechnik zugeordnet, was diese auf zehn Prozent Frauenanteil brachte. Mit Beschluss zur Energiewende in 2011 waren es sogar erfreuliche 17 Prozent. 

Doch die Nachfrage bei Professoren, so Schanz, ernüchtere wieder: »der Großteil steckt immer noch mehrheitlich in der Medizintechnik. Im Vergleich zu Maschinenbau, Informatik und Bauingenieurwesen sind wir weiterhin das absolute Schlusslicht. Wir sind weit davon entfernt, dass wir genügend Frauen haben, die eine kritische Masse bilden könnten, damit sich eine Gesellschaft ändert«, kritisiert der Arbeitsmarktexperte. Aus diesem Grund sei die neue Imagestudie so wichtig, »die wird noch eine ganze Menge Missstände aufdecken, was bislang noch im Verborgenen lag und liegt, etwa das Thema Berufsberatung«.  

Schließlich seien doch »die Zuwachsraten an neuen Stellen immens«! Alleine in der Energiewirtschaft gebe es aufgrund der Energiewende 1500 neue Jobs pro Jahr durch die Digitalisierung, 1800 neue Jobs jährlich bei den IuK-Dienstleistern. »Das sind genau die Megatrends, die gerade laufen«, wirbt Schanz.

Für mehr Studierende sollte man aber unterlassen, von Elektrotechnik ständig als »schwerem Studium« zu sprechen, findet Bildungsforscherin Götz. »Die E-Technik ist 140, 150 Jahre alt - und das merkt man ihr an!« Was sei im Studium so »verquarzt, dass es für junge Leute und für allem für Mädchen völlig unattraktiv macht? Ihr wollt sie haben? Dann müsst ihr einen Weg finden. Und Spaß machen darf dann nicht nur die Party im Anschluss«. Sondern auch das Studium selbst, bei dem gemeinsam im Team gearbeitet werden, gelacht und »geschaffen« werden dürfe.  Klar machen, dass »es nicht nur ums Formel-lernen geht«. 

Spaß? Da lächelt Dr. Michael Schanz gequält, selbst stets jemand, der betont, wie wichtig gerade die Grundlagen und ein sorgfältiges Studieren für konkurrenzfähige High-Tech-Produkte und den Standort Deutschland sei. »Deutschland ist darauf angewiesen, dass wir in der Elektrotechnik Weltklasseprodukte bauen. Und nicht etwa nur irgendwas nachbauen.« Und der die ersten Jahre einfach durchhalten musste, bis es endlich »Spaß machte«.

Gibt es Beharrungskräfte im Studium, an denen man feilen kann, Herr Schanz? Etwa an der Zusammensetzung des Studiums, das stets mit einer breiten, fundamentalen Grundlagenausbildung startet und in dem man sich anschließend in Richtungen wie Medizintechnik, Automatisierungstechnik, Elektrische Energieerzeugung, Nachrichtentechnik oder Mikroelektronik fokussiert.

»Wenn ich mir die Struktur der Arbeitsplätze der E-Technik-Ingenieure in Deutschland anschaue, dann springt mir ein Trend ganz besonders ins Auge: der Trend zu einer höheren Fachlichkeit. Das bedeutet, dass viel mehr Elektroingenieure in Forschung und Entwicklung F&E arbeiten als früher. Weniger generalistisch, mehr fachlich. Das heißt nicht, dass das Fachidioten sind, sondern die müssen die Fachleute anderer Gebiete verstehen können.«

Aber gerade an den Fachhochschulen sei ja mit der Bologna-Reform von acht auf sieben Semester gekürzt worden. »Da hat man schon große Schwierigkeiten gehabt zu beantworten, was man aus dem Kanon überhaupt streichen kann. Wenn wir jetzt über ein durchmischteres, abgespeckteres Studium nachdenken, stellt sich die Frage, wie das gehen soll«, zweifelt der Arbeitsmarktexperte des VDE.

Auch der Fachbereichstag betone, man bekomme »den benötigten Fächerkanon jetzt schon nicht mehr in das Studium hinein«. Und ganz zu schweigen von Satellitenthemen wie »Geschäftsprozesse« oder »Vertragsrecht«, wie immer von einzelnen gefordert werde, weil das »auch wichtig« sei. So eine Verbreiterung stehe nun mal im »krassen Gegensatz« zum Anspruch, Weltklasseprodukte herzustellen zu können und dem Trend, dass immer mehr Spezialisten für F&E gebraucht würden. »ZF Friedrichshafen hat hier 800 Stellen unbesetzt«, nennt Schanz als aktuelles Beispiel. 

Und dann gebe es noch einen hochschulpolitischen Aspekt, der nicht im Sinne des Anspruches eines Weltmarktführers sei: »Es gibt immer mehr Meldungen dazu, dass die Hochschulen das Niveau der Elektrotechnik herabsenken«, so Schanz. Das liege daran, dass ihre Finanzierung sich auch daran bemesse, »wie viele Absolventen sie durchkriegen«. Das sei eine »ganz ähnliche inflationäre Entwicklung wie an den Schulen«. 

 


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