Eva Brückner ist Geschäftsführerin bei Heinrich&Coll. Gesellschaft für Personalberatung und sucht seit Jahren Fach- und Führungskräfte für die Verteidigungsbranche. Ein Gespräch über gesuchte Profile, Einstiegshürden – und warum mehr Diversität in der Rüstung überlebenswichtig ist.
Markt&Technik: Frau Brückner, die Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa dürfte auf Jahre hinaus boomen. Wie wirkt sich das aus?
Die Branche ist seit Jahren konservativ und stark mittelständisch geprägt. Mit Rheinmetall, Airbus und Hensoldt haben wir zwar einige große Namen, doch die Mehrheit der Firmen sind kleine und mittelgroße Unternehmen. Gleichzeitig schnellen die Auftragsvolumina in die Höhe. Jeder weiß: Wir müssen wachsen. Aber wie man das strategisch und personell hinbekommt, ist für viele eine echte Herausforderung.
Wie reagieren Bewerber heute, wenn Sie für Rüstungsfirmen rekrutieren?
Vor zehn Jahren war die Waffenindustrie für viele tabu. Heute ist das fast verschwunden. Der Angriffskrieg Russlands und die Unsicherheit durch Trump haben den Blick verändert. Sicherheit wird zunehmend europäisch gedacht. Trotzdem: Die Branche bleibt konservativ, Wandel passiert nur langsam.
Haben auch Kandidaten aus Elektronikfirmen Chancen auf einen Einstieg?
Ja, aber der ist nicht ganz trivial. Automotive- oder Maschinenbau-Profile sind nur bedingt eins zu eins übertragbar. Eher passen Kandidaten aus regulierten Branchen wie der Medizintechnik – dort sind Dokumentations- und Qualitätsanforderungen ähnlich streng.
Wie hoch ist der Ingenieurbedarf tatsächlich?
Er steigt gerade massiv. Gleichzeitig engt das Thema Sicherheit den Bewerberpool ein: Viele Nationen sind als Herkunftsländer von vornherein ausgeschlossen, darunter China, Russland oder Iran. Das verschärft den Fachkräftemangel noch einmal deutlich.
Welche Rolle spielen Hochschulen für den Nachwuchs?
Die Bundeswehr-Unis in Hamburg und München sind die zentralen Zulieferer. Forschung in Deutschland ist vielerorts noch rein zivil, das ändert sich gerade, vor allem in Bayern. Neue Studiengänge entstehen unter anderem an der TUM oder in Landshut. Duale Studiengänge sind ebenfalls entscheidend. Aber: Die Zahl der MINT-Absolventen reicht nicht aus, und der demografische Wandel verschärft das Problem massiv.
Welche Fachprofile sind besonders gefragt?
Vor allem Elektronik, Embedded, Sensorik, Softwareentwicklung und Systems Engineering. Auch Wirtschaftsingenieure mit technischer Ausrichtung stehen hoch im Kurs. Die größten Lücken gibt es bei Sales und Business Development, Entwicklung, Produktion (Kryptografie, Kommunikationstechnik und Systemintegration). Auch im Programm- und Projektmanagement fehlen erfahrene Leute.
Sind Quereinsteiger gefragt, um die Lücken zu schließen?
Ja, aber nicht überall. In Entwicklung und Produktion können Quereinsteiger durchaus Fuß fassen. Im Vertrieb dagegen praktisch gar nicht. Hier werden in der Regel militärischer Background und Kenntnisse der Beschaffung durch die Bundeswehr vorausgesetzt.
Wird Vorkenntnis in Militär-Normen erwartet, oder lässt sich das nachschulen?
Nicht zwingend. Vieles kann man nachschulen. Wichtig ist die Bereitschaft, sich auf die besonderen Anforderungen einzulassen.
Wie strikt sind die Sicherheitsauflagen?
Die Überprüfbarkeit muss gegeben sein. Ohne Sicherheitsüberprüfung geht fast gar nichts. Manche Projekte laufen unter „German Eyes Only“. Dort dürfen ausschließlich deutsche Staatsbürger arbeiten. Loyalität, Diskretion und ein einwandfreier Leumund sind unverzichtbar.
Wie lange dauert solch eine geforderte Sicherheitsüberprüfung?
Mehrere Monate. Das macht flexible Lösungen wie Leiharbeit fast unmöglich.
Welche Nationalitäten haben Chancen?
26 Staaten sind von vornherein ausgeschlossen. Neben China, Russland oder Iran betrifft das Afghanistan. Auch bei Bewerbern aus Indien oder der Türkei sind viele Unternehmen zurückhaltend. Am besten fahren europäische Staatsbürger.
Welche Soft Skills erwarten Unternehmen?
Neben Fachkompetenz zählen Teamfähigkeit, Verschwiegenheit, schnelle Problemlösung – und eine klare mittelständische Hands-on-Mentalität. Reine Strategen sind nicht gefragt. Gefordert ist eine Mischung aus operativer Arbeit und strategischem Denken.
Wie läuft ein Bewerbungsprozess über Sie typischerweise ab?
Sehr konservativ. Direktansprache über Headhunter, mehrere Gesprächsrunden, manchmal technische Tests. Flexibilität oder Tempo, wie man es aus anderen Branchen kennt, gibt es selten. Hier braucht es dringend neue Impulse – sei es durch Quereinsteiger oder durch mehr Diversität.
Was kann man über die Gehälter sagen? Verdient man im Bereich Defence gut?
Die meisten Unternehmen sind im Metall-Elektro-Tarif. In Bayern endet der Tarif bei rund 107.000 Euro, außertarifliche Stellen starten darüber. Dazu kommen variable Anteile von 10 bis 20 Prozent. In höheren Führungspositionen gibt es Firmenwagen oder Aktienoptionen. Insgesamt vergleichbar mit Automotive oder Maschinenbau.
Wer sind die wichtigsten Arbeitgeber?
Rheinmetall, Airbus Defence and Space, Hensoldt, Diehl, MBDA, ESG (wurde von Hensoldt übernommen), KNDS, tkms. Daneben eine Vielzahl hochspezialisierter Mittelständler. Auch Start-ups wie Quantum Systems oder Helsing gewinnen an Gewicht – meist in Kooperation mit den Großen.
Und der Frauenanteil?
Sehr niedrig. In den Führungsetagen liegt er unter 5 Prozent. Es gibt Firmen, die mit Programmen bis zu 30 Prozent erreicht haben – aber das sind Ausnahmen. Insgesamt bleibt die Branche stark männlich geprägt.