In Wirtschaftsflauten und unter Transformationsdruck werden softe Faktoren wie Mitarbeitermotivation und -führung oft als 'Sozial-Klimbim' abgetan. Ein Plädoyer, warum es sich lohnt, bei Kulturarbeit gerade jetzt am Ball zu bleiben.
In der Struktur eines Unternehmens spiegelt sich auch dessen Kultur wider. Das berücksichtigen Manager beim Planen größerer Changeprojekte oft nicht. Sie unterschätzen zudem den Einfluss der „softs facts“ auf solche „hard facts“ wie den Umsatz und Ertrag. Unternehmen lassen sich mit solchen „hard facts“ wie Branche, Mitarbeiterzahl, Umsatz und Ertrag beschreiben, doch nicht charakterisieren. Denn sie sagen wenig darüber aus, wie eine Firma „tickt“. Um dies zu ermitteln, benötigt man andere Informationen – zum Beispiel Infos darüber,
Oder kurz: Man muss die Unternehmenskultur kennen.
In der öffentlichen Debatte wird das Thema Unternehmenskultur jedoch häufig auf das Hegen und Pflegen der Mitarbeiter reduziert. So berichten zum Beispiel Zeitschriften unter dem Stichwort „Unternehmenskultur“ meist über Programme zum
Sie suggerieren damit: Die Unternehmen mit den aufwändigsten Programmen dieser Art haben die „beste“ Unternehmenskultur.
Dabei wird übersehen: In solchen Programmen spiegelt sich zwar auch die Kultur eines Unternehmens wider, letztlich geht es aber um grundlegendere Fragen. Zum Beispiel darum: Von welchen Normen und Werten lassen sich die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit leiten? Und: Von welchen Einstellungen ist die Zusammenarbeit geprägt? Denken die Mitarbeiter eher „Was mein Kollege tut, geht mich nichts an“ oder handeln sie nach der Maxime: „Wir sind ein Team. Also müssen wir kooperieren und uns wechselseitig informieren“? Oder wie geht das Unternehmen mit neuen Herausforderungen um? Werden sie verdrängt oder aktiv bearbeitet?
Viele Unternehmensführer sind zudem zurecht überzeugt: Die Kultur eines Unternehmens lässt sich nur allmählich und mit einem hohen Energieaufwand verändern. Also verzichten sie im Alltag nicht selten ganz auf einen entsprechenden Versuch, weil es nach ihrer Auffassung stets „Wichtigeres“ zu tun gibt – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Diese Haltung ist verständlich. Denn drei bis fünf Jahre muss man – zumindest bei größeren Organisationen –schon einplanen, bis zum Beispiel aus einem behördenähnlich agierenden Unternehmen ein kundenorientierter Dienstleister wird. Denn um einen solchen (mentalen) Turn-around bzw. Transformationsprozess zu vollziehen, genügt es nicht, die Strukturen zu verändern. Das Unternehmen muss auch neue Formen der Zusammenarbeit fördern. Zudem müssen die Mitarbeiter neue Denk- und Handlungsroutinen entwickeln. Das erfordert Zeit.
Trotzdem sollte der Versuch nicht unterbleiben, die Unternehmenskultur zu gestalten. Denn anders lassen sich viele unternehmerische Ziele, wie zum Beispiel
Doch Vorsicht! Nicht selten scheitert der Versuch, die Kultur zu verändern. Eine häufige Ursache hierfür ist: Die Unternehmensführer formulieren zwar entsprechende Entwicklungsziele, doch kaum sind sie verkündet, wenden sie sich anderen Dingen zu. Und die Aufgabe, die für die Veränderung nötigen Entwicklungsmaßnahmen einzuleiten und umzusetzen? Diese delegieren sie beispielsweise an eine junge Führungskraft, die sich bewähren soll, oder eine Stabsabteilung. Bei einem solchen Vorgehen kommt bei den Mitarbeitern die Botschaft an: Allzu wichtig scheint das Ganze unseren „Chefs“ nicht zu sein, sonst würden sie sich selbst darum kümmern.
Generell gilt: Wenn Unternehmensführer einen kulturellen Wandel wünschen, müssen sie dies durch ihr Verhalten dokumentieren. Zudem sollten sie den Mitarbeitern durch symbolische Handlungen signalisieren: Fortan ist ein neues Verhalten gefragt.
Hierfür ein Beispiel. Als der 2019 leider verstorbene Ferdinand Piëch vor vielen Jahren Vorstandsvorsitzender im VW-Konzern wurde, schnappte er sich – so zumindest die Legende – einen Blaumann und stellte sich einige Tage ans Fließband. Hierdurch signalisierte er den Werkern: Ich schätze eure Arbeit, und es ist mir wichtig zu erfahren, was euch antreibt und bewegt.
Um die Kultur eines Unternehmens oder Bereichs kennenzulernen, muss man sich nicht unbedingt ans Fließband stellen – auch wenn man den Wert solcher symbolischen Handlungen nicht unterschätzen sollte. Es gibt systematischere Vorgehensweisen. Hilfreich ist es zum Beispiel, sich zu fragen:
Das Ziel all dieser Fragen ist es zu begreifen, wie das Unternehmen „tickt“. Denn nur so lässt sich erkennen, wo Veränderungen ansetzen sollten, damit die Entwicklungsziele und die unternehmerischen Ziele erreicht werden.
Der US-amerikanische Organisationspsychologe Edgar Schein unterscheidet drei Ebenen, auf denen sich eine Unternehmenskultur manifestiert.
Alle diese Faktoren zu erfassen, ist zeitaufwändig – und zuweilen übertrieben. Trotzdem ist eine fundierte Kulturanalyse wichtig. Das zeigt sich unter anderem darin, wie häufig in Unternehmen zum Beispiel Projekte gestartet, neue Technologien eingeführt und/oder Umstrukturierungen vollzogen werden, ohne die erhofften Effekte zu erzielen. Eine häufige Ursache hierfür ist: Bei ihrer Planung wurde nicht ausreichend beachtet, dass sich in der Struktur eines Unternehmens dessen Kultur widerspiegelt. Deshalb setzen Struktur- und Verfahrensveränderungen meist auch eine Kulturveränderung voraus. Dasselbe gilt, wenn sich die strategischen Ziele ändern.
Deshalb sollten Unternehmensführer, bevor sie in ihrer Organisation größere Veränderungsprojekte initiieren, die auch eine neue Kultur erfordern, analysieren: Wie tickt das Unternehmen aktuell? Denn nur dann kann der Change-Prozess so gestaltet werden, dass er nicht nur auf dem Papier, sondern auch real gelingt.
Autor Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist Autor mehrerer Change und Projektmanagement-Bücher. Er hat eine Professur an der Technischen Universität Clausthal und ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe und der IAE in Aix-en-provence.