Schwerer Schlag für Huawei

Kein Weg zu Kirin-Prozessoren

10. August 2020, 9:20 Uhr | Heinz Arnold
© Destina/stock.adobe.com

Huawei-Tochter HiSilicon kann ihre High-End-Prozessoren vom Typ Kirin wegen des Drucks aus den USA nirgends mehr auf der Welt fertigen lassen.

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»Ab dem 15. September können unsere Kirin-Prozssoren nicht mehr produziert werden. Das ist ein großer Verlust für uns«, erklärte Richard Yu, CEO der Consumer Business Unit von Huawei, laut Reuters. »Dieses Jahr könnt das Letzte für unsere High-End-Chips vom Typ Kirin werden«, mit diesen Worten zitiert ihn die Taipei Times.

Denn die Verschärfung der Export-Bestimmungen der USA vom Mai dieses Jahres macht es HiSilcion nun unmöglich, ihre High-End-Prozessoren von Typ Kirin wie bisher von TSMC fertigen zu lassen: Ab 15. September darf TSMC nicht mehr an Huawei liefern, will das Unternehmen nicht gegen die Bestimmungen der USA verstoßen. Diese Prozessoren setzt Huawei in ihren Top-Smartphones ein. Im neuen Mate 40 sollten die Kirin-9000-Prozessoren, das Flaggschiff von HiSilcion, Einsatz finden. Angeblich hat sich Huawei sich genügend Chips auf Lager gelegt, um einen Vorrat für ein Jahr zu haben. Spätestens danach aber sitzt das Unternehmen auf dem Trockenen. 2019 verkaufte Huawei 240 Mio. Smartphones, in diesem Jahr werden es bedingt durch den US-Bann schon weniger werden.

Außer TSMC können weltweit wenige Foundries – derzeit wohl nur Samsung – diese Chips überhaupt fertigen. Eine chinesische Foundry, die die ICs mit Hilfe der neusten Prozesstechniken produzieren könnte, gibt es derzeit nicht. Die größte von ihnen, SMIC, hinkt noch einige Generationen hinterher und hat auch schon verlauten lassen, dass sie sich auf jeden Fall an die Regularien der USA halten werde.

Die lauten, dass kein Unternehmen, das die Chips mit Hilfe von Equipment aus den USA fertigt, an Huawei liefern darf. Weil aber die Maschinen für die Fertigung der ICs, die für wesentliche Prozessschritte erforderlich sind, zu eine  großen Teil aus den USA kommen, bedeutet dies in der Praxis: Huawei ist von der Versorgung der Chips, die ihre Design-Tochter HiSilicon entwickelt, ab Mitte September abgeschnitten. Kein Wunder, dass der CEO der Consumer Business Unit von Huawei von einem großen Verlust spricht.

Über die Hälfte des Gesamtumsatzes von Huawei erwirtschaftet die Consumer-Business-Einheit, vor allem mit den Smartphones. Auf alternative Hersteller wie Samsung oder MediaTek auszuweichen, dürfte schwierig werden. Denn sie bzw. die Foundries sind auf amerikanische Maschinen angewiesen.

Und was mindestens ebenso entscheidend sein dürfte: Die Exportrestriktionen beziehen sich nicht nur auf Equipment-Lieferanten sondern auch auf die EDA-Hersteller, die die Tools entwickeln, auf deren Basis wiederum neue IC-Designs entstehen. Wer käme dabei an US-Firmen wie Cadence, Mentor (gehört jetzt zu Siemens, aber die amerikanische Einheit unterliegt den Gesetzen der USA) und Synopsys vorbei? Auch das wird für HiSilicon künftig nicht mehr möglich sein. China müsste also nicht nur neben IC-Fabs eine eigene Equipment-Industrie, sondern auch eine eigene EDA-Industrie aufbauen.

Die Kirin-Prozessoren sind inzwischen mindestens auf der Stufe der Applikationsprozessoren angelangt, die Qualcomm derzeit anbietet. Qualcomm selber leidet unter den Ausfuhrrestriktionen der US-Regierung ebenfalls und bemüht sich darum, dass die Beschränkungen aufgehoben werden, wie das Wall Street Journal berichtet. Denn die Bestimmungen der USA würden den Wettbewerbern von Qualcomm einen Markt öffnen, der derzeit pro Jahr bei 8 Mrd. Dollar liegt. Davon könnten Samsung und die taiwanische Mediatek profitieren. Erst im Juli hatte Qualcomm einen Lizenz-Rechtsstreit mit Huawei beigelegt: Qualcomm wird in diesem Zusammenhang von Huawei eine Zahlung in Höhe von 1,8 Mrd. Dollar im vierten Quartal erhalten.

Schneiden sich die USA ins eigene Fleisch?

In diese Richtung argumentiert auch das offizielle China: Zhou Shijian, Senior Research Fellow am Zentrum für die Beziehungen zwischen den USA und China an der Universität von Tsinghua, erklärte, dass sich die USA mit diesen Maßnahmen ins eigene Fleisch schneiden würden. Schon im Mai schrieb die regierungsnahe englischsprachige chinesische Zeitung Global Times, dass der US-Bann die eigenen in den USA ansässigen Firmen um Milliarden-Umsätze und Gewinne bringen werde, die künftigen Forschungsaktivitäten fehlten. Damit werde die amerikanische Industrie an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.  

Huawei wächst noch

Währenddessen war Huawei trotz des Gegenwindes aus den USA im ersten Halbjahr 2020 sehr erfolgreich. Der Umsatz kletterte um 13,1 Prozent auf 65 Mrd. Dollar.
Im zweiten Quartal 2020 hatte Huawei 55,8 Mio. Smartphones verkauft und damit Samsung (53,7 Mio. Einheiten) und Apple (45,1) auf die Plätze verwiesen. An vierter und fünfter Stelle folgten die chinesischen Marken Xiamo (28,8 Mio. Stück) und Oppo (25,8 Mio. Stück). Die übrigen Hersteller hatten im zweiten Quartal 75,5 Mio. Einheiten abgesetzt.


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