Inhalieren und Urin-Test ersetzen CT

Nano-Sensoren liefern Lungenkrebs-Diagnose

8. Januar 2024, 10:09 Uhr | Ute Häußler
Die diagnostischem Partikel werden aerosoliert und eingeatmet. Unter dem Rasterelektronenmikroskop sind die Partikel zu sehen, die mit Nanosensoren beschichtet sind, welche mit krebsassoziierten Proteinen in der Lunge interagieren.
© MIT

Einatmen und pinkeln - Lungenkrebs könnte zukünftig ohne CT diagnostiziert werden. Inhalierbare Nanopartikelsensoren reagieren mit Krebsproteinen in den der Lunge, Marker zeigen anschließend über einen simplen Papierstreifen-Test im Urin, ob Tumore vorhanden sind.

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Ein neuer Ansatz, den Forschende am MIT Boston entwickelt haben, könnte den derzeitigen Goldstandard für die Diagnose von Lungenkrebs, die Niedrigdosis-Computertomographie (CT), ersetzen oder zumindest in vielen Fällen ergänzen.

Der einfache Papierstreifen-Test vereinfacht und verkürzt nicht nur das derzeitige Diagnose-Verfahren und entlastet zeitlich und personell das Gesundheitswesen, er könnte besonders in Ländern ohne flächendeckende CT-Versorgung, die Krebsversorgung verbessern und nachgelagert auch die Sterblichkeitsraten senken.

Einatembare Partikel zur Lungenkrebs-Diagnose

Um Lungenkrebs so früh wie möglich zu diagnostizieren, wird starken Rauchern über 50 Jahren empfohlen, sich jährlich einer Computertomographie zu unterziehen. Doch nicht jeder in dieser Zielgruppe erhält diese Untersuchungen, und die hohe Falsch-positiv-Rate der Scans kann zu unnötigen, invasiven Tests führen.

Sangeeta Bhatia, Professor für Health Sciences and Technology sowie Electrical Engineering und Computer Science am MIT und Mitglied des Koch Institute for Integrative Cancer Research, hat in den letzten zehn Jahren Nanosensoren für die Diagnose von Krebs und anderen Krankheiten entwickelt. In der Studie untersuchten sie und ihre Kollegen die Möglichkeit, diese als leichter zugängliche Alternative zum CT-Screening auf Lungenkrebs einzusetzen.

Die Sensoren bestehen aus Polymer-Nanopartikeln, die mit einem Reporter, z. B. einem DNA-Barcode, beschichtet sind. Dieser wird vom Partikel abgespalten, wenn der Sensor auf Enzyme, so genannte Proteasen, trifft, die in Tumoren häufig überaktiv sind. Diese Reporter reichern sich schließlich im Urin an und werden aus dem Körper ausgeschieden. Frühere Versionen der Sensoren, die auf andere Krebsherde wie die Leber und die Eierstöcke abzielten, waren für eine intravenöse Verabreichung konzipiert. Für die Lungenkrebsdiagnose wollten die Forscher eine Version entwickeln, die inhaliert werden kann, was den Einsatz in strukturschwachen Regionen erleichert.

Um dies zu erreichen, haben die Forscher zwei Formulierungen ihrer Partikel entwickelt: eine Lösung, die aerosolisiert und mit einem Vernebler verabreicht werden kann, und ein Trockenpulver, das mit einem Inhalator verabreicht werden kann.

Sobald die Partikel die Lunge erreichen, werden sie in das Gewebe aufgenommen, wo sie auf eventuell vorhandene Proteasen treffen. Menschliche Zellen können Hunderte verschiedener Proteasen exprimieren, und einige von ihnen sind in Tumoren überaktiv, wo sie den Krebszellen helfen, ihren ursprünglichen Standort zu verlassen, indem sie Proteine der extrazellulären Matrix durchschneiden. Diese Krebsproteasen spalten die DNA-Strichcodes von den Sensoren ab, so dass die Strichcodes im Blutkreislauf zirkulieren können, bis sie mit dem Urin ausgeschieden werden.

Papierstreifen-Test statt Massenspektroskopie

In den früheren Versionen ihrer Forschung verwendeten die Wissenschaftler die Massenspektrometrie, um die Urinprobe zu analysieren und die DNA-Barcodes zu erkennen. Für die Massenspektrometrie sind jedoch Geräte erforderlich, die in strukturschwachen Gebieten möglicherweise nicht zur Verfügung stehen. Daher entwickelten die Forscher für diese Version einen Lateral-Flow-Assay, mit dem die Barcodes mithilfe eines Papierteststreifens nachgewiesen werden können.

Die Forscher haben den Streifen so konzipiert, dass er bis zu vier verschiedene DNA-Barcodes erkennen kann, von denen jeder das Vorhandensein einer anderen Protease anzeigt. Eine Vorbehandlung oder Aufbereitung der Urinprobe ist nicht erforderlich, und die Ergebnisse können etwa 20 Minuten nach Entnahme der Probe abgelesen werden.

»Keine Probenaufbereitung und keine Amplifikation, einfach die Probe direkt auf das Papier geben und die Ergebnisse innerhalb von 20 Minuten ablesen.«
Sangeeta Bhatia

Genaue Krebs-Diagnose im Frühstadium

Die Forscher testeten ihr Diagnosesystem an Mäusen, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie Lungentumore entwickeln, die denen des Menschen ähneln. Die Sensoren wurden 7,5 Wochen nach Beginn der Tumorbildung verabreicht - ein Zeitpunkt, der beim Menschen wahrscheinlich mit Krebs im Stadium 1 oder 2 korreliert.

In ihrer ersten Versuchsreihe an den Mäusen maßen die Forscher die Werte von 20 verschiedenen Sensoren, die verschiedene Proteasen erkennen sollen. Mithilfe eines Algorithmus für maschinelles Lernen analysierten die Forscher diese Ergebnisse und ermittelten eine Kombination von nur vier Sensoren, für die eine genaue Diagnose vorhergesagt wurde. Anschließend testeten sie diese Kombination im Mausmodell und stellten fest, dass sie Lungentumore im Frühstadium genau erkennen kann.

Ähnliche Sensoren erkennen Leberkrebs beim Menschen

Für den Einsatz beim Menschen sind möglicherweise mehr Sensoren erforderlich, um eine genaue Diagnose zu stellen, aber das könnte durch die Verwendung mehrerer Papierstreifen erreicht werden, von denen jeder vier verschiedene DNA-Barcodes erkennt. Die Forscher planen nun, menschliche Biopsieproben zu analysieren, um festzustellen, ob die von ihnen verwendeten Sensorpaneele auch zur Erkennung menschlicher Krebserkrankungen geeignet sind. Ein ähnlicher Sensor, der von Bhatias Labor entwickelt wurde und zur Diagnose von Leberkrebs und einer Form von Hepatitiseingesetzt werden soll, befindet sich bereits Phase-1-Studien und soll von Sunbird Bio auf den Markt gebracht werden.

In Teilen der Welt, in denen der Zugang zu CT-Scans begrenzt ist, könnte diese Technologie eine dramatische Verbesserung bei der Lungenkrebsvorsorge darstellen, zumal die Ergebnisse bei einem einzigen Besuch gewonnen werden können. (uh)

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