Ein 6D-Sensor der Schweizer CSEM nutzt Licht und Schatten für höchste Messpräzision - beispielsweise für passgenaue künstliche Knie-Implantate. Der Sensor in Würfelzucker-Größe, maßgenschneiderte Algorithmen und eine Schattenmaske erreichen Nanometer-Genauigkeit auf kleinstem Bauraum.
Wo Licht ist, ist auch Schatten – ein Umstand, den die SpaceCoder-Technologie zunutze macht. Das ausgeklügelte CSEM-System verwendet massgeschneiderte Algorithmen und einen optischen Sensor, der das Licht registriert, das durch eine speziell angefertigte Schattenmaske fällt. Wird ein Objekt vor dem Sensor positioniert, kann er die Position einer Lichtquelle im Raum anhand der Schatten, die sie wirft, genau bestimmen. Dieses raffinierte Verfahren ermöglicht ein extrem präzises Vermessen von beleuchteten Objekten.
»Wir bewegen uns hier auf der nanometrischen Ebene, sprich, auf der Grössenordnung eines Tausendstel eines Tausendstel-Millimeters« |
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Andrea Dunbar, Business Developer Data und AI am CSEM |
Dank der SpaceCoder-Technologie kann das Knie eines Patienten vor einer Operation exakt ausgemessen werden - für den Einsatz eines künstlichen Kniegelenks ist Präzision essenziell. Künftig könnte die Technologie auch bei minimalinvasiven Operationen zum Einsatz kommen, indem sie die Position von robotergesteuerten Instrumenten in Echtzeit dreidimensional erfasst. Auf diese Weise liesse sich die chirurgische Präzision noch weiter erhöhen.
Der patentierte Sensor ist kaum grösser als ein Stück Würfelzucker und bietet nebst enormer Messpräzision auch erstklassige Verlässlichkeit bei geringen Kosten, da auf teure Komponenten wie optische Linsen verzichtet werden kann. Dementsprechend birgt die schattenbasierte Messtechnik ein enormes Potenzial für die Medizintechnik: «Wir durften im Rahmen verschiedener Projekte bereits spannende Anwendungen im MedTech-Sektor durchführen«, erläutert Andrea Dunbar.
Sein Vorteil für die medizinische Messtechnik: Herkömmliche Messtechniken wie optische, kapazitive und induktive Verfahren beruhen in der Regel auf der Messung eines einzigen Punktes im Raum in einer einzigen Richtung. Diese Eigenschaft macht diese Systeme anfällig für Fehler, die durch parasitäre Bewegungen und Verunreinigungen entstehen und die Präzision und Zuverlässigkeit des Systems beeinträchtigen.
Die neuartige Schattenbildtechnik des SpaceCoder setzt auf eine einzigartige Bildgebungstechnik, bei der eine Lichtquelle den Schatten eines Musters auf einen Bildverarbeitungssensor projiziert und so eine präzise 3D-Verfolgung von Objekten in Echtzeit ermöglicht. Das der Messung zugrunde liegende Prinzip ist folgendes: Eine Lichtquelle wirft den Schatten eines gut gestalteten Musters auf einen Vision-Sensor, und die Verarbeitung des Schattenbildes bewertet die 3D-Position der Lichtquelle im Verhältnis zum Sensor.
Die grundlegende Implementierung besteht aus drei Teilen: einer punktuellen Beleuchtungsquelle (LED oder Laser), einem Bildsensor (CMOS-Imager) und einem transparenten Maßstab mit einer spezifischen Markierung (Glasplatte mit Chrom-Photolithographie), die in einem bestimmten Abstand vom Sensor angebracht ist. Das emittierte Licht projiziert den Schatten des Musters auf den Sensor, und das vom Bildsensor erfasste Muster wird verarbeitet, um die 3D-Position der Lichtquelle zu extrahieren.
Die spaceCoder-Technologie wurde für verschiedene Arten von Messungen (Winkel-, Dreh- und Linearmessungen mit bis zu 6 Freiheitsgraden) und in verschiedenen Bereichen eingesetzt, darunter die Präzisionsindustrie (Sonden), die Luft- und Raumfahrt und die Automobilindustrie (Encoder), die Medizin (6D-Mikrochirurgie) und die Geolokalisierung (Sonnenverfolgung). Neben seinen messtechnischen Eigenschaften bietet der Sensor zahlreiche weitere Vorteile: Er ist flach und kompakt (keine Linse), sehr kostengünstig und kann mit allen Wellenlängen von UV bis IR arbeiten.
Die SpaceCoder-Technologie wurde erst kürzlich durch eine neue, patentierte diffraktive Talbot-Konfiguration verbessert. Die neue Konfiguration nutzt den inhärenten Beugungseffekt eines solchen periodischen Schattenabbildungssystems: Wenn der Abstand zwischen Sensor und Muster auf ein Vielfaches oder einen Bruchteil des Talbot-Abstandes vergrößert wird, erzeugt die Beugung ein perfektes periodisches Muster mit einer einstellbaren Periode.
Der Beugungseffekt, der normalerweise zu Leistungseinschränkungen führt, wird hier in wertvolle Vorteile umgewandelt: Das Signal wird perfekt fokussiert (Beugung unter Kontrolle) und die Empfindlichkeit des spaceCoders wird durch einen einfachen Hebeleffekt erhöht, was eine Verbesserung der Erkennungsgenauigkeit um bis zu 2 Größenordnungen ermöglicht. Der diffraktive spaceCoder kann Positionen im Nanometerbereich und darunter messen. (uh)