CSEM-Spin-off für photonische Chips

Die erste TFLN-Foundry weltweit – Chance für Europa

13. Mai 2025, 8:19 Uhr | Heinz Arnold
Alexandre Pauchard, CEO von CSEM, und Hamed Sattari, CEO von CCRAFT, im Reinraum von CSEM mit einem TFLN-Wafer in der Hand. Nach sechs Jahren Forschung und Entwicklung bei CSEM ist CCRAFT nun in der Lage, photonische Chips zu produzieren und die Fertigung auf hohe Stückzahlen zu skalieren.
© CSEM

Die erste Foundry für die Fertigung photonischer TFLN-Chips ist jetzt als Spin-out des CSEM in der Schweiz gegründet worden – eine Chance für Europa, Souveränität in der wichtigen Kommunikations- und Computertechnologie zurückzugewinnen.

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Thin-Film Lithium Niobate (TFLN) ist eine der am schnellsten wachsenden Plattformen in der Photonik und gilt als eine der aussichtsreichsten Technologien für photonische Chips. An der Entwicklung von TFLN-Chips hat das CSEM über die vergangenen sechs Jahre gearbeitet. Auf Basis dieser Technologie ist jetzt CCRAFT ausgegründet worden, das laut CSEM weltweit erste produktionsbereite Unternehmen für photonische Chips (PICs) der nächsten Generation. Diese PICs sind unverzichtbare Komponente für die nächste Generation der Telekommunikation, KI-Rechenzentren und Quantentechnologien. 

Angesichts der rasanten Zunahme des Datenvolumens, die insbesondere durch KI angetrieben wird, stoßen die aktuellen Technologien in Bezug auf Geschwindigkeit und Energieeffizienz an ihre Grenzen. Einige Prognosen gehen sogar davon aus, dass Rechenzentren bald mehr als 20 Prozent des weltweiten Stroms verbrauchen könnten. Obwohl neue Architekturen und schnellere Elektronikchips entwickelt werden, bleibt die größte Herausforderung die Umwandlung zwischen Licht und Elektrizität. 

Ziel: 12 Mio. Chips pro Jahr, 30 Prozent Marktanteil

Genau daran arbeitet CCRAFT, die seit April 2025 als Firma registriert ist, aber schon seit vier Jahren photonische Chips im Rahmen eines vorkommerziellen Angebots aus einer Pilotlinie bei CSEM liefert. Nun folgt der Ausbau der Produktion in Neuenburg.  Das Unternehmen plant den Aufbau weiterer Produktionslinien in Neuenburg, um bis 2030 jährlich 12 Millionen Chips liefern und bis zu 30 Prozent des Weltmarkts zu bedienen. 

»Andere Akteure sind noch in der Finanzierungsphase oder bieten virtuelle Foundry-Dienste an – wir produzieren bereits«, sagt Hamed Sattari, Gründer und CEO von CCRAFT. »Die enge Zusammenarbeit mit CSEM ermöglicht uns den Übergang von der Pilotfertigung zur industriellen Produktion. Wir haben auf der Pilotlinie des CSEM bereits Tausende von Photonik-Chips für mehr als 40 Partner hergestellt. Jetzt sind wir bereit, die Produktion hochzufahren.« Dabei will CCRAFT sowohl monolithische Chips fertigen, die vollständig auf einem TFLN-Substrat aufgebaut sind, als auch hybride Komponenten, die TFLN mit Silizium kombinieren, um die Integration zu erleichtern.

Die Vorteile von TFLN

Heute arbeiten die meisten Plattformen für photonische Chips mit Silizium und Indiumphosphid (InP). Sie stoßen aber bei Bandbreite und Energieeffizienz an grundlegende Grenzen – Engpässe, die durch die KI-getriebene Nachfrage nach Daten noch verstärkt werden. Deshalb können sie laut Sattari den vom Markt geforderten Leistungssprung nicht bieten. Dagegen versprechen aus TFLN hergestellte Chips im Vergleich zu herkömmlichen optischen Komponenten eine bis zu achtfache Geschwindigkeit, während ihr Energieverbrauch auf bis zu ein Zehntel gedrückt werden kann. 

Das ist nicht nur für die Datenkommunikation interessant: TFLN eröffnet auch in der Quantentechnologie, in der modernen Sensorik und in Weltraumsystemen neue Möglichkeiten – dank der geringen optischen Verluste, des großen Transparenzbereichs und der Fähigkeit, mit Standard-Elektronikspannungen zu arbeiten. 

»TFLN vereint mehrere entscheidende Vorteile: hohe elektro-optische Effizienz, geringe optische Verluste, hohe Transparenz sowie Kompatibilität mit mikroelektronischen Systemen. Dies macht TFLN zu einer transformativen Plattform nicht nur für die Datenkommunikation, sondern auch für Quantentechnologien, Lidar, fortgeschrittene Sensorik und Weltraumanwendungen«, erklärt Sattari. 

Process Design Kit und Multi-Project-Wafer

CCRAFT bietet ein spezielles Process Design Kit (PDK) an, das die Kunden beim Entwerfen und Testen der zu produzierenden Mikroschaltkreise unterstützt. Das PDK enthält eine vollständige Modellierung der physikalischen Eigenschaften und der Leistung jedes Bauteils, um sicherzustellen, dass sich die hergestellten Chips wie vorgesehen verhalten. Das Unternehmen ist in der Lage, Multi-Project-Wafer (MPW) mit bis zu 800 verschiedenen Chips herzustellen, was den Kunden hilft, die Modellierungs- und Testphase zu beschleunigen. 

»CSEM bietet eine einzigartige Plattform für CCRAFT«, so Bahaa Roustom, VP Marketing & Business Development bei CSEM: »Durch die Nutzung der Infrastruktur und des langjährigen Know-hows von CSEM sowie der Horizon Europe-Projekte kann CCRAFT die Zeit bis zur Produktion verkürzen und könnte das erste Unternehmen der Welt werden, das eine industrielle Produktion von Komponenten anbietet, die für eine leistungsstarke optische Informationsverarbeitung unerlässlich sind. Dies ist eine echte Chance für die Schweiz und Europa, eine gewisse Souveränität in einer wichtigen Kommunikations- und Computertechnologie zurückzugewinnen. Der Launch von CCRAFT zeigt die Wirkung des CSEM-Start-up-Programms, das Innovationen auf strukturierte und ambitionierte Weise fördert. Es steht zudem im Einklang mit unseren Zielen, Innovation auf Weltklasseniveau zu fördern, Marktentwicklungen frühzeitig zu erkennen und das Wachstum Schweizer Hightech-Unternehmen gezielt zu unterstützen.« 


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