Das größte Digitalisierungsprojekt Deutschlands: Obwohl als »PDF-Friedhof« und »Schuhschachtel« kritisiert, soll die ePA die Digitalisierung des Gesundheitswesen voranbringen. Warum die elektronische Patientenakte echten Fortschritt bedeutet und wie Patienten jetzt vorgehen sollten.
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
haben Sie schon eine elektronische Patientenakte? Seit dem 15. Januar bekommen Versicherte in Franken, Hamburg und NRW die »ePA für alle« automatisch angelegt – sofern sie nicht widersprechen. Der Testbetrieb soll zeigen, ob das laut Karl Lauterbach »größte Digitalisierungsprojekt Deutschlands« sicher und zuverlässig läuft. Die vom Chaos Computer Club aufgedeckten Sicherheitsmängel stellen dies in Frage.
»Franken steht noch«, ließ Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach ihren Referenten für Digitalisierung Dr. Maximilian Rückert am Abend des ePA-Starts ausrichten. Auf dem »Medical Cluster meets Oberland« diskutierten Klinik-ITler, Ärzte, Medizinfirmen und lokale Behörden gerade die Digitalisierung der medizinischen Versorgung – zur ePA fielen wenig schmeichelhafte Worte wie »Schuhschachtellösung« oder »PDF-Friedhof«.
aber ein deutschlandweiter – das ist Fortschritt«, skandierte der Digitalreferent mit einem süffisanten Zucken um die Mundwinkel. Wohlwissend, dass die Digitalisierung gerade in Trippelschritten vorangeht. Immerhin könnten jetzt alle in die Schuhschachtel mit den gesammelten Patientendaten hineinschauen. »Eine so integrative Struktur wie die Telematikinfrastruktur gibt es fast nirgends«, zeigte sich Dr. Rückert gegenüber den eher ungeduldig wirkenden Praxisanwendern zuversichtlich. Dr. Jörg Traub, Leiter Gesundheit bei Bayern Innovativ, merkte zu Recht an: »PDFs sind maschinell lesbar, damit können Kliniken arbeiten«.
Auch wenn es insbesondere den anwesenden Hausärzten – aus schierer Überlastung oder weil Patienten mit den Daten ihrer Fitnessuhr und Biomarker-Tests aus dem Drogeriemarkt vor ihnen stehen – mit der Digitalisierung zu langsam geht: »Die ePA ist etwas Gutes«, lautet Dr. Rückerts Botschaft an diesem Abend. Zumal bisher nur 5 Prozent aller Patienten von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hätten: »Darauf kann man aufbauen«.
Wenn die meisten Bürger ihre Patientendaten also für eine effizientere Gesundheitsversorgung und bessere Forschung bereitstellen (oder sich zumindest nicht daran stören), wäre auch die Forderung obsolet, die Nutzung der ePA an vergünstigte Krankenkassenbeiträge zu koppeln. Wobei diese populistisch klingende Aussage zur »Handelsware Gesundheitsdaten« sowohl gegen das Diskriminierungsverbot, den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Solidarprinzip verstoßen dürfte als auch ethische Konflikte aufwirft.
Wie immer im Leben hilft eine tiefere Auseinandersetzung. Über die meisten Krankenkassen-Apps lassen sich die elektronische Patientenakte, ihre umfassenden Funktionen sowie die Einstellungen zu Datennutzung und Datenschutz einsehen, ausprobieren und feingranular justieren. Sicherheit vorausgesetzt kann digitale Gesundheit so einfach sein wie Online-Banking. Es bleibt jedem Patienten selbst überlassen, ob und in welchem Maße er die ePA nutzt. In einem demokratisch-föderalen Rechtsstaat wie Deutschland darf dies jeder Bürger für sich entscheiden.
Ihre
Ute Häußler