VDE/GMM Mikrosystemtechnik-Kongress 2023

Technische Souveränität und Green IT im Fokus

5. November 2023, 14:00 Uhr |
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Fachkräftemangel: Das Studium hat ein schlechtes Image

Vernetzung – v.l.n.r.: Dr. Rutger Wijburg, COO und Vorstandsmitglied Infineon, Oliver Schenk, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Alf Henryk Wulf, Präsident des VDE und Prof. Dr. Sabine Döring, Staatssekretärin im BMBF
Vernetzung – v.l.n.r.: Dr. Rutger Wijburg, COO und Vorstands-mitglied Infineon, Oliver Schenk, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Alf Henryk Wulf, Präsident des VDE und Prof. Dr. Sabine Döring, Staatssekretärin im BMBF.
© Christian Thiel | VDE

Das Thema Fachkräfte und Nachwuchs zog sich durch den gesamten Mikrosystemtechnik-Kongress und tauchte immer wieder in Keynotes und Vorträgen auf. Der VDE hatte dazu erstmals eine Session »Neue Wege im Recruiting« ins Programm aufgenommen. In dieser Session gab Michael Schanz vom VDE einen Ausblick auf eine Studie zur Ausbildung und Nachwuchsgewinnung, die im Dezember 2023 erscheinen soll. Sie deckt auf, dass junge, technikaffine Menschen mitunter völlig falsche Vorstellungen von der Tätigkeit von Elektroingenieuren haben. Eine Befragung unter 1000 Teilnehmern ergab, dass der Beruf des Elektroingenieurs u.a. mit Kabelverlegen und Installationsarbeiten assoziiert wird. Chipdesign, Sensorik, Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz kamen indes nicht vor. Insofern schlug Michael Schanz Marketing-Initiativen zur besseren Imagebildung des Ingenieurberufs vor, vor allem auch in sozialen Medien. Zu den Aktivitäten des BMBF sagte er, das Ministerium fördere nur MINT allgemein, da gehe die Elektrotechnik unter, zumal Schüler eher an IT und Informatik interessiert seien. So war sein Appell intern an den VDE gerichtet, denn »Marketing kostet Geld«.

Als großes Problem identifiziert die Studie die Abbruchquote von 65 % unter E-Technik-Studierenden. Selbst Studienanfänger, die gut in Mathematik sind, erlebten am Anfang des Studiums einen »Mathe-Schock«. Ihnen werde nicht vermittelt, wofür sie die Lerninhalte später benötigen. Die befragten Studienteilnehmer sehen »Durchhaltevermögen« als wichtigste Eigenschaft für Erfolg im Elektrotechnikstudium. Das ist ein Ohrfeige für die didaktische Qualifikation der Lehrenden und die curriculare Ausgestaltung des Studiums an den Universitäten. Schulz: »Die Studierenden extrapolieren die Erfahrung am Anfang auf die gesamte Dauer des Studiums.« Er regte an, schon früher praxisbezogene Lehrveranstaltungen einzuführen und z.B. Mathematik nicht von Mathematikern lehren zu lassen, »die sich an mathematischer Sprache und ausgeklügelter Beweisführung ergötzen«, sondern stärker praxisorientiert von Ingenieuren.

Intensiver fachlicher Austausch

Auch wenn dieser Bericht die Industriepolitik in den Mittelpunkt stellt – der größte Teil des Mikrosystemtechnik-Kongresses diente dem fachlichen Austausch. Der Fokus der Konferenz lag auf Nachhaltigkeit, Green IT und Next Generation Computing. Dr. Rutger Wijburg, COO von Infineon, machte dem Plenum klar, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftliches Wachstum kein Gegensatz sind. Aus verschiedenen Marktstudien erwartet Infineon im Zeitraum 2020 bis 2030 weltweit eine Steigerung der installierten Solarleistung um Faktor 7, bei der Windkraft eine Steigerung der Ausbeute um Faktor 4, bei E-Autos eine Steigerung der jährlichen Verkaufszahlen um Faktor 11 und bei IoT-verbundenen Geräten eine Steigerung um Faktor 3,5 von 2020 bis 2025 (siehe Grafik).

Prognosen für das Wachstum von Technologien, die den Klimawandel dämpfen
Prognosen für das Wachstum von Technologien, die den Klimawandel dämpfen.
© Infineon Technologies

Dr. Stefan Finkbeiner, CEO Bosch Sensortec, gab einen faszinierenden Einblick an die vorderste technologische Front von Sensorik und Mikroaktorik. So arbeitet Bosch an einem Projektionssystem für Smart Glasses, das Informationen in Brillengläser einblendet, z.B. für Navigation oder Fitnessdaten. Nicht-invasive, unblutige Messung des Blutzuckers ist ein weiteres Gebiet: Heute ist schon eine unblutige Messung mittels Implantaten möglich. Zukünftig will man auch darauf verzichten, was weitere Erleichterungen für die Behandlung von Diabetes bedeuten würde. Bei Drucksensorik ist Bosch heute in der Lage, Höhenunterschiede im Zentimeterbereich zu detektieren. Die kapazitiven Membranen der Gassensoren sind so empfindlich, dass sie – skaliert auf ein Fußballfeld – um die Dicke von zwei Haaren ausschlagen würden. All das wird von Bosch ausschließlich in Deutschland gefertigt.

Insgesamt bestand der Mikrosystemtechnik-Kongress aus 203 wissenschaftlichen Beiträgen, acht Keynotes und flankiert von 38 Ausstellern. Der Link zum 870 Seiten starken Tagungsband wurde den Konferenzteilnehmenden bereits zugesandt.

Die Begegnung mit Vertretern der Politik, die Wettbewerbe und Preisverleihungen, die Vernetzung zwischen Forschung und Industrie im VDE und das Zusammentreffen von jung und alt – all das schafft wichtige Impulse für innovative und spezialisierte Entwicklungen. Nur mit diesen Entwicklungen wird es möglich sein, die Wärme-, Energie- und Mobilitätswende zu bewältigen und letztlich den Klimawandel zu bremsen.

Wer noch detaillierter wissen möchte, welche Themen auf dem Mikrosystemtechnik-Kongress diskutiert wurden: Auf der Veranstaltungs-Website ist das gesamte Programm onine.


  1. Technische Souveränität und Green IT im Fokus
  2. Fachkräftemangel: Das Studium hat ein schlechtes Image
  3. Preisverleihungen an Schüler, Studierende und junge Wissenschaftlerinnen

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