Der Mikrosystemtechnik-Kongress ist die größte Veranstaltung der GMM im Jahr. In Dresden trafen sich 550 Teilnehmer aus Politik, Industrie und Forschung. Die Keynotes thematisierten Nachhaltigkeit, Technologiepolitik und Nachwuchsförderung.
Im Fokus des »Silicon Saxony« stehen zumeist die großen Halbleiter-Fabs von Bosch, Infineon, GlobalFoundries, X-Fab und Renesas (ehem. ZMD). Doch insgesamt gehört viel mehr dazu: Das Mikroelektronik-Ökosystem Sachsens umfasst mit allen Zulieferern, universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen 2500 Unternehmen, bei denen 70.000 Menschen arbeiten. Bereits jeder dritte in Europa gefertigte Chip kommt heute aus Sachsen. Mit dem im der Bau befindlichen zusätzlichen Fab von Infineon – einer 5-Milliarden-Euro-Investion – und der Ansiedelung von TSMC wird dieser Anteil weiter steigen. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Fertigung von Chips für Sensoren, Leistungs- und Automobilelektronik. Ein ideales Umfeld für den Mikrosystemtechnik-Kongress.
VDE-Präsident Henryk Wulf betonte in seiner Begrüßung, wie wichtig Halbleiter für den Standort Deutschland sind. Auch in konservativen und weniger elektronikaffinen Branchen wie z.B. der Landwirtschaft gibt es kaum noch Produkte ohne mikrotechnologische Sensorik. Ziel der Bundesregierung und der EU ist, wieder mehr Halbleiterfertigung nach Europa zurückzuholen. Wulf wies darauf hin, dass Investitionen in Produktionsstandorte günstige Rahmenbedingungen und Rahmenprogramme für Forschung und Entwicklung benötigen. All dies seien Aufgaben, die Unternehmen nicht allein lösen können. Sie benötigen die Zusammenarbeit von Industrie, Bund, Landesregierungen sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Angesichts der vielen Herausforderungen der derzeitigen Weltlage sagte Wulf: »In Krisen haben wir uns immer bewährt. Fortschritt, Erfindung, Marktwirtschaft sind unsere DNA – das bremst und nicht aus, sondern treibt uns an.«
Prof. Dr. Sabine Döring, Staatssekretärin im BMBF, zeigte auf, wie ihr Ministerium die aktuelle Lage einschätzt. Sie machte vier Strömungen aus, die auf die Mikroelektronik wirken:
➔ eine gedämpfte, rückläufige Globalisierung
➔ starkes Nachfragewachstum nach Mikroelektronik durch den KI-Boom
➔ Zukunft des Mooreschen Gesetzes: Strukturverkleinerung kommt an Grenzen, Chiplets gewinnen an Bedeutung
➔ Der Fachkräftebedarf übersteigt den demografischen Nachwuchs. Ergänzende Fachkräftegewinnung aus dem Ausland nötig.
In diesem Zusammenhang bemüht sich das BMBF, die Ausbildung für MINT-Berufe attraktiver zu gestalten und die Schüler stärker dafür zu motivieren. Das BMBF wolle Ausbildung und Weiterbildung verbessern, sagte die Staatssekretärin, ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Was sie konkret vorweisen kann, ist ein »Green ICT Award«, den das BMBF zusammen mit der Forschungsfabrik Mikroelektronik ausschreibt. »Gerade Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion sind Themen, die die Motivation junger Menschen stärken,« sagte Prof. Döring.
Konkreter ausgeführt wurden die Positionen und Aktivitäten des Ministeriums am zweiten Konferenztag von Dr. Stefan Mengel, Referatsleiter für Elektronik, autonomes Fahren und Supercomputing im BMBF. Er benannte recht klar, wie sich die »Zeitenwende« und geopolitischen Veränderungen auch auf die Politik des BMBF auswirken.
Früher war Forschungspolitik vorwiegend Industriepolitik, diente der langfristigen Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und der Stärkung Deutschlands im internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb. Schon seit 2018, mit dem ersten strategischen Förderprojekt der EU-Kommission IPCEI – Important Projects of Commom European Interest – wurde die Mikroelektronik als Bestandteil kritischer Infrastruktur erkannt, die unabdingbar für das Funktionieren der Gesellschaft ist. Diese Bedeutung hat sich weiter gesteigert. Heute, so Dr. Mengel, ist die Mikroelektronik ein Baustein, um die technologische Unabhängigkeit, die politische Handlungsfähigkeit und damit auch die Souveränität des Landes zu sichern. Deshalb kooperiert das BMBF in Sachen Forschungspolitik jetzt auch stärker mit dem Wirtschafts- und dem Außenministerium. Auch die Sicherheitsinteressen des Landes – Stichwort: Kooperation mit dem BSI – spielen da mit rein.
Angesichts der massiven Subventionen der USA und Asiens in ihre Halbleiterindustrien ist die Bildung eines Gegengewichts nur auf EU-Ebene möglich. Um hier mitspielen zu können, hat das BMBF die »Forschungsfabrik Mikroelektronik« geschaffen. Sie ist keine physische Fabrik im Sinne eines großen zentralen Standorts, sondern ein Zusammenschluss aus elf Fraunhofer- und zwei Leibniz-Instituten, die über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind. Mit diesem Gebilde kann die verteilte deutsche Forschungslandschaft im innereuropäischen Wettbewerb mit den großen belgischen und französischen Forschungseinrichtungen CEA-Leti und IMEC als eine Einheit auftreten. So hofft man, im Rahmen des EU Chips Act im nächsten Jahr ein Förderprojekt für eine Pilotlinie zu gewinnen.
Weitere Maßnahmen, an denen das BMBF derzeit arbeitet, sind die Einrichtung von Design-Exzellenzzentren für Chipdesign und die Förderung von Fokusthemen, bei denen man sich vor der Ausschreibung schon mit Industrie und Forschungsinstituten über die Inhalte verständigt. Hier stehen die Themen wie Open Source, PFAS-Ersatz, RISC-V und KI-spezifische Mikrocontroller an.