Nachhaltigkeit

Das SSTS-Programm des Imec

2. Juni 2023, 10:53 Uhr | Iris Stroh
Blick in den 300-mm-Reinraum beim Imec
© Imec

2021 hat das belgische Forschungsinstitut Imec sein Programm »Sustainable Semiconductor Technologies and Systems« aufgelegt, mit dem Ziel, der gesamten Halbleiter-Wertschöpfungskette zu helfen, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.

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Einen Grund aktiv zu werden gibt es. So ist in einem Whitepaper vom belgischen Imec (Interuniversity Microelectronics Centre) aus dem vergangenen Jahr zu lesen, dass die Digitalisierung der gesamten Halbleiterindustrie in den kommenden zehn Jahren ein enormes Wachstum verschaffen wird. Aber: Bereits heute werden die Klimaauswirkungen des gesamten Halbleitersektors auf über 900 Megatonnen geschätzt, was 1,8 Prozent der globalen anthropogenen Emissionen ausmacht. Davon entfallen auf die eigentliche Chipherstellung etwa 50 Megatonnen CO2 (0,1 Prozent der Gesamtemissionen), wobei genau dieser Bereich bei den meisten Konsumgütern eine dominierende Rolle im gesamten Lebenszyklus spielt. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass fast 75 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines mobilen Geräts auf seine Herstellung zurückzuführen sind, wiederum die Hälfte davon auf die dafür genutzte Halbleiterfertigung.

Die Wissenschaftler vom Imec schätzen, dass der Anteil der Halbleiterfertigung an den Gesamtemissionen bis 2040 leicht auf drei Prozent ansteigen kann – Voraussetzung: Alle anderen Sektoren halten das Pariser Abkommen ein. Dieser Anstieg ist einerseits auf das beträchtliche Wachstum der Halbleiterindustrie zurückzuführen, aber auch der Tatsache geschuldet, dass jeder neue Technologieknoten mit einem höheren Energieverbrauch und einer komplexeren Verarbeitung verbunden ist. Wird nichts unternommen, um die Emissionen zu reduzieren, dann steigen allein die Gesamtemissionen der Halbleiterfertigung im Jahr 2040 auf 400 Megatonnen CO2-Äquivalente an.

Drei Handlungsbereiche wurden identifiziert

Aus der Sicht der Imec-Forscher müssen bei der Bewertung der Klimaauswirkungen der Halbleiterindustrie drei Bereiche betrachtet werden:

  • Prozessgase (Bereich 1): In sehr häufig genutzten Halbleiterprozessen wie dem Ätzen von Wafern und der Reinigung der Prozesskammern werden hochwirksame Treibhausgase eingesetzt. So hat beispielsweise NF3 (Stickstofftrifluorid) ein Treibhauspotenzial, das 17.000-mal höher liegt als das von CO2. Ein Teil dieser Gase wird in die Atmosphäre freigesetzt und trägt somit direkt zur globalen Erwärmung bei.
  • Energieverbrauch (Bereich 2): Der Betrieb von Fabs, mit seinen Hunderten von Maschinen und der aufwendigen Klima- und Feuchtigkeitskontrolle, erfordert viel Energie. Dementsprechend kann die Erzeugung des von der Industrie benötigten Stroms eine sehr wichtige Ursache für Kohlenstoffemissionen darstellen.
  • Materialverbrauch (Bereich 3): Die Anzahl und Menge der für die Halbleiterherstellung verwendeten Materialien nimmt mit jedem Technologieknotenpunkt zu – z. B. Si-Wafer, Precursor, Mineralien, Chemikalien. Die vorgelagerte Produktion dieser Materialien führt ebenfalls zu Treibhausgasemissionen, die in die Emissionen der Chip-Herstellung eingerechnet werden müssen.

Heute entfallen rund 80 Prozent der Emissionen in der Halbleiterfertigung, im Durchschnitt über 200- und 300-mm-Fabriken gerechnet, in die Bereiche 1 und 2.

Unternehmen setzen sich ehrgeizige Ziele

In dem Whitepaper vom Imec heißt es auch, dass die Probleme in der Halbleiterbranche bekannt sind, und dass in den letzten Jahren viele Maßnahmen ergriffen wurden, um diese Herausforderungen anzugehen. Darüber hinaus haben sich auch mehrere große Systemanbieter – der erste öffentliche Partner des SSTS-Programms war übrigens Apple – dazu verpflichtet, in ihrer gesamten Wertschöpfungskette Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Das wiederum führte dazu, dass auch große Foundries und IDMs entsprechende Pläne entwickelt haben, um die Treibhausgasemissionen in den kommenden zehn Jahren drastisch zu reduzieren und in dem Zeitraum zwischen 2030 und 2040 eine Kohlenstoffneutralität oder Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Mittlerweile sind neben Apple auch Partner wie Amazon, Microsoft, ASM, ASML, Kurita, Screen und Tokyo Electron Mitglieder des Programms.

SSTS-Programm

Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, bei dem die Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg eine wichtige Rolle spielt. Zum Beispiel durch die gemeinsame Nutzung von Emissionsdaten über den gesamten Produktionszyklus und die Lieferkette. Derzeit melden einige Unternehmen ihre Emissionen als einen Bruchteil ihres Umsatzes, andere auf der Grundlage ihrer Waferproduktion usw. Es bedarf einer größeren Einheitlichkeit bei der Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten und der Berichterstattung sowie einer zunehmenden Transparenz und Offenheit.

Im Rahmen des SSTS-Programms werden/wurden grundsätzlich drei verschiedene Ansätze verfolgt:

  • Der Aufbau einer virtuellen Fabrik zur Simulation einer hochvolumigen Halbleiterfertigung (auch für zukünftige Prozesstechnologien), um so die Prozesse zu identifizieren, die den höchsten CO2-Beitrag aufweisen.
  • Die Entwicklung realer Ansätze für den Fab-Floor, unter Einbeziehung von Equipment- und Materiallieferanten sowie IC-Herstellern, die alle zusammen in der Fab vom Imec zusammenarbeiten, um diese Beiträge zu minimieren.
  • Die Schaffung eines ökosystemweiten Entscheidungsfindungs-Frameworks und die Übermittlung der Ergebnisse und Erkenntnisse an Regierungsstellen und politische Entscheidungsträger, die auf Basis dieser dann Anreize für die Auswahl zukünftiger Technologien schaffen können, die eine weitere Dekarbonisierung ermöglichen.

  1. Das SSTS-Programm des Imec
  2. Softwareplattform als virtuelle Fab

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