Bernhard Erdl, Gründer und President von Puls, hebt noch einmal hervor, dass Wide-Band-Gap-Materialien in bestehenden Konzepten wenig brächten: »Um ihre Vorteile wirklich auszuschöpfen, muss man neue Konzepte entwickeln!« Beispiele, an die er dabei denkt, sind etwa Bridgeless PFCs. »Das ist zwar an sich nichts Neues«, so Erdl, »aber die Realisierung dieses Konzepts wird erst mit GaN richtig möglich.« In vielen Applikationen ließen sich zudem Silizium-IGBTs wirkungsvoll durch SiC-MOSFETs ersetzen. Und die viel beschriebenen Vorteile höherer Schaltungsfrequenzen auf die gesamte Komponentenauswahl eines Produkts erfährt dann einen wirklichen Hebel, wenn es mit SiC- und GaN-Leistungshalbleitern möglich wird, von den heutigen 100 kHz um den Faktor 100 auf über 10 MHz zu erhöhen, versichert Erdl.
Dass die von den Stromversorgungs-Spezialisten gewünschten Effekte eintreten, dafür haben sich die Chancen in den letzten Monaten und Jahren deutlich verbessert. Haben bis vor kurzem nur Cree/Wolfspeed, Rohm Semiconductor, Mitsubishi Electric und STMicroelectronics SiC-MOSFETs mit Sperrspannungen von 650 bis 1200 V auf dem Markt angeboten, wird sich die Zahl der Anbieter in den nächsten Monaten nach diversen Ankündigungen wohl verdoppeln. So hat Infineon Technologies, das bislang SiC-JFETs liefert, auf der diesjährigen PCIM bekannt gegeben, ab nächstem Jahr auch 1200-V-SiC-MOSFETs anzubieten. Wie Dr. Peter Friedrichs von Infineon versicherte, sei der Trench-Prozess für SiC nun fertig und die Bauteile würden ab 2017 dann in Serienstückzahlen zur Verfügung stehen. Für 2017/18 sei dann sogar mit einem 1700-V-SiC-MOSFET von Infineon Technologies zu rechnen.
Bereits kurz vor der PCIM 2016 hatte Toshiba Electronics einen planaren 1200-SiC-MOSFET angekündigt. Er soll einen RDS(on) von 69 mΩ und eine Stromtragfähigkeit von 47 A aufweisen. Anfang 2017 will auch Fairchild Semiconductor ins Geschäft mit 1200-V-SiC-MOSFETs einsteigen. So wie es aussieht, dürfte es sich dabei um einen Trench-Baustein handeln. Näheres dazu wird man wohl zur electronica 2016 Anfang November in München erfahren.
Am meisten dürfte auch Branchenkenner überrascht haben, dass auch Littelfuse angekündigt hat, 2017 mit SiC-MOSFETs sein Leistungshalbleiter-Geschäft ausbauen zu wollen. Zu diesem Zweck arbeitet das ursprünglich aus dem Sicherungsgeschäft stammende Unternehmen mit dem Start-up Monolith Semiconductor zusammen. Wie dessen President, Dr. Kevin Matocha, und Jan Highley, der CTO und General Manager Semiconductor Products bei Littelfuse, versichern, ist der Herstellungsprozess dieser SiC-MOSFETs „IP-Clean“. Läuft alles nach Plan, werden die Littelfuse/Monolith-SiC-MOSFETs demnächst von X-Fab auf einer 6-Zoll-Linie produziert.
Etwas unklar ist, welche Rolle Panasonic in Zukunft auf diesem Markt spielen will. Im Frühjahr war in Nürnberg bekannt geworden, dass Panasonic 1200-V-SiC-MOSFETs zur Marktreife entwickelt habe. Intern werden die Leistungshalbleiter als DioMOS-Bausteine bezeichnet. Offenbar wird inzwischen an einem 1700-V-SiC-MOSFET bei Panasonic gearbeitet. Mit TT Electronics ist zudem vor kurzem der erste Anbieter von SiC-MOSFETs auf den Markt gekommen, der seine Dies von einem Third-Party-Hersteller bezieht und sie dann, untergebracht in einem hermetisch dichten SMD-Keramikgehäuse, für harsche Einsatzbedingungen bis +225 °C anbietet. In diesem Fall handelt es sich um 650-V-SiC-MOSFETs.