In Operationssälen, auf Intensivstationen und in Arztpraxen treiben Medical PCs als Basisbausteine für Gesundheitsdaten die Digitalisierung voran. Welche Anforderungen muss ein Medical PC erfüllen und wie können maßgeschneiderte Displaysysteme mit kurzer Time to Market flexibel entwickelt werden?
Sie sind die stillen Helfer auf dem Weg in die personalisierte Medizin: Die speziell für den medizinischen Einsatz konzipierten Computer sind weit mehr als gewöhnliche Rechner in steriler Hülle. Die Medical PCs verarbeiten, analysieren und visualisieren Geräte- und Patientendaten; als digitale Schaltzentralen vernetzen sie Geräte, Daten und medizinisches Personal. Sie ermöglichen Echtzeitanalysen, unterstützen bei der Diagnose und optimieren Arbeitsabläufe. Im klinischen Alltag können Präzision und Schnelligkeit über Leben und Tod entscheiden, Medical PCs erweisen sich dabei als unverzichtbare Helfer.
Damit ein Computer im medizinischen Umfeld eingesetzt werden kann, müssen die Anbieter von Medical PCs einige Hürden überwinden. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Wahl des richtigen HMIs (Human Machine Interface), der Schnittstelle zwischen Mensch und Computer. Mittlerweile erfüllt auch die PCAP-Touch-Technologie (Projected Capacitive Touch), wie von Smartphones und Tablets bekannt, die hohen Anforderungen, die im Umgang mit Patienten und Geräten gefordert werden, indem sie Störsignale souverän unterdrückt und Fehleingaben verhindert. Dass das medizinische Computersystem nicht nur leistungsfähig, sondern sicher und zuverlässig ist sowie die aktuellen Betriebssysteme und Schnittstellen unterstützt, ist selbstverständlich. Damit liegt der Medical PC voll im Trend der Medizintechnik.
Sie sind das Rückgrat der medizinischen Infrastruktur. Eine Systemstörung oder ein Geräteausfall kann schwerwiegende Konsequenzen haben. Medizinische Systeme müssen daher mit hochwertigen Komponenten ausgestattet sein, die speziell für den Einsatz in der Medizin und den Dauerbetrieb entwickelt wurden sowie einer strengen Qualitätskontrolle unterliegen bzw. als Medizingerät alle Anforderungen an die Zertifizierung und das Inverkehrbringen nach den Richtlinien der MDR oder FDA entsprechen. Die hohen Anforderungen an die Robustheit und lange Verfügbarkeit betreffen alle Komponenten des Medical PC, auch z. B. angeschlossene Schläuche oder andere Komponenten. Die Notwendigkeit einer langen Verfügbarkeit aller Komponenten erklärt sich nicht nur durch die aufwendige Entwicklung und Zertifizierung, sondern auch den üblicherweise langfristigen klinischen Einsatz von zehn und mehr Jahren. Komponenten sollten 1:1 ausgetauscht werden können. Jedoch beginnt die Validierung mit jedem neuen applikationskritischen Bauteil von vorn bzw. wenn andere, als die bisherigen Komponenten eingebaut werden müssen, weil die ursprünglichen z. B. nicht mehr lieferbar sind.
Um sicherzustellen, dass ein in der Medizintechnik eingesetzter PC den besonderen Anforderungen des medizinischen Umfelds gerecht wird, muss eine Vielzahl von Normen und Zertifizierungen erfüllt sein. Zu den wichtigsten Normen gehört die ISO 13485, die Anforderungen an ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem für Hersteller von Medizinprodukten stellt. Diese Norm legt fest, dass alle Prozesse – von der Entwicklung über die Herstellung bis hin zur Wartung – unter strengen Qualitätskontrollen stehen müssen. Dies garantiert, dass die Produkte sicher, zuverlässig und für den medizinischen Einsatz geeignet sind.
Das Zusammenspiel einzelner Komponenten (inklusive Software) untereinander und auch in größeren Systemen der Einzelgeräte miteinander unterliegt der »funktionalen Sicherheit«. Davon handelt beispielsweise die IEC-60601-Norm, die die Sicherheitsanforderungen für medizinische elektrische Geräte definiert. Diese Norm stellt sicher, dass alle elektrischen Geräte in medizinischen Einrichtungen den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen. Ein PC, der in der Medizintechnik verwendet wird, muss so konstruiert sein, dass er keine Gefahr für Patienten oder das medizinische Personal darstellt, selbst wenn er in unmittelbarer Nähe zu empfindlichen Geräten oder in einem Umfeld mit hoher elektromagnetischer Strahlung betrieben wird.
Weitere wichtige Normen betreffen die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und die Biokompatibilität von Materialien. Der PC muss so gestaltet sein, dass er keine schädlichen elektromagnetischen Störungen verursacht, die andere medizinische Geräte beeinträchtigen könnten. Ebenso muss er robust gegenüber elektromagnetischen Feldern sein, die von anderen Geräten zu Behandlungszwecken abgegeben werden, etwa Röntgenstrahlung, die starken Magnetfelder eines MRT und die in der Elektrochirurgie entstehenden Störsignale, wie sie z. B. beim Schneiden von Haut und Gefäßen auftreten. Zudem dürfen die verwendeten Materialien keine schädlichen Wirkungen auf Patienten haben, etwa durch Hautkontakt oder Luftemissionen.
Ein Medical PC muss leicht zu reinigen sein und darf keine Spalten oder Kanten aufweisen, in denen sich Schmutz oder Keime ansammeln können. Er ist daher oft mit glatten, nahtlosen Gehäusen ausgestattet, die keine Lücken aufweisen und leicht abgewischt werden können. Als Touch-Technologie hat sich dabei PCAP etabliert, da die Glasoberfläche widerstandsfähig gegenüber allen üblichen Reinigungsmitteln ist, und die Technologie einen bündigen Einbau in die Frontplatte gestattet. Materialien wie Edelstahl oder spezielle antibakterielle Beschichtungen sind ebenfalls üblich, da sie die Ansammlung von Mikroorganismen hemmen. Meist wird auch ein lüfterloses Design verwendet, um zu vermeiden, dass sich Staub und Keime im Inneren des Geräts ansammeln. Dies reduziert ebenfalls das Infektionsrisiko und macht die Systeme leiser und weniger störend in sensiblen medizinischen Umgebungen.
Die zunehmende digitale Vernetzung erfordert zudem Systeme, die leistungsstark genug sind, um große Datenmengen schnell zu verarbeiten und diese sicher an andere Systeme oder in die Cloud zu übertragen. Auch das Thema Energieeffizienz ist wichtig, zum einen um die Betriebskosten zu senken, viel wichtiger aber, um die entstehende Abwärme in Grenzen zu halten und durch die meist luftdichten Gehäuse an die Umgebung abzugeben. Dies ist besonders wichtig in Bereichen, in denen viele Geräte gleichzeitig betrieben werden und die Raumtemperatur reguliert werden muss.
Der Schutz sensibler Patientendaten ist von größter Bedeutung. PCs in diesem Bereich müssen daher mit umfassenden Sicherheitsfunktionen für Hard- und Software ausgestattet sein, um sicherzustellen, dass alle gespeicherten und verarbeiteten Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt sind.
Der Distributor und Entwicklungsdienstleister Hy-Line hat mit seinem Medical-PC-System eine Komponente entwickelt, die die grundlegenden medizinischen Anforderungen erfüllt und gleichzeitig flexibel genug ist, um an spezifische Bedürfnisse von Medizintechnik-OEMs und -Zulieferern angepasst zu werden. Bild 1 zeigt schematisch, aus welchen Komponenten sich die Medical-PC-Lösung zusammensetzt.
Die Glas-Touch-Front mit beleuchteten, kapazitiven Tasten ist optimiert für die erhöhten Hygieneanforderungen. So lässt sich die bündige Glasoberfläche sehr gut reinigen. Vom Glas bis zu den LED-Tasten ist alles individuell anpassbar.
Das hochauflösende Display wird immer genau abgestimmt auf die jeweilige Anwendung, etwa als OP-Display, und die spezifischen Anforderungen an hohen Kontrast, Helligkeit sowie einen weiten Blickwinkel für hohen Sehkomfort. Die Komponente ist variabel mit und ohne Optical Bonding erhältlich. Ein individuell steuerbares LED-Modul mit einer homogen ausgeleuchteten Fläche ist von der Größe bis zur Farbe individuell anpassbar.
Das Embedded Board wird als Standard oder kundenspezifisch angeboten, mit oder ohne KI-Modulen und auch die Schnittstellen sind frei wählbar, abhängig von der jeweiligen Anwendung. Als Prozessoren stehen X86 oder Arm zur Auswahl.
Das Netzteil ist ebenfalls für medizinische Anwendungen zugelassen. Als Stromversorgung kann zwischen AC/DC oder DC/DC von 60 bis 500 Watt gewählt werden. Für tragbare medizinische Geräte enthält der Medical PC zudem das eigenentwickelte Hy-Di Smart-Battery-System, das nach Formfaktor und Kapazität flexibel anpassbar ist und die höchsten Ansprüche für medizinische Anwendungen erfüllt. Ein smartes Batteriemanagement dient der Remote-Überprüfung des Batteriestatus.
Die Kommunikationsmodule sind ausgelegt auf alle Funkstandards: RFID oder NFC zur Authentifizierung, GPS oder UWB zur Lokalisierung und zur Wireless-Nutzung stehen WLAN, Bluetooth oder LTE/5G für die Datenübertragung zur Wahl.
Für das Gehäuse werden Kunststoff, Aluminium und Edelstahl verwendet. Das kann individuell auf die Anforderungen des medizinischen Einsatzgebietes angepasst werden (Bild 2).
Big is beautiful. Wie überall geht auch in der Medizintechnik der Trend zu größeren Displays. Dabei wird zwischen Displays unterschieden, die lediglich Patientendaten visualisieren müssen und solchen, deren Darstellung für die Befundung von Untersuchungen, etwa Röntgen und Ultraschall verwendet werden. Gerade bei letzteren kann die Wiedergabe nicht detailliert genug sein. Der bisherige Standard von 21,5“ mit Full-HD-Auflösung ist mittlerweile überholt, Neuentwicklungen setzen die Diagonale 32“ mit 4k-Auflösung ein. Auch bei der Farbtiefe steigern sich Displays zur Befundung und stellen Milliarden verschiedener Farbtöne dar. Darüber hinaus werden zunehmend auch in der Medizintechnik ergonomische und benutzerfreundliche User Interfaces (GUI) gewünscht, weil sie Arbeitsabläufe klarer strukturieren und damit für den Anwender einfacher erfassbar machen.
Die bequeme Sprachsteuerung wird auch für Medizingeräte und Displays zunehmend wichtiger. Nicht Siri oder Alexa, sondern eine zuverlässige, lokale Sprachsteuerung – die Datensicherheit ist entscheidend. Daten, insbesondere personenbezogene Daten, sollten nicht unkontrolliert in ungeschützte Systeme gelangen. Hy-Line bietet eine lokal laufende und damit sichere Sprachsteuerung an, die im medizinischen sowie industriellen Kontext ihre Anwendung findet. Sie funktioniert auch da, wo ein Netz nur schwach oder gar nicht vorhanden ist.
Ein weiterer Trend sind PCAP-Displays, deren Robustheit sich so gut weiterentwickelt hat, dass sie mittlerweile auch im kritischen, medizinischen Umfeld eingesetzt werden können. Eine cleane, klare Frontplatte, die leicht zu reinigen ist, und eine homogene Oberfläche ohne Aufsatz sind wichtige Aspekte für den Vormarsch der PCAP-Touch-Technologie. Zudem ist die Benutzerfreundlichkeit unschlagbar. So verdrängt PCAP mehr und mehr den resistiven Touch, Infrarotlösungen oder Systeme, die keine homogene, frei gestaltbare Oberfläche ermöglichen. Als Technologiepartner von EETI, einem wichtigen Hersteller von Controllern, dem Herzstück der PCAP-Technologie, ist Hy-Line sehr erfahren mit PCAP.
Die Unempfindlichkeit des Touchcontrollers gegenüber Störsignalen ermöglichte erst den Einsatz im medizinischen Bereich, wo in unmittelbarer Umgebung meist viele elektrische Geräte mit abstrahlenden Signalen vorhanden sind, die sich dann gegenseitig beeinflussen und im Fall des Touchsensors ein zufriedenstellendes Ergebnis lange verhindert haben. Weiterentwickelte, gegenüber Störstrahlung unempfindlichere Touchcontroller ermöglichen nunmehr mit gesteigerter Rechenleistung und angepassten Algorithmen, dass ein PCAP-Touchscreen ohne Einbußen an Sicherheit oder Komfort auch in OP-Sälen und anderen medizinischen Umfeldern verwendet werden kann.
Die Entwicklung von Medizingeräten ist nicht zu vergleichen mit dem Consumer-Markt, wo schnell mal der nächste »Prototyp« auf den Markt geworfen wird. Für Medizinprodukte steht absolute Zuverlässigkeit im Vordergrund. Technologien, die zwar heute schon verfügbar sind, aber nicht einhundertprozentig kontrollierbar sind, eignen sich nicht für Medtech-Entwicklungen. Ähnlich wie in der Automobilindustrie und Luftfahrt stehen insbesondere Medizingerätehersteller und deren Komponenten- und Entwicklungspartner in der Pflicht, Technologien so weiterzuentwickeln, dass diese als zuverlässig und kontrollierbar gelten. Diese etwas andere Definition von Hightech braucht viel Forschung und Zeit.
Einen Computer für den Einsatz als Recheneinheit in der Medizintechnik muss eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen, die weit über die Anforderungen eines typischen Büro-PCs hinausgehen. Von der Einhaltung strenger Normen und Zertifizierungen über hygienische und robuste Konstruktionen bis hin zu höchsten Anforderungen an die Datensicherheit und -schutz – die Liste der Anforderungen ist lang und komplex.
usätzlich zur Hardware spielt auch die Software eine entscheidende Rolle. Medizinische PCs müssen nicht nur leistungsfähig, sondern auch flexibel und erweiterbar sein, um sich beispielsweise an neue Anforderungen oder Technologien wie KI-Integration anzupassen.
Letztendlich ist die Investition in spezialisierte Medical PCs eine Investition in die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Effizienz der medizinischen Versorgung. In einem Bereich, in dem Präzision und Verlässlichkeit von entscheidender Bedeutung sind, ist es unerlässlich, dass die verwendete Infrastruktur inklusive aller eingesetzten Medizingeräte den höchsten Standards einer modernen Patientenversorgung entspricht. (uh)