Die Digitalisierung des Gesundheitswesens fusst zu großen Teilen auf dem Internet der Medizinischen Dinge. Doch wie funktioniert das IoMT auf der technischen Ebene und auf welche Kriterien müssen MedTech-Entwickler bei den Elektronik-Komponenten achten?
Das »Internet der medizinischen Dinge« (IoMT) sammelt und analysiert Daten von verbundenen medizinischen Geräten, Ausrüstungen und Einrichtungen. Diese Daten werden genutzt, um neue Erkenntnisse über den Zustand von Patienten zu gewinnen. Zu den möglichen IoMT-Anwendungen gehört das direkte Management des Zustands von Patienten durch Messung von beispielsweise Herztätigkeit, Blutdruck und Schlaf. Das IoMT kann aber nicht nur das Leben der Patienten direkt verbessern, sondern auch Ärzten und Krankenhäusern helfen, effizienter zu arbeiten und bessere Behandlungsresultate zu erzielen. Es soll dazu beitragen, die Heilung zu beschleunigen sowie gesunde Lebensführung zu unterstützen, den Mangel an medizinischem Personal zu verringern und die Qualität der Versorgung in Medizin und Pflege zu verbessern.
Für die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet die IoMT-Vernetzung von Medizingeräten und deren Datenaustausch zwischen Patienten, Kliniken und Praxen sowie Krankenkassen und weiteren Akteuren das aktuell größte Potenzial – sowohl für die Effizienz wie auch eine ganzheitliche Diagnostik. Laut dem »Global Digital Health Market«-Forecast soll das weltweite IoMT-Geschäft auf 341,17 Mrd. US-$ im Jahr 2028 ansteigen - als größte Treiber gelten neueste Sensorik, Konnektivität, Künstliche Intelligenz und die Verschmelzung von Medizin- und Consumer-Technik.
Ein IoMT-Dienst setzt sich aus Hardware, Anwendungen und Netzwerken zusammen (Bild 1).
Zu den Hauptkomponenten zählen:
Smartphones sind eine gute Basis für IoMT-Dienste auf Patientenebene. Fast jeder Mensch verfügt über eines und sie lassen sich über Wi-Fi und Bluetooth leicht mit IoMT-Geräten wie medizinischen Wearables verbinden und können auch über öffentliche 4G-/LTE- oder 5G-Netze mit der Cloud verbunden werden. Durch ihre Fähigkeit, Apps und DiGAs auszuführen, können Smartphones verschiedene IoMT-Funktionen unterstützen.
Vom IoMT-Gerät werden die Messdaten über Wi-Fi oder Bluetooth an Smartphones oder Gateways gesendet. Einige IoMT-Geräte verfügen über integrierte SIM-Karten und lassen sich direkt mit öffentlichen Netzen verbinden. Die erfassten Daten wie Atemfrequenz, Körpertemperatur, Pulsfrequenz und Blutdruck sind grundlegende Informationen, die als Vitalzeichen bezeichnet werden, zu denen manchmal auch die Sauerstoffsättigung des Blutes (SpO2) inbegriffen.
Einer der großen Vorteile der Erfassung biometrischer Daten durch externe Gesundheitsgeräte besteht darin, dass sie minimalinvasiv ist und keine Blutentnahme oder Implantate im Körper erfordert - doch auch invasive Medizingeräte wie aktive Implantate können an das IoMT und Smartphones angebunden werden. Eine grundlegende Technologie für klassische Wearables ist die Photoplethysmographie (PPG), die Veränderungen des Blutgefäßvolumens optisch erfasst. Eine LED auf der Rückseite einer Smartwatch sendet Licht (hauptsächlich grünes) an die Blutgefäße im Handgelenk, wobei das reflektierte Licht von einem Fotodetektor empfangen wird. Die Smartwatch nutzt die Signalverarbeitung, um regelmäßige Schwankungen aus den verschiedenen Rauschkomponenten zu extrahieren und die Pulsfrequenz zu ermitteln. Wenn grüne und rote LEDs zusammen verwendet werden, lässt sich die transkutane arterielle Blutsauerstoffsättigung (SpO2) aus dem Grad der Hämoglobinbindung abschätzen.
Die Atemfrequenz kann anhand der Pulsfrequenz geschätzt werden, indem die körpereigene Atmungs-Sinusarrhythmie verwendet wird, bei der die Pulsfrequenz beim Einatmen leicht ansteigt und beim Ausatmen leicht abfällt. Der Blutdruck wird anhand des Blutflusses basiert auf dem Pulsfrequenz geschätzt. Darüber hinaus wird der Schlafstatus anhand der vom Beschleunigungsmesser der Smartwatch erfassten Körperbewegungen ermittelt.
Es gibt viele Herausforderungen bei der Umsetzung erfolgreicher IoMT-Anwendungen, vor allem im Zusammenhang mit Diensten, Hardware und Kommunikation.
Bei den Diensten ist das Verwalten der Messgenauigkeit erfasster physischer Daten und das Gewährleisten von Sicherheit der in der Cloud zusammengefassten/aggregierten personenbezogenen Daten wichtig. Weitere Herausforderungen sind die Einhaltung nationaler und regionaler Vorschriften rund um die Funkkommunikation sowie das Erlangen einer Zertifizierung.
IoMT-Geräte können sich per Funk mit Smartphones und IoT-Gateways verbinden. Das Aufrechterhalten dieser Kommunikationsverbindung ist entscheidend, wenn genaue medizinische Daten erfasst werden sollen. Geräte wie Smartwatches und Smart-Sportschuhe nutzen Bluetooth für die einfache Kopplung mit Smartphones und anderen medizinischen oder medizinnahen Geräten sowie für einen geringen Stromverbrauch. Im 2,4-GHz-Frequenzband ist Bluetooth als lizenzfreier Funksender mit geringer Leistung zugewiesen. Wi-Fi (IEEE 802.11x) wird für IoMT-Geräte an stationären Standorten eingesetzt, z. B. für intelligente Waagen, smarte Betten und andere Sensoren sowie für Überwachungskameras.
Bei der Hardware sind die Verkleinerung der IoMT Geräte eine der wichtigsten Herausforderungen für IoMT-Geräte. So muss eine Smartwatch, die ähnlich groß ist wie eine normale Armbanduhr, eine Batterie, eine Ladeschaltung, einen Mikrocontroller, eine Kommunikationsfunktion, ein Display und andere Komponenten sowie verschiedene Sensoren enthalten. Die begrenzte Batterieleistung erfordert außerdem ein Design mit geringem Stromverbrauch.
Weitere wichtige Komponenten sind ein analoges Frontend zur Verstärkung schwacher elektrischer Signale, die von Fotodetektoren und Beschleunigungsmessern ausgegeben werden, sowie ein Filter, die benötigte Informationen von Rauschkomponenten zu trennen.
Die Kommerzialisierung von IoMT-Geräten erfordert die Einhaltung verschiedener Teststandards für hochfrequentes (HF-)Rauschen. Mit einem Emissionstest wird überprüft, ob das hochfrequenz elektromagnetische Feldrauschen des IoMT-Geräts andere Geräte nicht beeinträchtigt. Ein zusätzlicher Störfestigkeitstest stellt sicher, dass das IoMT-Gerät selbst nicht durch solches Rauschen beeinträchtigt wird. Elektromagnetisches Feldrauschen, das von der Gesamtelektronik ausgeht, kann die schwachen Signale der eingebauten Sensoren stören und verzerren und Wi-Fi- und Bluetooth-Kommunikationsfehler verursachen.
Eine typische Quelle für elektromagnetisches Rauschen in IoMT-Geräten sind Schaltnetzteile (DC/DC-Wandler), die Oberwellenrauschen erzeugen. Taktgeber für Mikrocontroller und Speicher sind ebenfalls Rauschquellen.
Zu den Gegenmaßnahmen gehören die physische Trennung elektronischer Schaltkreise und Antennen, das Hinzufügen von EMI-Filtern, die Konfiguration von Platinenlayouts und -ebenen sowie der Einsatz physischer Abschirmungen.
Anwendbare Tests für IoMT-Consumer-Geräte sind CISPR 32 Klasse B gemäß der Definition des International Special Committee on Radio Interference (CISPR) für Emissionsprüfungen und CISPR 35 für Störfestigkeitsprüfungen. Darüber hinaus müssen IoMT-Geräte mit Wi-Fi und Bluetooth den jeweiligen nationalen Gesetzen zur Regulierung der Funkspektren entsprechen.
Maßnahmen zur Cybersicherheit sind eine weitere Herausforderung. Im März 2023 hat die US-Bundesbehörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (FDA) neue Richtlinien für Hersteller medizintechnischer Geräte herausgegeben. Auch in Europa umfasst die MDR vergleichbare Regularien. Bei der Entwicklung neuer Geräte empfehlen oder fordern die Richtlinien nun Designs, die Cybersicherheit berücksichtigen, eine SBOM (Software Bill of Materials) bereitstellen und deren Schwachstellen sich bewerten lassen. Außerdem wird erwartet, dass Sicherheitsupdates während der gesamten Produktlebensdauer rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, während bei nicht konformen Produkten mit dem Verlust der Marktzulassung zu rechnen ist.
Ein weiteres Thema ist die Einhaltung der Gesetze zum Datenschutz. Von IoMT-Geräten gesammelte und von Cloud- oder mobilen Anwendungen analysierte Daten, die Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen, werden als personenbezogene Daten eingestuft und erfordern einen besonderen Schutz.
Gesundheitspflege und Medizin konvergieren im IoMT-Markt, wo in Zukunft ein erhebliches Wachstum erwartet wird. IoMT-Dienste werden dazu beitragen, die Lebenserwartung zu verlängern, die Lebensqualität zu verbessern und die Menschen zu ermutigen, so lange wie möglich aktiv zu bleiben. Mit einer länger arbeitenden, gesünderen Bevölkerung und geringeren Sozialversicherungskosten ließe sich die finanzielle Belastung für die Steuerzahler erheblich verringern.
Es wird erwartet, dass die Telemedizin unter Verwendung von IoMT über einzelne Anwendungen hinaus bald Realität wird und vielen Menschen, auch in abgelegenen Gebieten, medizinische Dienste bietet. Entwickler müssen daher fortschrittliche IoMT-Dienste in ihren medizinischen Geräten bereitstellen, um diesen Erwartungen und den Anforderungen einer digitalen Gesundheitswirtschaft Rechnung zu tragen. (uh)