C-V2X-Kommunikation macht den Straßenverkehr sicherer und Autofahren effizienter. Pavol Polacek, Field Application Engineer bei Anritsu, erklärt, wie Autofahrer und Fußgänger gleichermaßen davon profitieren und welche Herausforderungen beim Testen bestehen.
Was ist C-V2X und wie passt es zu anderen Technologien, die Fahrzeuge zur Funkkommunikation nutzen?
Pavol Polacek: Cellular-V2X, also mobilfunkbasiertes V2X, erleichtert die Kommunikation zwischen einem Fahrzeug und seiner Umgebung für bestimmte Anwendungen. Ein Fahrzeug mit C-V2X kann direkt mit anderen Fahrzeugen (V2V), mit der Infrastruktur (V2I) und mit Fußgängern (V2P) kommunizieren. Ebenso kann es über bestehende Mobilfunknetze mit Fahrzeugen (V2N), der Infrastruktur (I2N) und Fußgängern (P2N) kommunizieren.
Die Direktmodus-Kommunikation, sei es LTE-V2X oder 5G-V2X, wurde von Grund auf neu entwickelt, um diese Anwendungen zu unterstützen. C-V2X wurde speziell für einen effizienten Nachrichtenaustausch mit geringer Latenz und hohem Datendurchsatz in der unmittelbaren Umgebung eines Fahrzeugs entwickelt, ohne dass eine Netzwerkinfrastruktur erforderlich ist. Die Robustheit ist in die physikalische Schicht (PHY) integriert, beispielsweise durch eine höhere Dichte an Referenzsignalen, robuste Modulations- und Codierungsschemata und Kanalcodierung.
Einige Anwendungen im Fahrzeugbereich, wie Gefahrenwarnungen oder hochauflösende Kartenaktualisierungen, lassen sich besser über netzwerkbasierte Kommunikation abwickeln. Das Netzwerk ermöglicht es, Informationen aus größerer Entfernung mit höherer Kapazität, aber möglicherweise längerer Latenzzeit zu erhalten. Dies ist durch seine Abdeckung, Reichweite und sein flexibles Design möglich.
Im engeren Sinne kann C-V2X verwendet werden, um den Direktmodus – im weiteren Sinne, um die gesamte Fahrzeugkommunikation zu bezeichnen, die auch auf Mobilfunktechnik basiert.
Für welche Anwendungen wurde C-V2X entwickelt?
Die ersten Anwendungen konzentrieren sich auf verbesserte Sicherheit und Effizienz, indem das Bewusstsein eines Fahrzeugs für seine Umgebung verbessert wird. Dabei werden Informationen über seinen Status über die LTE-V2X-Sidelink-Schnittstelle (LTE SL) übertragen. Ein verbessertes Bewusstsein trägt dazu bei, die Unfallzahlen und daraus resultierenden Verletzungen zu reduzieren. Warnungen vor Kollisionen an Kreuzungen, vor Gefahren auf der Straße und vor Einsatzfahrzeugen sind nur einige Beispiele.
Fortgeschrittenere Anwendungen gehen über die grundlegende Sicherheit und Effizienz hinaus, indem sie auch Sensorinformationen teilen. Dies erfordert einen höheren Datendurchsatz und eine gezieltere Kommunikation, die durch den 5G NR Sidelink (NR SL) mittels Hinzufügen von Unicast und Multicast bereitgestellt wird. Dies bringt eine höhere Verlässlichkeit der bereitgestellten Informationen mit sich und erleichtert die Koordination. Beispiele sind eine verbesserte kooperative adaptive Geschwindigkeitsregelung oder der Schutz gefährdeter Verkehrsteilnehmer.
Schließlich wird echtes kooperatives Fahren durch die gemeinsame Nutzung von Routen und Absichten ermöglicht. Dies reduziert Risiken erheblich, da zuvor abgeleitete Absichten explizit zwischen den Fahrzeugen ausgetauscht werden. Um das dafür erforderliche Vertrauen in die gemeinsam genutzten Informationen zu schaffen, ist ein robustes Sicherheits-Framework erforderlich. Beispiele sind hier das kooperative Einfädeln in Fahrspuren und dynamisches Kreuzungsmanagement.
Was sind die entscheidenden Vorteile von C-V2X?
Die Umgebung eines fahrenden Fahrzeugs verändert sich ständig, oft mit einer hohen Dichte an Verkehrsteilnehmern, die sich um das Fahrzeug herum bewegen. Die verfügbaren Sensoren, ob elektronisch oder das eigene Seh- und Hörvermögen des Fahrers, haben eine begrenzte Reichweite und können nicht um Ecken oder hinter Hindernisse sehen. Selbst wenn Sensorinformationen verfügbar und genau sind, kann die Verarbeitung, Entscheidung und Umsetzung dieser Informationen viel Zeit in Anspruch nehmen. Unter solchen Bedingungen kann das Bild der Fahrzeugumgebung unvollständig oder verzögert sein, was zu unvorhersehbaren und riskanten Situationen führt.
C-V2X kann die Lücken schließen und Updates über den Status der Fahrzeugumgebung bereitstellen. Die rechtzeitige Bereitstellung solcher Informationen ist entscheidend, da Statusaktualisierungen rechtzeitig vorliegen müssen, um nützlich zu sein. Durch die Verschmelzung der über C-V2X ausgetauschten Informationen mit lokalen Sensorinformationen kann ein vollständigeres Bild erstellt werden, was die Sicherheit aller Beteiligten erhöht.
C-V2X wird künftig nicht nur Informationen über den aktuellen Status, sondern auch zukünftige Absichten und geplante Manöver liefern. Es ist daher eine Voraussetzung für kooperatives autonomes Fahren.
Welche Standards sind für C-V2X relevant, und welchen Einfluss haben sie auf die Entwicklung von Testplattformen?
Für die direkte Kommunikation hat die 3GPP-Gruppe der Normungsorganisationen die LTE-SL-Schnittstelle (Release 14) standardisiert, gefolgt von weiteren Verbesserungen in der Release 15. LTE SL bietet eine Übertragungsfunktion, die Kommunikation bei hoher Geschwindigkeit und Fahrzeugdichte mit geringer Latenz und hohem Durchsatz unterstützt.
Weitere Verbesserungen wurden mit der Release 16 eingeführt – mit NR SL. Es erleichtert die Übertragung, unterscheidet sich jedoch von LTE SL durch seine Unicast- und Multicast-Funktionen, wodurch die Kommunikation zielgerichteter wird. Es bietet einen höheren Durchsatz, eine sehr niedrige Latenz und hohe Zuverlässigkeit. Mit Version 17 wurden Verbesserungen für Verkehrsteilnehmer hinzugefügt.
Die netzwerkbasierte Kommunikation seit der Release 8 bis zu den neuesten Releases 17 und 18 kann neben der Verwendung für Unterhaltungszwecke auch zur Datenanbindung von Fahrzeugen für Gefahrenwarnungen, Kartenaktualisierungen usw. verwendet werden.
Bei einer so großen Technik- und Anwendungsbandbreite können Tests nicht durchgeführt werden, indem man sich auf einzelne Aspekte des Systems konzentriert. Das Systemverhalten muss ganzheitlich getestet werden, wobei aber die Möglichkeit bestehen bleiben muss, sich auf einzelne Komponenten zu konzentrieren, sobald Probleme auftauchen. Daher muss die Übertragung von C-V2X-Nachrichten unter verschiedenen Bedingungen simuliert und das daraus resultierende Verhalten getestet werden.
Über welche besonderen Fähigkeiten müssen C-V2X-Testsysteme verfügen?
Das Hauptproblem bei C-V2X ist die Vielzahl von Anwendungen, die verschiedene Szenarien abdecken, also unterschiedliche Straßenführungen, Anzahl und Zustand von Fahrzeugen, Verkehrsteilnehmern und die Kommunikationstechnik. Diese große Bandbreite von Verkehrsszenarien muss getestet werden, um die Robustheit und korrekte Funktionsweise von C-V2X zu gewährleisten. Ein Testsystem muss daher in der Lage sein, das getestete Gerät mit all diesen Szenarien zu konfrontieren und sein Verhalten zu beobachten.
Straßenlayouts können sehr unterschiedlich sein – so gibt es Kreuzungen in verschiedenen Größen und Formen, die beeinflussen, wie das Fahrzeug reagieren sollte, um die Sicherheit und Effizienz zu verbessern. Auch die Anzahl und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer sind wichtig. Ansätze, die mit einer geringen Anzahl anderer Fahrzeuge in der Umgebung funktionieren, sind möglicherweise nicht für eine stärker überlastete Situation geeignet. Alle relevanten Alternativen müssen ausprobiert und getestet werden.
Wie erwähnt, erhöhen die möglichen Kommunikationstechniken die Zahl der möglichen Informationsquellen, die in die Entscheidungsfindung einbezogen werden müssen. Hinzu kommt, dass die Straßenverkehrsordnung bzw. die Verkehrsregeln von Region zu Region unterschiedlich sind, was sich auf die Lösung einer bestimmten Anwendung auswirken kann.
Wie diese Aspekte nahelegen, kann die Zahl der Kombinationen exponentiell ansteigen, und das Testsystem muss in der Lage sein, damit umzugehen.
Wie muss ein Testsystem also aufgebaut sein?
Das Testsystem stellt dem zu testenden Gerät (DUT; Device Under Test) verschiedene Eingaben zur Verfügung und testet den Empfang und die Übertragung von Nachrichten, deren Interpretation/Analyse und das Auslösen von Aktionen. Auf dieser Grundlage kann es die Wahrnehmung des DUT und die Reaktionen auf eine bestimmte Situation bewerten.
Die beiden Hauptkomponenten sind die Umgebungssimulation, die dann in der Lage ist, das DUT über die verfügbaren Kommunikationsschnittstellen mit den relevanten Informationen zu versorgen. Dies wird durch die Echtzeitsimulation von dSpace erreicht, die die Integration von Verkehrsumgebung, Infrastruktursignalen und Fahrzeugdynamik simuliert. Aurelion wird für die realistische Sensorsimulation und -visualisierung verwendet. Zudem werden die Kommunikationshardware (direkt als auch netzwerkbasiert) und der GNSS-Simulator durch die Echtzeitsimulation von dSpace gesteuert. Sie integriert Kommunikationsfunktionen, sodass die gewünschten Nachrichten und Positionen an das DUT gesendet werden können.
Wie lässt sich das realisieren, wenn die Testsysteme komplex werden und viele Variablen berücksichtigt werden müssen?
Testszenarien können komplex sein und viele Variablen berücksichtigen, vom Straßenverlauf bis zur Kommunikationsumgebung. Entwickler müssen über eine einheitliche und einfache Schnittstelle eine flexible Kontrolle über alle verschiedenen Komponenten haben.
Die Integration des 5G-Netzwerksimulators MT8000A von Anritsu in die dSpace-Echtzeitsimulation bietet eine einheitliche Schnittstelle für die Ausführung komplexer simulierter Szenarien. Die Einrichtungszeit lässt sich verkürzen, was den Vorbereitungsaufwand minimiert. Die Testlösung ist automatisiert und ermöglicht wiederholbare und zuverlässige Ergebnisse. Die Lösung bietet eine Umgebung für digitale Zwillinge (Digital Twin) für reale oder künstliche Szenarien, sodass Tests virtuell beginnen können, wenn Funktionen im realen Fahrzeug noch nicht verfügbar sind.
Betrachten wir als Testszenario die Sensorfusion. Bei gleichem Straßennetz können Anzahl und Art der Fahrzeuge oder Sensoren variiert werden. Für jede Variante können wir die Verkehrsregeln basierend auf verschiedenen geografischen Standorten ändern. Auch die Art der Kommunikation lässt sich variieren – von der reinen direkten C-V2X-Kommunikation bis hin zum reinen Netzwerkmodus oder einer Kombination aus beiden. All dies lässt sich leicht bewerkstelligen, da der Testaufbau einen Großteil der zugrunde liegenden Komplexität bewältigt. Dem Nutzer stehen dabei eine benutzerfreundliche Oberfläche und leicht auszuwertende Ergebnisse bereit.
Wie lässt sich die Erprobung von C-V2X beschleunigen?
Wir haben festgestellt, dass die erfolgreiche Integration von C-V2X in Fahrzeuge ein vielschichtiges Problem darstellt, bei dem die technischen Aspekte der Kommunikation nur ein Aspekt sind. Die Art und Weise, wie C-V2X-Nachrichten verarbeitet und die darin enthaltenen Daten in verwertbare Informationen umgewandelt werden, erfordert viele zusätzliche Tests. Um all diese Ebenen abzudecken, muss der Testaufbau auch zusätzliche Funktionen bieten. Zum Glück gibt es Experten und Testlösungen für solche Tests.
Im Fall der Zusammenarbeit zwischen Anritsu und dSpace sehen wir aus erster Hand das umfassende Know-how in den jeweiligen Fachgebieten der beiden Unternehmen. Die sensorrealistische Simulation der digitalen Zwillinge und die Simulation der Kommunikationstechnik sind an sich schon komplex, aber durch die gemeinsame Integration dieser Testwerkzeuge erhalten Kunden eine einzige Lösung, die den Testaufwand reduziert.
So ließ sich der Testaufbau des digitalen C-V2X-Zwillings leicht anpassen, um das Testen von Funktionen zum Schutz von Verkehrsteilnehmern zu unterstützen. Diese Funktionen werden derzeit in der Automobilindustrie aktiv entwickelt. Eine reale Teststrecke wurde virtuell nachgebildet, wobei verschiedene V2X-Daten von Kommunikationsgeräten (Smartphones von Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern und Fußgängern) generiert und Sensorinformationen von Kameras an Kreuzungen an das DUT übertragen wurden. Das DUT zeigt dann auf der Fahrzeugseite Schutzinformationen für Verkehrsteilnehmer an – über 5G-Kommunikation mithilfe eines 5G-Basisstationssimulators oder des C-V2X-Modems von Anritsu.
Wie wird C-V2X die Erfahrung von Verkehrsteilnehmern und Fußgängern in den kommenden Jahren verändern?
Die erste breitere Einführung von C-V2X mit grundlegender Statusfreigabe wird die Verkehrssicherheit verbessern, die Zahl der Unfälle verringern und den reibungslosen Ablauf von Fahrten verbessern. Dies wird durch ein verbessertes Situationsbewusstseins anhand von Benachrichtigungen und Warnungen möglich.
Durch einen fortschrittlicheren und gezielteren Informationsaustausch wird ein grundlegendes kooperatives Verhalten unterstützt. Wir können davon ausgehen, dass die empfangenen Informationen eine Steuerungsaktion des Fahrzeugs auslösen werden, zum Beispiel eine kooperative adaptive Geschwindigkeitsregelung.
Schließlich wird der Austausch von Status- und Sensorinformationen sowie die Weitergabe zukünftiger Fahrtrouten und Absichten die Zusammenarbeit zwischen C-V2X-fähigen Fahrzeugen ermöglichen. Dies wird anspruchsvollere Anwendungen wie das kooperative Einfädeln ermöglichen.
Dies waren hauptsächlich Anwendungsbeispiele rund um die Fahrzeuge. Aber auch der Informationsaustausch mit der Infrastruktur und anderen Verkehrsteilnehmern wird sich erheblich ausweiten. C-V2X-Fahrzeuge in Smart Cities werden Verkehrsflüsse und das Überqueren von Kreuzungen viel effizienter als bisher machen, während die Berücksichtigung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zur Routine wird.
Pavol Polacek
ist Wireless-Spezialist bei Anritsu, wo er für die Unterstützung von Kunden bei der Nutzung und Automatisierung von Anritsu-Test- und Messgeräten sowie für die Entwicklung kundenspezifischer Lösungen und Proofs of Concept verantwortlich ist.
Er erhielt 2009 seinen Master of Science an der Slowakischen Technischen Universität in Bratislava und promovierte 2016 an der National Central University Taiwan (R.O.C.), beide Male im Fachbereich Kommunikationstechnik. Während seines Studiums konzentrierte er sich auf Multimedia, QoS und Scheduling in Mobilfunknetzen.
Polacek begann seine berufliche Laufbahn 2013 bei Anritsu als Protocol Conformance Support Engineer für 2G-, 3G- und 4G-Mobilfunkstandards sowie IMS. In den letzten Jahren wechselte er in die Rolle eines Wireless Specialist, wo er sich mit einer Vielzahl von Technologien von Wi-Fi bis 5G und Automobilkonnektivität befasste. Er entwickelte Automatisierungslösungen für VNAs, Produktionstester und Sub-6-5G-OTA-Antennenmessungen und arbeitete an der Einrichtung von 4G/5G-HIL-V2Cloud-Anwendungstests für die Automobilindustrie und der Demo einer LTE-V2X-Testlösung mit.