Einigkeit herrscht unter den befragten Einkäufern namhafter Unternehmen darüber, dass sich die Liefersituation gegenüber dem Vorjahr im Allgemeinen verbessert hat. Wobei verbessert relativ zu verstehen ist, wenn man etwa die über 124 Wochen Lieferzeit für Micro-MELFs aus dem Vorjahr mit den aktuellen, „kalkulierbaren“ 36 Wochen vergleicht, wie das Marco Wiegand, Strategischer Einkauf Elektromechanik bei Jumo, etwa tut.
»Die Lieferzeiten sind bei einigen Herstellern auf 30 bis 40 Wochen runtergegangen«, bestätigt auch Stefan Hansmann, Leiter Strategischer Einkauf bei Stiebel-Eltron. »Allerdings gibt es weiterhin bestimmte Typen, die eine Lieferzeit von über 50 Wochen aufweisen. Neben C-Chips in den üblichen Kapazitäten von 100 nF, 10 nF oder 10 µF gilt das im Allgemeinen für MELF-Widerstände.«
Für Daniel Osterburg, Senior Manager Strategic Purchasing bei ebm papst, hat sich vor allem »in den letzten Monaten die Situation in Bezug auf die Verfügbarkeit und Preise entspannt. Die Versorgung ist im Moment gesichert, und die Preise sind leicht fallend«. Ähnlich die Aussage von Frank Hofer, Head of Programm Management & Purchasing bei Avnet Integrated. Davon ausgenommen sind für ihn weiterhin HiCaps und Bauformen größer 1206; »in diesem Bereich herrscht immer noch eine angespannte Situation«.
»Preise und Lieferzeiten sind in den letzten Monaten kontinuierlich gesunken«, gibt Markus Scholl, Director, Head of Components Global Sourcing and Supply Chain Management bei Fujitsu, zu Protokoll. »Teilweise haben die Lieferanten auch wieder Lagerbestände, aus denen sie kurzfristig liefern können.« Nach seinen Worten gilt dies aber nur für Bauformen kleiner 0603, »größere Bauformen sind weiter kritisch, auch wenn die Situation entspannter ist als vor einem Jahr«.
Wie abhängig diese Angaben in Bezug auf einzelne Hersteller sind, macht Wiegand deutlich, indem er darauf verweist, »dass wir zwar bei MLCCs weiterhin Lieferzeiten von 40 bis 60 Wochen eingestellt haben, Yageo aber zum Beispiel seine Lieferzeit bei MLCCs auf 14 bis 18 Wochen verbessert hat und MLCCs in der Bauform 1206 in 12 bis 13 Wochen liefert«.
Für Manfred Sperlich, Director Strategic Purchasing bei Phoenix Contact Electronics, »hat sich die Einhaltung der Lieferzeiten deutlich verbessert, und die Verhandlungsbereitschaft ist auch wieder gestiegen«. Es gibt nach seiner Ansicht aber auch Spezialthemen wie etwa MELFs oder Widerstände mit sehr kleinen Toleranzen. Er gibt aber auch zu bedenken, »dass Lieferzeiten und Preise in einigen MLCC-Bereichen immer noch hoch sind«. Aus diesem Grund arbeitet Phoenix Contact bei MLCCs weiterhin mit einem erhöhten Sicherheitsbestand und verlängerten Vorlaufzeiten, vor allem für die größeren Bauformen.
Niemand unter den befragten Einkäufern hat bislang seine Vorlaufzeiten oder sein Dispoverhalten verändert. Rollierende Forecasts für zwölf Monate scheinen Standard zu sein, es gibt aber auch Unternehmen, die nach wie vor mit Vorlaufzeiten von 18 bis 22 Monaten unterwegs sind. Bleibt die Frage: Können sie sich eine schnelle Rückkehr der Lieferengpässe des letzten Jahres vorstellen?
»Nach sehr vielen Lieferanten- und Herstellergesprächen besteht die Gefahr, dass ab Ende Q3, Anfang Q4 die Liefersituation ähnlich schlecht sein könnte wie in den letzten zwei Jahren«, so Wiegands Einschätzung. Hofer geht davon aus, dass es bei Bauformen größer als 0603 wieder zu Verknappungen kommen wird, und verweist auf den Ausstieg von Murata aus diesen Produktgrößen.
Auch Osterburg verweist auf die Gespräche mit Lieferanten, »die Bücher scheinen in dem besagten Zeitraum bei den Herstellern gut gefüllt zu sein. Ich bin mir aber aufgrund der allgemeinen Rahmenbedingungen nicht sicher, ob das auch so sein wird«. Auch Fujitsu-Manager Scholl sieht angesichts aktueller Auftragsbestätigungen von Herstellern für Q4/2019 keine Hinweise für eine Verschlechterung der Liefersituation.