Der PEM-Lehrstuhl der RWTH Aachen und die Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle informieren in einem neuen gemeinsamen Whitepaper über Strategien für einen effizienten Anlauf einer Batterie-Gigafactory. Hohe Ausschussraten seien dabei immer noch ein ernstzunehmendes Hindernis.
Der weltweite Batteriebedarf für das Jahr 2030 wird aktuell auf 2.500 bis 3.500 Gigawattstunden geschätzt. In Europa zählen derzeit Deutschland, Ungarn und Frankreich zu den wichtigsten Produktionsstandorten, wo zur Herstellung der Batteriezellen Fabriken im Gigawattstunden-Maßstab geschaffen werden, um den steigenden Bedarf zu decken und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu sichern.
»Trotz umfangreicher Investitionen in den vergangenen Jahren liegt die Menge der produzierten Batteriezellen aber immer noch deutlich hinter den Erwartungen zurück«, erklärt Professor Achim Kampker, Leiter des Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen. Die Ursache: Produkt- und Prozessunsicherheiten führen bei den Zellherstellern häufig zu Verzögerungen beim Produktionsstart, und es fehlen Fachkräfte, die die Komplexität der Batteriezellfertigung durchdringen.
Das Whitepaper »Mastering Ramp-up of Battery Production« skizziert daher zunächst die organisatorischen und technischen Hürden, die mit dem Hochlauf einer Gigafabrik verbunden sind, und bietet anschließend Einblicke, wie sie sich überwinden lassen und der Ramp-up-Prozess effektiv gesteuert werden kann. Ausschussraten von 15 bis 30 Prozent in den ersten Jahren sind der Veröffentlichung zufolge in der Batteriezellproduktion üblich. Selbst nach fünf Jahren seien die Ausschussraten mit rund zehn Prozent immer noch hoch. Jeder Prozentpunkt koste etwa 30.000 Euro pro Tag und etwa zehn Millionen Euro pro Jahr.
Eine Ausschussquote von 30 Prozent bedeutet bei voller Auslastung demnach Kosten von rund 900.000 Euro pro Tag. »Es ist eine Bedrohung für die gesamte europäische Elektromobilität, wenn die hiesigen Batteriezellhersteller durch Probleme beim Fabrikhochlauf ihre Produktionskapazitäten nicht erhöhen können«, warnt Kampker. Würden diese Hürden nicht überwunden, stiegen die Gewinneinbußen.
Eine systematische Untersuchung der Ursachen ermöglicht es dem Whitepaper zufolge, essenzielle Herausforderungen auf Produkt- und Produktionsebene rechtzeitig zu identifizieren und zu bewältigen. Der erfolgreiche Anlauf einer Gigafactory für die Batteriezellenproduktion stützt sich laut den Autoren auf mehrere Säulen.
Neben einer Begleitung durch erfahrene Fachforschende sei die Nutzung geeigneter Wissensdatenbanken entscheidend. Im Fall von Fraunhofer FFB und PEM seien diese durch eine mehrjährige Projektarbeit mit Partnern aus der Batterie-Industrie entstanden – mit dem Ergebnis eines breit gefächerten Know-hows zu Fertigungstechnologien, Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, Kosten und Energieverbräuchen sowie zu optimalen Fertigungsparametern, Anlagenherstellern und Marktdaten.
Darüber hinaus sei die Entwicklung von Digitalisierungslösungen entscheidend, die eine schnellere Fabrik-Realisierung und eine verlässliche Erkennung von Fehlern in der Produktion ermöglichen. So seien vor allem eine Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit auf digitaler Basis dazu in der Lage, Ausschussraten frühzeitig und dadurch Kosten deutlich zu reduzieren.
Hilfreich sei zudem die Inanspruchnahme einer möglichst ausgeprägten Infrastruktur mit modernster Anlagentechnik und Produktionslinien, wie sie mit dem Bau der FFB PreFab entstanden ist und mit der künftigen FFB Fab innerhalb des Projekts »Forschungsfertigung Batteriezelle« weiterhin entsteht. Dies ermögliche wertvolle Erkenntnisse zum effizienten Ablauf von Ramp-up-Prozessen.
Das gemeinsame Whitepaper von Forschenden der Fraunhofer FFB und des Lehrstuhls PEM der RWTH Aachen stützt sich auf reale Fallstudien, Datenanalysen und bewährte Verfahren. In der Veröffentlichung und darüber hinaus stellen die Fraunhofer FFB und der Lehrstuhl PEM sowohl ihr Branchenwissen als auch Datenbanken, Digitalisierungslösungen und Infrastruktur bereit, um Batteriehersteller bei der Bewältigung des Fabrikhochlaufs zu unterstützen.