Der Bundesverband Medizintechnologie hat seinen Jahresbericht 2023/2024 veröffentlicht und hält der Branche den Spiegel vor: Welche Hürden müssen beseitigt werden, wo liegen Chancen? Zertiizierung, Digitalisierung und KMU - wir haben die wichtigsten Kernpunkte zusammengefasst.
Die Medizintechnik-Branche steht vor vielfältigen Herausforderungen; insbesondere bei Zertifizierung, Digitalisierung und der Unterstützung von KMU. Es besteht ein dringender Bedarf an strukturellen Reformen der MDR, um die Patientenversorgung zu sichern und die Innovationskraft zu stärken. Gleichzeitig ist die Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Deutschland. Nachhaltigkeitsinitiativen müssen die spezifischen Anforderungen der Medizintechnik-Branche berücksichtigen, um die Versorgung und Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden.
Die Umsetzung der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) stellt die Medizintechnik-Branche vor große Herausforderungen. Die Verordnung, die seit 2017 in Kraft ist und ab 2021 angewendet wird, hat zu einer bürokratischen Belastung für Unternehmen geführt, die ihre Ressourcen von Forschung und Entwicklung in die Regulatorik verlagern mussten. Die Suche nach Benannten Stellen für die erneute Zertifizierung von Medizinprodukten gestaltet sich schwierig und zeitaufwendig, mit durchschnittlichen Prozesszeiten von 18 Monaten bis zum Erhalt eines Zertifikats. Dies führt zu einer ungewollten Verknappung von Medizinprodukten und einem gedrosselten Innovationstempo, wodurch der europäische MedTech-Markt im internationalen Vergleich, insbesondere gegenüber den USA, an Attraktivität verliert. Der BVMed fordert daher »die Hürden für die MedTech-Branche zu beseitigen, passende Rahmenbedingungen und Lösungen für die Herausforderungen der Zeit zu schaffen«.
»Wir sprechen von Überbürokratisierung, die unsere Unternehmen, insbesondere KMU, erstickt. Von einem praxisuntauglichen Medizinprodukte-Zertifizierungssystem, das Innovationen ausbremst. Von schleppender Digitalisierung und Datennutzung, die eine zeitgemäße Versorgung verhindert. Hinzu kommen gestiegene Kosten für Energie, Rohstoffe, Logistik, hohe Inflation und steigende Löhne. Auch stellt die Vielzahl der umweltrechtlichen Initiativen insbesondere durch den europäischen Green Deal eine Herausforderung dar.« |
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Zitat aus dem BVMed-Jahresbericht |
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens hat in Deutschland an Dynamik gewonnen, insbesondere durch die Verlagerung der Krebsforschung des Unternehmens Biontech nach England. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) und dem Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG) wurden zwei wichtige Gesetzesinitiativen vorgestellt. Ein zentraler Bestandteil des DigiG ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle Bürger (Opt-out), um den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten zu fördern.
Für KMU ist es entscheidend, dass Nachhaltigkeitsinitiativen die Besonderheiten der Medizintechnik-Branche berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist die Kreislaufwirtschaft, die aufgrund rechtlicher und patientenschützender Aspekte bei potenziell infektiösen Materialien, die oft in Medizinprodukten vorkommen, schwer umsetzbar ist. Zudem sind für die Medizintechnik-Fortschritte wichtige Substanzen wie PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) und Ethylenoxid für die Sterilisation von Medizinprodukten von geplanten EU-Beschränkungen betroffen. Der BVMed hat daher ein Whitepaper mit praxisorientierten Lösungsvorschlägen erarbeitet, um eine zukunftsweisende Reform zu fördern, die Patienten hilft und Europa wieder zu einem wettbewerbsfähigen MedTech-Standort macht.
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