KI verwandelt medizinische Wearables von passiven Fitness-Trackern zu intelligenten Diagnose-Assistenten. Doch die Integration von Machine Learning in sicherheitskritische Miniaturgeräte bringt komplexe Herausforderungen mit sich – von Determinismus über Energieeffizienz bis zur FDA-Zulassung.
Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) verändern das Gesundheitswesen. Sie kommen nicht nur in Krankenhäusern und Diagnoselabors zum Einsatz, sondern auch direkt am Handgelenk, an der Brust oder sogar im Blutkreislauf der Patienten. Während sich medizinische Wearables von einfachen Fitness-Trackern zu hochentwickelten Diagnosegeräten entwickeln, wird KI zum "Gehirn” hinter den Biosensoren. Sie interpretiert Signale, erkennt Anomalien und kann sogar lebensbedrohliche Zustände vorhersagen, bevor diese auftreten.
Ein Beispiel dafür ist die Embrace-2-Smartwatch des Medizingeräteherstellers Empatica. Das Wearbale nutzt KI-gestützte Vorhersagen mittels maschineller Lernalgorithmen und elektrodermaler Aktivitätssensoren, um generalisierte tonisch-klonische Anfälle bei Epilepsiepatienten zu erkennen. Die Embrace-2 ist die erste Smartwatch, die von der FDA für den Einsatz in der Neurologie approbiert wurde und in klinischen Studien eine Erkennungsgenauigkeit von 100 Prozent erreicht hat. Die Integration von KI/ML in diese kompakten, sicherheitskritischen Medizingeräte ist jedoch mit einer einzigartigen Mischung aus vielversprechenden Möglichkeiten und komplexen Herausforderungen verbunden.
Die heutigen medizinischen Wearables sind mehr als nur Gesundheitsmonitore, nämlich winzige, immer aktive Gesundheitsassistenten. Ein Beispiel ist das Blutdruckmessgerät SimpleSense BP von Nanowear, welches wie eine enganliegende Weste am Brustkorb getragen wird. Es nutzt Sensoren auf Stoffbasis und KI-Algorithmen, um den Blutdruck ohne aufblasbare Manschette kontinuierlich zu überwachen. Auch Smartwatches, die Vorhofflimmern erkennen, und Glukosesensoren, die den Insulinbedarf in Echtzeit melden, zeigen, wie KI/ML die passive Datenerfassung in aktive, intelligente Entscheidungen verwandelt und wie weit die Technologie bereits fortgeschritten ist.
Durch die Interpretation der galvanischen Hautreaktion, EKG-Muster und die Überwachung der Sauerstoffsättigung sowie die Analyse von Schlafzyklen ermöglichen diese Geräte Echtzeit-Einblicke und Warnmeldungen, die möglicherweise Leben retten können. Da sie rund um die Uhr funktionieren, eignen sich Wearables besonders gut, um subtile physiologische Veränderungen zu erkennen, die bei routinemäßigen Krankenhausbesuchen möglicherweise übersehen werden.
Medizinische Wearables sammeln ständig Daten über den Körper. Doch diese sind nur dann nützlich, wenn sie schnell, genau und im richtigen Zusammenhang erfasst und interpretiert werden. Hier kommt KI ins Spiel. Stellen Sie sich beispielsweise ein Wearable vor, das einen plötzlichen Abfall des Blutsauerstoffgehalts erkennt. KI kann sofort beurteilen, ob es sich um eine harmlose Schwankung oder ein Anzeichen für Atemnot handelt. Dabei kann sie auch das Alter, die Aktivität und frühere Vorfälle des Trägers bzw. der Trägerin berücksichtigen. Das Ziel besteht also nicht nur darin, Daten zu sammeln, sondern sie zu verstehen und in Echtzeit darauf zu reagieren.
KI ermöglicht zudem eine adaptive Personalisierung. Ein Herzfrequenzmuster, das für einen Marathonläufer normal ist, kann bei einem überwiegend sitzenden Menschen alarmierend sein. Weil KI-Modelle aus den Basiswerten jedes Nutzers lernen können, sind sie in der Lage, genauere Warnmeldungen zu liefern und Fehlalarme zu verringern.
Allerdings ist der Einsatz von KI in medizinischen Wearables nicht so einfach wie die Installation einer App. Diese Geräte müssen strenge medizinische Standards erfüllen, unter allen Bedingungen zuverlässig funktionieren und hochsensible personenbezogene Daten schützen.
Sicherheit und Determinismus
Ein KI-Modell, das sich unvorhersehbar verhält, ist in medizinischen Anwendungen mehr als nur ein Ärgernis – es ist ein Risiko. Zwar können sich Machine-Learning-Modelle anpassen, doch genau diese Anpassungsfähigkeit erschwert die Überprüfung mit herkömmlichen Testmethoden. Für kritische Funktionen wie die Sturzerkennung oder die Überwachung von Herzrhythmusstörungen muss die KI deterministisch und überprüfbar sein.
Leistungs- und Verarbeitungsgrenzen
Oft müssen medizinische Wearables tagelang oder sogar wochenlang mit einer einzigen Batterieladung funktionieren. Der Betrieb eines neuronalen Netzwerks auf solch leistungsschwacher Hardware ist keine Kleinigkeit. Effiziente KI-Modelle müssen kompakt, latenzarm und energiebewusst sein.
Um diese Einschränkungen zu umgehen, greifen Ingenieure auf Optimierungsstrategien wie die folgenden zurück:
Zusätzlich zu diesen technischen Strategien setzen Hersteller „gefrorene” KI-Modelle ein, also gesperrte Versionen, die nach der Bereitstellung nicht mehr geändert werden können. Das gewährleistet, dass sich in der Praxis ein konsistentes und testbares Verhalten zeigt und kann dann auch in Europa zertifiztiert werden. Einige Geräte verfügen zudem über eine ausfallsichere Logik in Form einfacher regelbasierter Fallbacks. Diese setzen KI-Entscheidungen in kritischen Fällen außer Kraft.
Um die behördliche Zulassung zu erhalten, muss die KI in medizinischen Wearables erklärbar sein. Regulierungsbehörden und Ärzte müssen nachvollziehen können, wie das Modell zu seinen Schlussfolgerungen gelangt. Techniken aus dem Bereich der erklärbaren KI (‚XAI‘) helfen Entwicklern dabei, zu visualisieren, welche Signale einen Alarm ausgelöst haben oder wie Konfidenzschwellen berechnet werden. Vor dem Einsatz unterlaufen diese Systeme einen umfassenden Test, unter anderem mit simulierten Patientenszenarien und Langzeitstudien zur Zuverlässigkeit. Auch redundante Systeme, wie die Validierung durch zwei Modelle, kommen zum Einsatz, um das Vertrauen und die Zuverlässigkeit zu erhöhen. Einige fortschrittliche Wearable-Systeme, wie Epilepsie-Monitore oder Geräte zur kontinuierlichen Herzüberwachung, nutzen mehrere KI-Algorithmen parallel, um die Erkennungsgenauigkeit zu verbessern und Fehlalarme zu verringern. Mit der Einführung von KI in solche Systeme wird Redundanz zu einer entscheidenden Voraussetzung für die Sicherheit und die FDA-Zulassung.
Lebensretter im Alltag
Schon heute können KI-gesteuerte Wearables Leben retten.
Beispielsweise nutzen die Apple Watch und Fitbit-Uhren von der FDA zugelassene Algorithmen, um Vorhofflimmern und Herzrhythmusstörungen zu erkennen.
Oder das FreeStyle Libre-System von Abbott, das sich mit Insulinabgabesystemen wie CamAPS FX verbinden lässt. Diese nutzen adaptive und prädiktive Algorithmen, also Techniken des maschinellen Lernens, um die Insulinabgabe in Echtzeit zu optimieren.
Die „Embrace”-Uhr von Empatica nutzt KI, um epileptische Anfälle zu erkennen und Pflegekräfte sofort zu alarmieren.
Mit immer leistungsfähigeren, miniaturisierten Sensoren und Edge-KI wird die nächste Generation von Wearables weit über Fitness und die Behandlung chronischer Erkrankungen hinausgehen. Man kann davon ausgehen, dass KI bald in der Lage sein wird, frühe Anzeichen von Depressionen, Dehydrierung, Infektionen oder sogar neu auftretenden Krankheiten zu erkennen, bevor Symptome auftreten. Außerdem werden wir eine stärkere Integration in klinische Systeme erleben, bei der Wearables Echtzeitdaten in Telemedizin-Dashboards einspeisen. Dadurch werden proaktivere und kontinuierlichere Versorgungsmodelle ermöglicht. Auch die Regulierungsbehörden passen sich an. Neue Rahmenwerke wie die „Software as a Medical Device” (SaMD)-Richtlinien der FDA und die IEC 62304 schaffen die Voraussetzungen für sicherere, KI-integrierte Gesundheitstechnologien.
Next Stop: Intelligente Gesundheitsversorgung
KI ermöglicht es medizinischen Wearables, sich von passiven Trackern zu proaktiven, intelligenten Begleitern für das Gesundheitsmanagement zu entwickeln. Die Integration von KI in diese winzigen, kritischen Systeme erfordert jedoch eine strenge technische Entwicklung, eine sorgfältige Optimierung sowie ein hohes Maß an Respekt für Sicherheit und Datenschutz.
Mit zunehmender Reife der Technologie wird KI das Gesundheitswesen nicht nur verbessern, sondern auch persönlicher, vorausschauender und präventiver machen als je zuvor. Dies wird zu einer neuen Ära der medizinischen Betreuung führen. Wir tragen nicht nur intelligente Geräte, sondern auch eine intelligentere Gesundheitsversorgung. (uh)
Wie Parasoft die Entwicklung medizinischer Wearables unterstützt |
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Parasoft ist ein globaler Anbieter von automatisierten Softwaretest-Lösungen für medizinische Geräte und eingebettete Systeme. Das Unternehmen unterstützt Hersteller von Medizintechnik bei der Entwicklung sicherer, zuverlässiger Software für vernetzte Devices und Wearables. Die Testlösungen für C/C++, Java und .NET umfassen statische Code-Analyse, Unit- und Komponententests sowie umfassende Code-Coverage-Analysen mit Requirements-Traceability. Parasoft hilft damit, die Qualitätsanforderungen der IEC 62304 – dem wichtigsten Regulierungsstandard für medizinische Software – zu erfüllen.parasoft+1 Besonders für KI-gestützte medizinische Wearables bietet Parasoft Werkzeuge zur Validierung komplexer Softwarearchitekturen: von Mikrocontroller-basierten Sensoren in C bis zu KI-Algorithmen auf Serverebene. Die Validierungslösungen adressieren Sicherheitsbedrohungen vernetzter IoT-Geräte und unterstützen bei der FDA-Zulassung. Parasoft-Tools sind von TÜV SÜD für ISO 26262, IEC 62304 und weitere Safety-Standards zertifiziert. Durch die Integration in CI/CD-Pipelines lassen sich Testprozesse automatisieren, wodurch Compliance-Kosten sinken und die Time-to-Market verkürzt wird. |