Prothetik auf dem Frankfurter Parkett

Ottobock gelingt größter deutscher IPO 2025

13. Oktober 2025, 13:52 Uhr | Elektronik Medical (uh)
Analysten sprechen vom größten deutschen Börsengang seit 2024: Ottobock will mit dem Aktienerlös einen Investor auszahlen und in Mensch-Maschine-Schnittstellen investieren.
© Ottobock

Im dritten Anlauf erfolgreich an der Börse: Der Weltmarktführer für Prothetik startete mit 72 Euro deutlich über dem Ausgabepreis von 66 Euro. Die Näder-Familie bleibt Mehrheitseigentümer und will 100 Millionen Euro in Zukunftstechnologien wie insbesondere Mensch-Maschine-Schnittstellen investieren.

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Der niedersächsische Medizintechnikhersteller Ottobock hat am 9. Oktober 2025 den Sprung aufs Parkett gewagt. Die Aktie eröffnete an der Frankfurter Wertpapierbörse im Prime Standard bei 72 Euro und lag damit 9,1 Prozent über dem Ausgabepreis von 66 Euro. Nach einem gescheiterten Börsengang 2022 aufgrund ungünstiger Marktbedingungen gelang nun der dritte Anlauf – bereits 2018 hatte das Unternehmen IPO-Pläne zurückgezogen. Im Handelssaal der Börse Frankfurt läutete Prof. Hans Georg Näder, Vorsitzender des Verwaltungsrats, symbolisch die Glocke zum Handelsstart. Auf dem Börsenvorplatz verfolgten rund 200 Ottobock-Mitarbeitende und Anwender die Verkündung des ersten Kurses.

Platzierungsvolumen und Investorenstruktur

Insgesamt wurden 12,2 Millionen Aktien platziert, davon stammten rund 1,5 Millionen aus einer Kapitalerhöhung. Der Rest kam aus dem Bestand der Näder Holding, die die Beteiligungen der Unternehmerfamilie verwaltet. Die Emission war deutlich überzeichnet, wobei Gebote unter dem Ausgabepreis kaum Chancen auf Zuteilung hatten. Die Preisspanne hatte ursprünglich zwischen 62 und 66 Euro gelegen. Die Marktkapitalisierung beträgt auf Basis des Ausgabepreises 4,2 Milliarden Euro, basierend auf dem Eröffnungskurs rund 4,6 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Teil des Emissionserlöses von rund 800 Millionen Euro dient der Schuldentilgung nach dem Rückkauf des schwedischen Investors EQT, der seit 2017 mit 20 Prozent beteiligt war.

Kapital für Technologie und Wachstum

Aus dem Verkauf neuer Aktien fließen Ottobock etwa 100 Millionen Euro zu. CEO Oliver Jakobi erklärte: »Mit dem zusätzlichen Kapital, das uns aus dem heutigen Börsengang zufließt, werden wir unter anderem gezielt in Zukunftstechnologien investieren, die Mensch-Maschine-Schnittstelle weiterentwickeln und unser globales Versorgungsnetzwerk weiter ausbauen«. Das Unternehmen aus Duderstadt beschäftigt weltweit rund 9.300 Mitarbeitende und ist in 45 Ländern aktiv. Die Medizintechnikfirma unterhält rund 400 Versorgungszentren weltweit.

Seit über 100 Jahren am Markt

Ottobock gilt als Weltmarktführer in der Prothetik und als einer der führenden Anbieter in der Orthetik sowie bei Rollstühlen und Exoskeletten. Das 1919 in Berlin gegründete Familienunternehmen entwickelt Versorgungslösungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Zu den Innovationen zählen mikroelektronisch gesteuerte Prothesen wie das C-Leg und die Prothesenhand »Michelangelo« sowie Neuro-Orthesen für Menschen mit Teillähmungen. Der Geschäftsbereich Exoskelette unterstützt seit 2012 Menschen bei körperlich belastenden Tätigkeiten in der Industrie.​

Finanzkennzahlen und Wachstum

Im Geschäftsjahr 2024 erzielte Ottobock einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro bei einem EBIT von 143,3 Millionen Euro. Das erste Halbjahr 2025 zeigte organisches Wachstum von 10,0 Prozent, die EBITDA-Marge verbesserte sich auf 22,5 Prozent. Sieben strategische Akquisitionen trugen zum Wachstum bei.

Eigentümerstruktur und Perspektiven

Die Familie Näder bleibt mit über 80 Prozent Mehrheitseigentümer, der Streubesitz beträgt rund 19 Prozent. Prof. Hans Georg Näder betonte: »Ottobock steht seit jeher für Innovation, Verantwortung und langfristiges Denken. Als ein seit über einem Jahrhundert familiengeführtes Unternehmen haben wir ein Geschäftsmodell aufgebaut, das hochmoderne medizintechnische Lösungen mit starkem Engagement verbindet«. Das Unternehmen hält mehr als 2.600 Patente und Patentanmeldungen. Seit 1988 ist Ottobock Partner und Unterstützer der Paralympischen Spiele. Der IPO markiert den größten deutschen Börsengang des Jahres 2025.

Marktreaktion und Bewertung

Am zweiten Handelstag schloss die Aktie bei 68,50 Euro, also 0,72 Prozent unter dem Vortag, aber weiterhin deutlich über dem Ausgabepreis. Die Kursschwäche resultierte aus Marktverwerfungen nach US-Zolldrohungen gegen China. Die Emission wurde von BNP Paribas, Deutsche Bank und Goldman Sachs als Joint Global Coordinators begleitet, unterstützt von BofA Securities und UBS als Senior Bookrunners. Analysten weisen auf die ambitionierte Bewertung hin: Bei einem Umsatzmultiplikator von rund drei und einem bereinigten Gewinn je Aktie von etwa 0,88 Euro für 2025 liegt ein sehr hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis vor. (uh)


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