In Echtzeit ohne Single Point of Failure

DDS-Standard: Datenbus für schlaue Medizingeräte

11. April 2025, 11:18 Uhr | Darren Porras, Real Time Innovation (uh)
© AdobeStock / Gorodenkoff

Vernetzte Medizingeräte, Robotik und KI verändern OP- und Klinik-Workflows - der Markt für intelligente Medizinsysteme soll sich noch 2025 vervierfachen. Datenzentrierte Kommunikation ist der Schlüssel der Entwicklung, RTI bietet eine Referenzarchitektur für die medizinische Vernetzung in Echtzeit.

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Die Gesundheitssysteme sind stark gefordert: Sie müssen Kosten und Personalmangel in den Griff bekommen und gleichzeitig einer steigenden Zahl an Patienten eine hochwertige Versorgung bieten. Helfen soll dabei die moderne Technologie, der Handlungsbedarf ist klar: Medizinische Geräte müssen intelligenter und flexibler werden. Die Integration von Robotik, bildgebenden Verfahren, Sensoren und datengesteuerten Technologien ist unerlässlich für minimalinvasive und präzise Gesundheitsversorgung. Laut Studien soll sich der Weltmarkt für vernetzte medizinische Geräte von 26,5 auf 94,2 Milliarden Dollar fast vervierfachen. Die Medizintechnik muss sich also sehr schnell von isolierten Produkten und Geräten hinzu multifunktionalen, integriert-digitalen Ökosystemen wandeln.

Mit den großen Fortschritten in den Bereichen KI, Datenanalyse und Robotik müssen Medizingerätehersteller neue Systeme und Geschäftsmodelle entwickeln, die auf Software und datengesteuerten Technologien basieren. Die neuen Produkte müssen Daten aus verschiedenen Quellen und verteilten Anwendungen und Systemen integrieren und verarbeiten. Das Design muss zudem eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Interoperabilität ermöglichen, entweder durch ein Upgrade oder durch die Veröffentlichung einer neuen Version oder eines Derivats.

Intelligenter Datenfluss und Datenzentrierung

Traditionelle Software-Kommunikations­architekturen arbeiten nachrichtenzentriert, die Nachrichten werden einfach zwischen den Anwendungen ausgetauscht. Eine solche Architektur (meist Punkt-zu-Punkt oder serverbasiert) ist in der Regel nicht skalierbar oder flexibel genug für zunehmend verteilte und komplexe Systeme. In einem datenzentrierten System dagegen stehen die Daten im Mittelpunkt. Verteilte Anwendungen können kommen und gehen und auf Peer-to-Peer-Basis kommunizieren. Ein gemeinsames Datenmodell bildet die Grundlage für die Implementierung einer Anwendung. Eine datenzentrische Architektur abstrahiert die Kommunikation von der Anwendungslogik, so dass das Datenmodell die Kommunikationsschnittstelle darstellt. Anwendungen können von überall im System auf Daten zugreifen (Bild 1).

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Bild 1. Mit einem datenzentrischen Datenbus können modulare Anwendungen bei Bedarf remote auf die benötigten Daten zugreifen, und zwar mit der erforderlichen Geschwindigkeit, wobei die Nachrichten von der Anwendungslogik abstrahiert werden.
© RTI

Eine datenzentrierte Kommunikationsarchitektur tauscht »Zustände« und nicht nur Nachrichten aus. Anwendungen werden über relevante Änderungen des gemeinsamen Zustands informiert, einschließlich Datenwerten, neuen Datenobjekten und der Verfügbarkeit und Aktivität anderer Anwendungen. Die Architektur ist modular und dezentral. Dies ermöglicht hohe Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit und geringe Latenzzeiten für vernetzte medizinische Echtzeit- und intelligente Geräte. Datenzentrierte Kommunikation erleichtert auch und gerade in der Medizintechnik die Erstellung von robusten und hochverfügbaren Anwendungen. Darüber hinaus bietet das datenzentrierte Modell eine zeitliche Entkopplung von Anwendungen. Verzögerte Anwendungen müssen sich nur auf das Endergebnis konzentrieren, statt alle vergangenen Zustandsänderungen zu verarbeiten.  

Intelligente Überwachung und Steuerung in Echtzeit

Mit Connext bietet RTI ein datenzentriertes Framework für die Verteilung und Verwaltung von Echtzeit-Datenströmen, welches bereits in Operationssälen und der Medizinrobotik zum Einsatz kommt. Mit dem Connext-Bus können Anwendungen und Medizingeräte als ein einziges integriertes System zusammenarbeiten und dem Gesundheitswesen unverzichtbare robuste Interoperabilität, Sicherheit und Echtzeitfunktionalität liefern. Basierend auf der Datenzentrierung bietet das Framework die Vorteile der Trennung von Anwendungen und Daten (Separation of Concerns) und ermöglicht so modulare und skalierbare Architekturen ohne Single Point of Failure.

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Bild 2. Aufbau einer DDS-basierten und auf Echtzeit­kommunikation ausgelegten Architektur.
© RTI

Um klinische Applikationen zu entwickeln, die Geräte und Anwendungen integrieren, müssen diese in Echtzeit kommunizieren können. Das bedeutet, dass Reaktionszeiten im Mikro- oder Millisekundenbereich möglich sein müssen, um Tausende von Steuerungsentscheidungen pro Sekunde verarbeiten zu können. Connext ermöglicht es den Geräten, Daten direkt auf dem Datenbus zu veröffentlichen und zu subskribieren. Im Gegensatz zu einer Datenbank oder anderen Client/Server-Architekturen, die eine Anfrage- und Antwort-Protokollstruktur erfordern, ermöglicht Connext eine Geräte steuerung in Echtzeit indem die Daten selbst zur Nachricht werden. Das DDS-basierte Datenmodell verteilt die Echtzeitdatenmuster zum richtigen Zeitpunkt an die abonnierten Endpunkte.

Data Distribution Service

DDS ist ein datenzentrierter Kommu­nikationsstandard, der von der OMG gepflegt wird. Die Infrastruktur abstra­hiert Nachrichtenfunktionen und ­Sender-Empfänger-Abhängigkeiten von der Anwendungslogik und vereinfacht so die Systementwicklung und die Weiterentwicklung vernetzter Anwendungen. Softwareentwickler können sich somit auf die Anwendungsentwicklung konzentrieren (Bild 2). DDS ist flexibel und funktional. Der QoS-Mechanismus bietet Lösungen für häufig auftretende Kommunikationsprobleme. Die Technologie ermöglicht die gemeinsame Nutzung verschiedener Datentypen mit der erforderlichen Datenrate. DDS formalisiert das datenzentrierte Publish/Subscribe-Kommunikationsparadigma, indem es eine standardisierte Schnittstelle und die erforderlichen Protokolle für die benötigte Funktionalität bereitstellt. (Bild 3).

 

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Bild 3. RTI Connext Connectivity Framework.
© RTI

Entwicklungstool für Medizingeräte

Die Connext-Entwicklungstools von RTI sind ein modernes Werkzeug für Software-Teams, die an Medizingeräten arbeiten. Die Admin-Konsole bietet eine Echtzeitansicht aller Endpunkte, in der Details nach Thema oder Endpunkt aufgeschlüsselt werden können. Mit Hilfe der Datenvisualisierung können mehrere Werte aus mehreren Themen interaktiv dargestellt und grafisch geteilt werden. Diese Funktion eignet sich für die Fehlersuche im System, zur Aufzeichnung eines bekannten, guten Zustands oder für die Entwicklung eines verbesserten Anwendungsalgorithmus. Mit dem Connext Recording and Playback Service lassen sich Datenströme in einer Datenbank speichern. Die Daten lassen sich modifizieren, um Testfälle zu erstellen und (über den Wiedergabedienst) je nach Bedarf schneller oder langsamer wiedergegeben werden, um das System für Funktionstests, Validierung, Lasttests usw. zu überprüfen.

Der Web Integration Service bietet sowohl eine REST- als auch eine WebSocket-Schnittstelle zu jedem Connext-Datenbus und ermöglicht so die Anbindung an mobile Geräte und/oder Webseiten mit einem sehr geringem Programmieraufwand. Der Connext Code Generator erfasst Datentypbeschreibungen in IDL (oder XML) und generiert funktionalen Serialisierungscode für die Zielsprache und -plattform. Der generierte Code implementiert das RTPS-Protokoll, so dass sich die Entwickler auf die anwendungsspezifische Programmierung konzentrieren können – die Toolbox übernimmt das »Klempnern«. Connext ermöglicht damit offene Architekturen für den Datenfluss über interne und externe Schnittstellen. Für Entwickler von medizinischen Systemen bietet der Connext-Datenbus eine effektive Lösung für die traditionellen Herausforderungen der Datenkonnektivität, der Plug-and-Play-Interoperabilität, der Echtzeitanalyse und der feingranularen ­Sicherheit, um die Vision von vollständig automatisierten IoMT-basierten Systemen zu verwirklichen und wirklich transformative Medizinsysteme bereitzustellen (Bild 4).

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Bild 4. Anwendungsentwicklung mit RTI
© RTI

Cybersicherheit für ­medizinische Vernetzung

Obwohl sichere Kommunikation nur ein Teil einer insgesamt sicheren Gerätearchitektur ist, unterstreichen die jüngsten FDA-Richtlinien zur Cybersicherheit die Notwendigkeit für Medizingerätehersteller, die Sicherheitsrisiken von Kommunikationsschnittstellen im gesamten Geräteökosystem zu bewerten. Um einige dieser Bedenken auszuräumen, ermöglicht es Connext Secure, die Zugriffskontrolle (niedrigste Autorisierung) auf Daten in Bewegung zu konfigurieren, wobei es Anwendungsfälle und/oder Betriebsumgebungen der Datenströme berücksichtigt. Je nach Rolle und Thema ist die feingranulare Sicherheit von Datenströmen einstellbar, was den vollständigen Schutz kritischer Daten gewährleistet. Die dezentrale Archi­tektur des Connext Frameworks und die QoS-Kommunikationsmuster stellen die Verfügbarkeit des Datenzugriffs sicher und ermöglichen robuste Datenströme. Ebenfalls verfügbar sind Plug-ins für ­Authentifizierung, Kryptografie, Zugriffskontrolle, Data Tagging und Security Logging. Weil die QoS den Sicherheitsstatus jeder DDS-Einheit verwaltet, sind keine Code-Änderungen erforderlich (Bild 5).

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Bild 5. ­Datenzentrierte Cyber-Sicherheit ermöglicht die Entwick­lung von Systemen zur Beschränkung der Zugriffskontrolle (z. B. Authentifizierung, Verschlüsselung) auf Daten in Bewegung auf der Grundlage des Prinzips der geringsten Rechte.
© RTI

Echtzeitintelligenz im IoMT

Eine kombinierte Überwachung, Optimierung und Autonomie könnte im Gesundheitswesen bedeuten, auf der Überwachungsebene kontinuierlich Daten aus diversen Datenquellen zu sammeln, um den Zustand von Patienten und Geräten zu erfassen. Medizinsysteme könnten so Automatisierung, Kontrolle und klinische Entscheidungsunterstützung bieten, um etwa die Alarmmüdigkeit auf Intensiv- oder Pflegestationen zu beseitigen. Bei vollständiger Automatisierung könnten Daten von einem Gerät erfasst und an ein weiteres Gerät übertragen werden, das dann mithilfe von maschinellem Lernen oder KI eine klinische Entscheidung bestätigt und die empfohlene Behandlung einleitet. Derartige Fortschritte sind in der chirurgischen Robotik, der Bildgebung und bei minimalinvasiven, diagnostischen und therapeutischen Anwendungen bereits in der Entwicklung und Praxis. Nicht nur, aber speziell in der Medizintechnik beschleunigt sich die technologische Entwicklung rasant. Intelligente und vernetzte Geräte in Verbindung mit Edge Computing werden die Workflows am Point-of-Care umkrempeln. Eine wichtige Basis für diese digitale Transformation sind die Echtzeitarchitekturen und Datenbusse der intelligenten und vernetzten Systeme. (uh)­­


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