Die Umsätze, die Nvidia derzeit im Automotive-Markt erzielt, sind nicht nur »überschaubar«, sondern auch noch rückläufig. Danny Shapiro, Vice President im Automotive-Bereich von Nvidia, erklärt im Gespräch mit Markt & Technik, dass sich das in Zukunft in beiderlei Hinsicht deutlich ändern wird.
Markt&Technik: 2021 hat Nvidia im Automotive-Bereich rund fünf Prozent seines Gesamtumsatzes erzielt, nicht gerade kritisch für das Unternehmen…
Danny Shapiro: Falsch – der Automotive-Markt ist für Nvidia sehr wichtig, auch 2021. Das zeigt sich daran, dass wir viel Geld in diesen Bereich investieren. Klar, der Automotive-Umsatz macht nur einen kleinen Anteil am Gesamtumsatz aus, aber viel wichtiger für uns sind die Innovationen, die wir durch bzw. für den Automotive-Markt vorangetrieben haben und auch weiterhin entwickeln werden. Nvidia hat mit Grafik angefangen, und fast jedes Auto hat von Nvidia-Technologien profitiert, sei es dank CAD-Modellen, Simulationen oder Marketing/Sales mit Spezialeffekten, alles basiert auf Grafik.
Aber diese Umsätze werden nicht zum Automotive-Geschäft gerechnet, oder?
Stimmt, was ich damit aber sagen möchte: Es ist ungefähr 15 Jahre her, seitdem wir über diese Möglichkeiten mit der Automobilindustrie zu tun hatten.
Das sind aber nicht die Aktivitäten, die heute wichtig sind?
Klar, irgendwann haben wir angefangen, direkt mit den OEMs zusammenzuarbeiten und unsere Produkte in Fahrzeuge zu integrieren. Dieser Schritt erfolgte, als die Displays in die Fahrzeuge gewandert sind. Damals haben wir angefangen, mit den Audis, BMWs und Teslas dieser Welt direkt zusammenzuarbeiten. Es gibt Hunderte Modelle, deren Infotainment-System auf Nvidia basiert. Das war damals ein absolutes Novum, denn wir haben zum ersten Mal geschafft, dass Consumer-Elektronik in Fahrzeugen integriert wurde. Der entscheidende Vorteil dabei bestand darin, dass damit die Entwicklungen beschleunigt werden konnten und die technologische Kluft zwischen den Technologien im Fahrzeug und im Rest der Welt reduziert werden konnten. Damit waren wir auch sehr erfolgreich und erreichten in diesem Segment ein gutes Wachstum.
Die Zahlen sehen aber anders aus…
In diesem Segment kam es schnell zu einer Kommoditisierung. Hinzu kam, dass unsere Technologien von der Performance her die Anforderungen der OEMs deutlich übertrafen, also haben wir uns nach neuen Anwendungsmöglichkeiten im Fahrzeug umgesehen. Hinzu kam, dass sich Nvidia zu einem KI-Spezialisten entwickelt hat. Entsprechend wollten wir diese Technologie ins Fahrzeug bringen. Das hatte aber quasi einen Restart oder eine Neuausrichtung im Automotive-Bereich zur Folge. Darauf ist die flache bzw. rückläufige Umsatzentwicklung im Automotive-Segment zurückzuführen: Wir setzen nicht mehr auf das Infotainment-Geschäft, sondern konzentrieren uns auf Technologien für automatisiertes Fahren bzw. ADAS-Anwendungen. Da stehen wir heute, wir haben unsere Drive-Plattform entwickelt, ein sehr leistungsstarkes Computing-System für Level 2+ bis hin zu Level 5. Wir arbeiten mit dem kompletten Ecosystem einschließlich Sensorherstellern, Kartenanbietern etc. zusammen.
Mit Erfolg?
Sicher: Am letzten Investor-Day konnten wir bekanntgegeben, dass wir im Automotive-Markt Design-Wins mit einem Volumen von 11 Mrd. Dollar in der Pipeline haben, über einen Zeitraum von sechs Jahren. Dazu gehören wichtige Abkommen mit Unternehmen wie Mercedes-Benz. Dabei handelt es sich nicht um eine Option, sondern um ein komplettes Redesign der gesamten E/E-Architektur. Mit der Folge, dass jedes Mercedes-Benz-Modell, das ab 2024 auf den Markt kommen wird, auf Nvidia-Drive basiert. Ein weiteres Beispiel ist das Abkommen mit Jaguar/Land Rover: Ab 2025 werden alle neuen Fahrzeuge von Jaguar und Land Rover auf Nvidia Drive basieren. Darüber hinaus nutzen beispielsweise auch Volvo, Nio und viele chinesische Anbieter unsere Technologie. Wir haben mit Nvidia-Drive einen Ansatz entwickelt, der den OEMs nicht festverdrahtete Funktionen bietet, sondern ihnen eine Software-definierte Plattform zur Verfügung stellt, die ihnen die Möglichkeit gibt, nahezu alles über Software zu steuern, und Updates durchzuführen, mit denen das Fahrzeug über die Zeit immer besser wird.
Was sind die Treiber für die Design-Wins, ist es die Hardware, die selbst betriebenen Datenzentren oder die Software?
Die erwähnten 11 Mrd. Dollar beziehen sich nur auf Produkte, die wirklich in die Fahrzeuge wandern. Die Umsätze, die wir mit unseren Servern erzielen, werden dem Datencenter-Business zugeordnet. Dennoch: Software ist das Schlüsselelement, denn sie ist ein großer Differenzierungsfaktor für OEMs und sie bietet neue Geschäftsmodelle sowie Umsatzmöglichkeiten. Denn mit Software geht es nicht mehr nur darum, das Fahrzeug zu verkaufen und damit endet die finanzielle Beziehung zwischen OEM und Kunde, sondern in Zukunft werden auch danach noch Umsätze mit Software erzielt. Das stellt für die Industrie eine wichtige Möglichkeit dar, den Umsatz zu steigern, jenseits der reinen Anzahl verkaufter Wagen.
Der Deal zwischen Nvidia und Mercedes-Benz stellt ein absolutes Novum dar, denn beim Verkauf von Softwarekomponenten für das autonome Fahren teilen sich Mercedes und Nvidia die Einnahmen…
Ja, die Interaktion zwischen uns und Mercedes-Benz ist eine echte Partnerschaft. Beide Seiten sind davon begeistert, erkennen den Vorteil dieser Partnerschaft und wollen zusammenarbeiten, denn keines der beiden Unternehmen könnte es alleine schaffen.