Electronics Engineering and Manufacturing Services, kurz E2MS - damit will sich Rafi im hart umkämpften Markt der Elektronikfertigung von der Konkurrenz absetzen. Warum der Dienstleister dabei auf Testsysteme von Spea setzt, erklärt Dominik Bollivo, Teamleiter Betriebsmittelentwicklung bei Rafi.
Markt&Technik: Herr Bollivo, Rafi versteht sich als E2MS-Anbieter – das heißt, der Kunde bekommt von Ihnen nicht nur die reine Fertigungsdienstleistung, sondern auf Wunsch auch das Engineering. Wie wichtig ist diese Unterscheidung zum klassischen EMS-Anbieter für Sie?
Dominik Bollivo: Die Unterscheidung als E2MS-Anbieter ist für uns von zentraler Bedeutung, weil sie unterstreicht, dass wir Kunden weit mehr als nur herkömmliche Fertigungsdienstleistungen anbieten – nämlich sowohl Engineering als auch Fertigung. Das heißt, wir können die Kunden in jeder Phase eines Projekts unterstützen – von der Konzeption und dem Design über die Prototypenentwicklung bis hin zur Massenproduktion und sogar After-Sales-Services. Dieser Ansatz hebt uns von traditionellen EMS-Anbietern ab, die sich hauptsächlich auf die Produktion konzentrieren.
Die Kombination von Engineering und Fertigung unter einem Dach gewährleistet einen schnelleren Innovationszyklus und eine effizientere Produktentwicklung. Unsere Entwickler arbeiten Hand in Hand mit den Fertigungsteams, um sicherzustellen, dass die Design-Integrität erhalten bleibt bei gleichzeitig maximierter Fertigungseffizienz. Für uns ergeben sich daraus Vorteile in Sachen Kosten- und Zeitersparnis, und die Kunden profitieren von kürzeren Markteinführungszeiten, weil wir den gesamten Produktlebenszyklus abdecken.
Letztendlich geht es darum, den Kunden einen echten Mehrwert zu bieten und sie dabei zu unterstützen, ihre komplexesten Herausforderungen zu meistern.
Sie setzen seit vielen Jahren auf die Boardtester und Flying Prober von Spea. In welchen Bereichen finden diese bei Ihnen Einsatz?
Die Tester von Spea kommen mittlerweile als Standard für die ICT-Prüfung von Leiterplatten an allen Produktionsstandorten der Rafi Gruppe zum Einsatz – von der Prototypenprüfung bis hin zur High-Volume-Produktion. Vor allem die durchgängige Nutzung der zugehörigen Softwareplattform ermöglicht es uns, die Produktprüfung in verschiedenen Reifegraden auf der gleichen Technologieplattform zu realisieren. So können wir in einem frühen Stadium – für erste Prototypen und Muster – den Flying Prober nutzen, während wir in der Serienfertigung meist auf konventionelle Adapter setzen.
Gleiches gilt auch bei der Skalierung der Produkte. Während des Ramp-Up einer Serie kann der Übergang vom Flying Probe Tester auf den Boardtester flexibel erfolgen, um beispielsweise die Prüfzeit zu optimieren. Umgekehrt kann gegen Ende des Produktlebenszyklus wieder vom Boardtester auf den Flying Probe Tester gewechselt werden, um beispielsweise die Wartungs- und Instandhaltungskosten für Prüfadapter zu optimieren. Die Überführung vom Flying Prober und zurück ist in der Regel keine große Hürde.
Welche Anforderungen stellen Sie an Ihr Testequipment? Anders gefragt: Was muss das Testequipment in Ihren speziellen Anwendungen können? Und was der Hersteller?
Aufgrund unserer globalen Ausrichtung müssen wir jederzeit gewährleisten können, dass unser Equipment und die Testapplikationen an jedem Produktionsstandort weltweit ohne große Anpassungen einsetzbar sind. Das erfordert ein hohes Maß an Standardisierung, Kompatibilität und Interoperabilität. Auf Basis der erarbeiteten und etablierten Standards können wir nicht nur komplette Projekte über verschiedene Standorte hinweg transferieren, sondern auch unser Wissen und unsere Erfahrungen weitergeben.
Gleichermaßen relevant ist aber auch der Support durch die Hersteller. Während wir intern den Support der Testapplikation sicherstellen, benötigen wir für den Support der Tester wiederum die Verfügbarkeit der Hersteller an allen Standorten. Eine hochqualifizierte Unterstützung an den lokalen Standorten ist essenziell für die flexible Nutzung der Systeme.
Um für unsere Produktion optimale Testlösung realisieren zu können, werden häufig beim ICT bereits weitere Funktionen wie etwa Programmierung von Bootloadern, flashen von Firmwareimages, die Serialisierung von Baugruppen – z.B. MAC-Adressen – aber auch Boundary-Scan- und Funktionstests integriert. Der Umfang und die Zusammenstellung der Funktionen ist individuell auf das jeweilige Produkt und die Anforderungen aus dem Fertigungsprozess abstimmbar.
Wie stellen Sie generell die Testbarkeit Ihrer Produkte sicher? Nutzen Sie im Engineering das Know-how aus eigenen Reihen oder greifen Sie auf Partner wie Spea zurück?
Die Leiterplattendaten durchlaufen bei uns zunächst diverse Design-Rule-Checks und Reviews in den Fachabteilungen. Dort werden sie auf diverse fertigungs- und testrelevante Parameter überprüft. Die Testabdeckung – besonders hinsichtlich ICT – lässt sich sehr gut mit der Toolchain von Spea prüfen und bewerten. Je nach Ergebnis können Optimierungsvorschläge wie etwa die Anpassung der Testpad-Geometrie oder Hinweise zu fehlenden Testpunkten gegeben werden, die dann in die Designs einfließen. Die konkrete Testanwendung wird in der Regel von der Adapterplanung und Beschaffung bis hin zu Testumsetzung und Debugging am Tester bei uns im Hause realisiert. Bei Kapazitätsengpässen greifen wir zur Umsetzung einzelner Projekte aber auch auf Spea als Dienstleister zurück.
Welche Qualitätskontrollen und Testverfahren setzen Sie ein, um sicherzustellen, dass die hergestellten Produkte den geforderten Spezifikationen entsprechen? Und wie gehen Sie mit Qualitätsabweichungen oder Problemen während des Produktionsprozesses um?
Während des gesamten Produktionsprozesses werden – je nach Prozessschritt – die jeweils optimalen Prüfverfahren an die Produkte angelegt. Somit kommen in der gesamten Kette verschiedenste Testverfahren zum Einsatz, beispielsweise SPI, AOI, ICT/FPT sowie Funktionstests und End-Of-Line-Tests. Nicht selten werden verschiedene Verfahren auch miteinander kombiniert. Dabei kommt es auf eine ausgewogene Wahl der Testverfahren an, um einerseits den Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, andererseits aber auch eine effiziente und kostenbewusste Prüfung der Baugruppen zu gewährleisten.
Welche Trends sehen Sie allgemein in der Elektronikfertigung – und speziell im Hinblick auf das Testequipment?
Themen wie Time-to-Market und eine ausgewogene Balance zwischen Einmalkosten und optimierten Prüfzeiten sind nach wie vor spannende Aufgabenfelder. Kurze Umsetzungszeiten lassen sich oft nur schwer mit den marktüblichen Lieferzeiten des Testequipments und der Prüfadapter in Einklang bringen. Hier sind kreative Lösungen gefragt – vor allem beim ICT ist die Nutzung von Flying Probe Testern ein deutlicher Vorteil und erlaubt uns eine kurzfristige Realisierung.
Ein weiterer Trend ist die Nutzung von 3D-Druck. Das ist natürlich nicht neu – wir setzen diese Technik schon seit Jahren ein – jedoch sind mittlerweile sehr kreative Lösungen im Adapterbau verfügbar. Auch die stetige Weiterentwicklung der Materialen im 3D-Druck bietet immer wieder neue Möglichkeiten und erlaubt neue Anwendungen, die es zu nutzen gilt.
Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen, ökologische Faktoren, ergonomischer Anforderungen sowie das Life-Cycle-Management haben heute eine sehr hohe Relevanz bei der Auslegung, Umsetzung und Instandhaltung des Equipments. Die Forderung nach der Kombination verschiedenster Fertigungs- und Testverfahren sowie deren Integration in Automatisierungsanlagen nimmt ebenfalls deutlich zu.
Abschließend: Wie sieht Ihre Teststrategie für die Zukunft aus?
Wir befinden uns in einem Umfeld, in dem die Technologie permanent Fortschritte macht und sich regelmäßig auch ein größerer Wandel vollzieht. Ich denke, hier wäre die Festlegung auf DIE Teststrategie langfristig eher hinderlich. Vielmehr arbeiten wir stetig daran, uns technisch breit und mit entsprechend aktuellem Know-how aufzustellen. Parallel pflegen wir ein Portfolio mit erprobten „Baukastenlösungen“.
Bewusst wollen wir aus verschiedenen Optionen die jeweils am besten geeignete Lösung auswählen können. Gleichzeitig sind wir aber auch offen für neue Anforderungen und Technologien und setzen diese mit nachhaltig und wiederverwendbar angelegten Testlösungen um. Diese fließen dann wieder in unser Lösungsportfolio mit ein. Wir stellen uns der Zukunft mit einem Fundament etablierter Lösungen und der Offenheit und Neugierde, jederzeit Neuem zu begegnen und für uns nutzbar zu machen.