productronica 2025

Taktgeber der Elektronikproduktion

18. November 2025, 8:00 Uhr | Heinz Arnold
© Messe München

Drei Leitthemen stehen auf der productronica 2025 im Vordergrund: Neben den Technologiethemen Leistungselektronik und Advanced Packaging dürfte die vertrauenswürdige Mikroelektronik ebenfalls im Zentrum des Interesses stehen.

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Ein Thema, das nicht nur technisch interessant ist, sondern vor allem politisch an Bedeutung gewinnt. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit und gestörter Lieferketten setzen Hersteller zunehmend auf nachvollziehbare, auditierbare Prozesse und sichere Bauteile »Made in Europe«. Die productronica 2025 ist damit nicht nur eine Leistungsschau der Industrie, sondern ein politisches Signal: Europa will und kann in der Elektronikproduktion wieder Taktgeber sein.

Das zeigt sich besonders am Leitthema Advanced Packaging. 2,5D- und 3D-Stacking, Chiplets und heterogene Integration sind die Schlagworte. Denn ein Großteil der Wertschöpfung findet nicht mehr ausschließlich bei der Fertigung der ICs auf Waferebene statt. Frontend- und Backend-Prozesse wachsen zusammen. Dasselbe gilt für das Advanced Packaging und die Leiterplattenfertigung. So ist es kein Zufall, dass parallel zur productronica die SEMICON Europa stattfindet. Dahinter steht ein strategisches Konzept. Hier trifft die Welt der klassischen Elektronikfertigung auf die Halbleiterbranche. Advanced Packaging, MEMS-Sensorik, Bildverarbeitung und KI-getriebene Fertigungssteuerung verschmelzen zu einem durchgängigen Innovationsökosystem.

Advanced Packaging in Europa

Erfreulich für Europa ist, dass auf politischer Ebene inzwischen verstanden wird: Es reicht nicht, nur Fabs für die Frontend-Fertigung nach Europa zu holen, um die Souveränität zu erhöhen, das Advanced Packaging gehört genauso dazu. »Jetzt bauen wir Advanced Packaging in Europa auf!«, sagte Steffen Kröhnert, Präsident von ESPAT Consulting, im Interview gegenüber Markt&Technik. »Wenn Europa technologisch unabhängig sein will, müssen diese Prozesse hier in der Region verfügbar sein – auch und insbesondere für kleinere Stückzahlen.«

Zu den Vorreitern gehören AEMtec, die eine Linie für Fan-out-Wafer-Level-Packaging (Chip-First-Technik) mit rekonstituierten 200-mm-Wafern aufbaut, PacTech, die Fertigung und Dünnfilmprozessierung für Fan-in- und Fan-out-Packaging inklusive Panel-Level-Technologien durchführt, 3DiS Technologies in Frankreich, die neuartige 3D-RDL-Technologie entwickelt, sowie Swissbit, die ihre Packaging-Fab in Berlin-Marzahn für Foundry-Services öffnet. Außerdem wollen Thales, Radiall und Foxconn eine gemeinsame Advanced-Packaging-Fab in Frankreich bauen, die bis 2031 rund 100 Millionen System-in-Package-Einheiten pro Jahr fertigen soll. »Gemeinsam bilden sie die Grundlage für ein europäisches Packaging-Ökosystem, das das gesamte Spektrum des Advanced Packaging abdeckt. Einzelne Firmen wären zu klein, aber gemeinsam können wir in Europa ein konkurrenzfähiges Netzwerk schaffen«, erklärte Kröhnert. (Das vollständige Interview lesen Sie in der Markt&Technik-Messezeitung zur productronica/SEMICON Europa.)

Leiterplattenindustrie unter Druck

Doch während das Advanced Packaging Fahrt aufnimmt, steht am anderen Ende der Wertschöpfungskette die Leiterplattenindustrie weiter unter Druck.

»Der globale Marktanteil Europas liegt nur noch bei rund 1,85 Prozent«, warnte Branchenanalyst Dieter G. Weiss von Data4PCB im Interview mit Markt&Technik, das Sie ab S. 24 in dieser Ausgabe lesen. »Das ist ein Trauerspiel für Europa – und niemand merkt’s.«

Von einst 22 Basismaterialherstellern existieren nur noch drei – einer davon, Panasonic, schließt sein Werk in Österreich. Damit bleibt mit Isola praktisch nur ein Lieferant für FR4-Materialien übrig. Gleichzeitig zahlen europäische Produzenten auf importierte Rohstoffe Zölle, während fertig importierte Leiterplatten zollfrei sind. »Das ist industriepolitisch absurd. Wir bestrafen unsere eigenen Hersteller«, so Weiss.

Dabei sind Leiterplatten elementarer Bestandteil jedes elektronischen Systems, genauso wie ICs und Advanced Packaging – und auch ein potenzieller Angriffspunkt. »Leiterplatten können manipuliert werden, das zeigt die Panda-Studie des BSI eindeutig«, so Weiss. »Im Ernstfall kann ein sicherheitskritisches System einfach abgeschaltet werden.« Damit spielen die Leiterplatten auch eine wichtige Rolle im productronica-Leitthema vertrauenswürdige Mikroelektronik. »Die Politik hat zwar die Bedeutung des Advanced Packaging erkannt – aber die Leiterplatte vergessen«, so Weiss.

Ein weiteres Schlüsselthema in Europa ist die Elektrifizierung, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Der Schlüssel zur Dekarbonisierung ist die Leistungselektronik – ob in der Elektromobilität, den erneuerbaren Energien oder bei industriellen Antrieben. Hersteller zeigen hier neue Systeme auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN), die höhere Effizienz bei geringerer Verlustleistung versprechen.

Auch für diese Komponenten spielt das Packaging eine herausragende Rolle, wie an den Ständen vieler Unternehmen auf der productronica und der SEMICON Europa in München zu sehen ist. Hier ist live zu erleben, welche große Bedeutung die Elektronikproduktion hat und wie Digitalisierung, Energieeffizienz und Resilienz tatsächlich umgesetzt werden.


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