Fidentis aus Augsburg setzt per neuem 3D-Drucktverfahren auf die Digitalisierung der Zähne. Dank einer vollautomatisierten Fertigung von Zahnersatz sollen mehr Patienten auf dentale Teleskopprothesen mit Edelmetallanteil beißen. Das Fraunhofer-Spin-Off bekommt 1,62 Millionen Euro EXIST-Förderung.
Zahnverlust betrifft sehr viele Menschen und auch die Zahntechnik leidet stark am Fachkräftemangel. Insbesondere hochwertiger Zahnersatz für das Restgebiss ist jedoch meist Handarbeit und die ist teuer; das können sich nur wenige Patienten leisten. Eine industrielle Fertigung gibt es derzeit nur für günstige Klammerprothesen oder Zahnersatz ohne Edelmetall.
Die von uns entwickelte 3D-Druck-Technologie kostet deutlich weniger und soll auch hochwertige »neue Zähne« etwa mit Gold-Anteil und Friktionspassung für die breite Masse möglich machen.
Fidentis ist eine Ausgründung aus dem Fraunhofer IGCV – dem weltweit führenden Forschungsinstitut für die additive Multimaterialfertigung von Metallen. Als Wissenschaftler am Fraunhofer IGCV und Doktorand an der TUM erforscht und gestaltet unser Geschäftsführer Max Horn die Technologie seit 2017.
Vor einigen Jahren wurde mit Josef Schweiger einer der renommiertesten Zahntechniker Deutschlands auf diese Art der Fertigung aufmerksam. Bis dahin wurde sie vor allem im Werkzeugbau und in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt, doch Josef erkannte sofort das Potenzial für die Dentaltechnik. Von da an entwickelten Max und Josef die Technologie mit Kollegen so weiter, dass auch Edelmetalle verarbeitbar sind und die extrem hohen Anforderungen an Zahnersatz erreicht werden.
Teleskopprothesen bestehen unter ihrer Verblendung aus zwei verschiedenen Metalllegierungen, was ihre Herstellung so kompliziert macht: eine Kobalt-Chrom-Legierung für die Stabilität und eine Goldlegierung für den sicheren Sitz im Mund des Patienten. Wir haben eine additive Multimaterialfertigung entwickelt, die auf dem Metallpulverbett-Schmelzverfahren basiert.
In einem Bauteil können damit zwei (und mehr) verschiedenen Legierungen gleichzeitig verarbeitet werden. Ein Roboterarm bringt die zusätzlichen Materialien in das Pulverbett ein. Die Laser- und Scan-Parameter erfordern viel Expertise, um die verschiedenen Materialien zu verbinden und vollständig dichte, originalgetreue Teile herzustellen. Dank einer vollständig integrierten digitalen Prozesskette werden die Funktionsflächen der 3D-gedruckten Teile auf der Grundlage eines einzigen Datenmodells automatisch bearbeitet.
Kürzlich haben wir die 3D-Pioneers-Challenge in der Kategorie MedTech gewonnen, das freut uns wahnsinnig. Der internationale Wettbewerb für additive Fertigungsverfahren und Advanced Technologies ist der renommierteste Award seiner Art und zählt zu den höchstdotierten weltweit. Der positive Zuspruch aus der Branche bestätigt uns auf dem Weg und motiviert uns, das Tempo hochzuhalten und unsere Idee intensiv voranzutreiben.
Bisher kein Rückschlag. Eine große Herausforderung sind jedoch die regulatorischen Rahmenbedingungen in der EU. Das Patientenwohl hat – das versteht sich von selbst – immer oberste Priorität und die Gesundheit von Menschen darf keinesfalls durch neue Produkte gefährdet werden. Gleichzeitig war der rechtliche Rahmen und seine Umsetzung für uns überaus hemmend und kostet nicht nur uns als Start-up viel Energie. Gegen den Fachkräftemangel und steigende Gesundheitskosten müssen wir als Gesellschaft agiler mit Innovationen umgehen.
Wir stellen uns eine Welt vor, in der (Zahnersatz-)Produkte durch inspirierende Technik entstehen und damit für alle zugänglich sind. Für dieses Ziel müssen wir skalierbare Produktionstechnologien einsetzen, kollaborativ zusammenarbeiten und Talente fördern. Fidentis will als Teil dieser Vision nachhaltigen Zugang zum bestmöglichen Zahnersatz gewähren.
Nirgends spielt die individuelle Versorgung eine so große Rolle wie in der Medizin. Diese für jeden Patienten bezahlbar zugänglich zu machen, ist die große Herausforderung. In der Medizin der Zukunft werden personalisierte Medizinprodukte in Massenproduktion mit Losgröße 1 hergestellt. Schlüsseltechnologien wie die additive Fertigung und künstliche Intelligenz werden große Innovationssprünge ermöglichen. Umfangreiche Patientendaten aus aller Welt können dabei helfen, für jeden Patienten die optimale Versorgung bereitzustellen.