Ein neuartiges Polymer ermöglicht das schmerzfreies Ablösen von Wundauflagen. Der Klebstoff für Pflaster haftet bei Körpertemperatur sicher, lässt sich jedoch bei Raumtemperaturen schmerzfrei und rückstandslos ablösen. Die temperaturabhängige Haftung basiert auf der Veränderung der Polymerstruktur.
Ein Pflaster abziehen heißt meist: Zähne zusammenbeißen und durch. Die meisten selbstklebenden Wundauflagen basieren auf Zinkoxid-Kautschukkleber - ein Ablösen kann zum einen weh tun - aber auch heilendes Gewebe wieder verletzen. Für Allergiker, Verbrennungen oder chronischen Wunden bei Diabetikern zum Beispiel gibt es derzeit keine passende Verbände.
Forschende der Universität Freiburg wollen diese Lücke in der Wundversorgung nun schließen. Ein neu entwickeltes Polymer verspricht, die oft schmerzhafte und problematische Entfernung von Wundauflagen zu verändern und einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von akuten und chronischen Wunden einzuleiten.
Das Herzstück dieser Entwicklung ist ein Polymer mit temperaturabhängigen Eigenschaften. Bei Körpertemperatur, typischerweise um 37°C, haftet das Material fest an der Wunde und gewährleistet so einen sicheren Sitz der Wundauflage. Wird die Temperatur jedoch auf etwa 25°C gesenkt, lässt sich die Auflage mühelos, ohne Schmerzen und auch ohne Kleberückstände entfernen.
Das Forscherteam am Institut für Makromolekulare Chemie der Universität Freiburg hat unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf Mülhaupt (PhD) und Prof. Dr. Thorsten Steinberg (PhD) die Materialien sowohl klinisch wie auch biologisch evaluiert. »Unser Polymer nutzt einen präzise kontrollierten Phasenübergang. Bei Körpertemperatur bildet es eine stabile Struktur, die bei Abkühlung in einen weniger haftenden Zustand übergeht.« Diese »schaltbare Klebrigkeit« wird durch einen Kristallisationsprozess erreicht.
Das Material ist ein Copolymer, bestehend aus hydrophoben und hydrophilen Blöcken. Diese Zusammensetzung ermöglicht die temperaturabhängige Veränderung der Polymerstruktur:
Diese Eigenschaft wird durch die sorgfältige Abstimmung der hydrophoben und hydrophilen Anteile im Polymer erreicht. Die Forscher hatten verschiedene Zusammensetzungen getestet, um die optimale Balance zwischen Haftung und Ablösbarkeit zu finden.
Die neue Technologie bietet mehrere signifikante Vorteile:
Geeignet ist diese Wundauflage daher vor allem für die Behandlung chronischer Wunden (z.B. Dekubitus, diabetische Fußulzera), die postoperative Wundversorgung, bei Verbrennungen oder bei allergischer, empfindlicher Haut bzw. infizierten Wunden, da Hautverletzungen oder -ablösungen vermieden werden. Auch bei der stationären Wundbehandlung von Patienten oder bei großen Wunden ist eine solche Wundauflage ideal, da keine Haftmittel zurückbleiben und das Haftmittel zudem eine exzellente Biokompatibilität aufweist. In der Pädiatrie und der Altenpflege
Die vielversprechende Technologie wurde zum Patent angemeldet und wird von der Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH im Auftrag der Universität Freiburg und der Baden-Württemberg Stiftung kommerzialisiert. Dr. Frank Schlotter von der TLB betont: »Wir sehen großes Potenzial in dieser Innovation. Interessierte Unternehmen haben jetzt die Möglichkeit, Lizenzen zu erwerben und die Technologie zur Marktreife zu bringen.«
Die Forscher arbeiten bereits an weiteren Verbesserungen des Polymers. Zukünftige Entwicklungen könnten zusätzliche Funktionen wie kontrollierte Wirkstofffreisetzung oder integrierte Sensorik für die Wundüberwachung umfassen. (uh)
Quellen:
TLB - Technologie-Lizent-Büro