Biotinten für Zellimplantate

Starke Knie: Eigener Knorpel aus dem 3D-Drucker

6. September 2024, 12:22 Uhr | mit Material des Fraunhofer IPA (uh)
Personalisierte Knorpelzellimplantate aus dem 3D-Drucker sollen zukünftig defekten Knorpel ersetzen. Die dabei verwendete Druckertinte enthält körpereigene Knorpelzellen.
© Fraunhofer IAP / Jadwiga Galties

Sport und falsche Belastung können zu Verletzungen der Gelenke und Knorpel führen. Bleiben diese Knoprpeldefekte unbehandelt, könnte im Alter eine nicht behandelbare Arthrose warten. Personalisierte Knorpelzellimplantate aus dem 3D-Drucker sollen künftig Abhilfe schaffen.

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Die speziellen Drucktinten enthalten körpereigene Knorpelzellen enthalten und werden derzeit am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) entwickelt.

Knorpelschäden im Knie oder anderen Gelenken heilen sich selten selbst, denn Knorpel besitzt keine Blutgefäße. Derzeit werden für die Behandlung solcher schmerzhaften Defekte meist körpereigenen Knorpelzellen implantiert. Gesunde Knorpelzellen werden aus dem betroffenen Gelenks entnommen, im Labor vermehrt und anschließend zurück in den geschädigten Knorpels transplantiert.

Die bewährte Methode lindert Schmerzen, verbessert die Gelenkfunktion und verlangsamt das Fortschreiten von Knorpelschäden - leider ist sie aber nicht immer hilfreich. Insbesondere für größere Knorpeldefekte braucht es Alternativen.

Bioprinting für knorpelstarke Knie

Die Fraunhofer-Forscher wurden fündig: Der 3D-Biodruck, auch Bioprinting genannt, ermöglicht es, biologisches Gewebe in einem dreidimensionalen Format herzustellen. Wie bei herkömmlichen additiven Fertigungsverfahren werden beim 3D-Biodruck Schichten von Materialien zu einer bestimmten Struktur aufgebaut. Allerdings werden als Drucktinten Biomaterialien verwendet, in die sogar lebende Zellen eingebettet sein können.

»Im Projekt BioPol-3D entwickeln wir Tinten für den 3D-Biodruck, die bereits die Knorpelzellen der Patientin oder des Patienten enthalten. Die Zellen sind dabei in ein Hydrogel eingebettet. Diese Biotinten können während oder nach dem Druck vernetzt oder stabilisiert werden, um die gewünschte Form und Struktur zu erzeugen«, erklärt Professor Ruben R. Rosencrantz, Leiter des Forschungsbereichs »Life Science und Bioprozesse« am Fraunhofer IAP und Inhaber des Lehrstuhls »Biofunktionelle Polymermaterialien« an der BTU.

Synthetische Glykopolymere bilden Knorpel nach

Als Hydrogelmatrix setzen die Forschenden unter anderem auf Glykopolymere. Diese werden eigens synthetisiert und bilden die natürliche Umgebung von Knorpelzellen im Körper nach. Bislang kamen Glykopolymere jedoch nicht als Konstruktionsmaterial zum Einsatz. Im Rahmen des Projekts untersucht das Team mit seinem chemischen und biotechnologischen Know-how, wie gut sich die Glykopolymere bezüglich ihrer Material- und Verarbeitungseigenschaften für den 3D-Biodruck eignen, und optimieren sie dafür.

»Unser Ansatz, die Knorpelzellen zu verdrucken, geht über herkömmliche Verfahren hinaus, denn wir bringen die biologische Komponente – also die Knorpelzellen – direkt in Form. Es wird also nicht erst ein Gerüst gedruckt, auf dem später Zellen angesiedelt werden«, sagt BTU-Professorin Ursula Anderer, die die Arbeitsgruppe »Zellbiologie und Tissue Engineering« leitet.

»Es gibt eine Vielzahl an Parametern für druckfähige Tinten: die empfindlichen Knorpelzellen müssen vital bleiben, die Tinten müssen biokompatibel und kontrolliert bioabbaubar sein und schließlich muss die gewünschte Knorpelform eine hohe Stabilität und Festigkeit aufweisen. Unser Ziel ist es, eine fortschrittliche 3D-Zellkultur für die Therapie von Knorpelschäden zu etablieren und gleichzeitig die Herstellung solcher Formkörper durch additive Fertigung zu revolutionieren.« (uh)

Info:
Das vierjährige Projekt des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) startete im Januar 2024. Es wird mit rund 2 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Quelle: Fraunhofer IPA

 


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