Für die Behandlung von Epilepsie, Parkinson, Depressionen und Schlaganfallfolgen haben Fraunhofer-Forschende eine vielversprechende 3D-Ultraschalltechnologie entwickelt, die präzise Gehirnareale stimuliert. Die nichtinvasive Methode soll neurologische Symptome deutlich mildern.
Die elektrische Aktivität von rund 86 Milliarden Nervenzellen ist entscheidend für die Fähigkeiten des Gehirns, Sinneseindrücke zu verarbeiten, Informationen zu speichern, Entscheidungen zu treffen und Körperfunktionen zu steuern. Erkrankungen wie Parkinson, Epilepsie oder Tremor hängen stark von der Signalverarbeitung und dem Zusammenspiel der Nervenzellen ab.
Seit Jahrzehnten versuchen Forschende, neurologische Erkrankungen durch elektrische oder elektromagnetische Stimulation der entsprechenden Gehirnareale zu therapieren. Bisherige Methoden wie die Stimulation mittels von außen angelegter Magnetfelder bieten jedoch aufgrund ihrer geringen Präzision keine optimalen Ergebnisse, und das operative Platzieren von Elektroden im Gehirn ist sehr riskant.
Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) in St. Ingbert hat nun eine nichtinvasive Neurostimulationstechnologie auf Basis von Ultraschall entwickelt. Der Applikator, ein spezieller Schallkopf, wird über ein flexibles Pad auf den Kopf gesetzt, die Haare müssen für die wenige Minuten dauernde Behandlung nicht abrasiert, nur eingegelt werden. Die Ultraschallsignale sind von so niedriger Intensität (niederfrequenter Bereich unter 1 MHz), dass sie das Zellgewebe nicht schädigen, zugleich lassen sie sich durch eine 3D-Steuerung des Schallstrahls (3D-Beam-Steering) sehr genau fokussieren.
»Der Mensch merkt nichts und der Ultraschall ist aufgrund seiner geringen Intensität nach derzeitigem Stand der Forschung unbedenklich.« |
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Steffen Tretbar, Abteilungsleiter am Fraunhofer IBMT |
Die Technologie könnte in Zukunft für die Therapie verschiedenster neurologischer Erkrankungen eingesetzt werden.
256 elektrische Kanäle für 3D-Ultraschall
Der einzigartige Aufbau des Applikators macht es möglich, die Ultraschallwellen auf einzelne Punkte im Gehirn zu richten und diese auch dann gezielt anzusprechen, wenn sie tief im Gewebe liegen. Der spezielle Schallkopf besteht aus 256 Einzelelementen, die einzeln ansteuerbar sind. Durch die individuelle Ansteuerung der 256 elektronischen Kanäle wird die Ultraschall-Behandlung 3D-fähig. Die schachbrettartig angeordneten Elemente des Schallwandlers bestrahlen das gewünschte Gehirnareal aus unterschiedlichen Winkeln, wodurch der Fokus auf eine bestimmte Tiefe im Gehirngewebe gesetzt werden kann. Die Behandlung ist somit individuell auf jeden Patienten anpassbar.
Die Fraunhofer-Forschenden nutzen piezoelektrische Elemente für die Schallwandler, die ihre Oberfläche verändern, wenn eine Spannung angelegt wird, und so den Ultraschall produzieren. Derzeit arbeiten die Forscher an einer weiteren Erhöhung der Genauigkeit, indem sie zwei Ultraschall-Transducer gleichzeitig einsetzen und die Schallstrahlen dynamisch im Zielareal kreuzen. Diese Kombination aus einem sehr kleinen Fokus zwischen drei und fünf Millimetern und nahezu beliebiger Platzierung des Fokus in der Tiefe des Gehirns schafft die Möglichkeit einer zielgerichteten und gleichzeitig schonenden Modulation der Gehirnareale.
Keine Heilung, aber Linderung der Symptome
Die für die Planung nötigen Marker erhält die ebenfalls von Fraunhofer entwickelte Software aus den Ergebnissen einer Magnetresonanztomografie des Patienten oder der Patientin. Darin werden die für die jeweilige neuronale Erkrankung verantwortlichen Gehirnareale und deren Position markiert. Diese Markierungen fließen in einen Datensatz ein, der in die Steuerungssoftware eingespeist wird. Mit diesen Positionsdaten lassen sich die Ultraschallsignale exakt ausrichten. Es ist darüber hinaus möglich, das Ultraschallgerät so zu programmieren, dass die Strahlen in einer vordefinierten Sequenz gesendet werden oder bestimmten Bewegungsmustern folgen.
Ärztinnen und Ärzte erwarten von der Ultraschall-Behandlung bei Erkrankungen wie Parkinson und Epilepsie zwar keine vollständige Heilung, aber zumindest eine spürbare Linderung der Symptome. Langfristig sind mit der neuen Technologie auch Szenarien wie das Lösen von Plaque in den Gehirnzellen bei Alzheimer-Erkrankungen oder die Behandlung von Depressionen und neuronal bedingten Suchterkrankungen denkbar.