Deutsche Automobilbranche

Zwischen Zukunftschancen und Skandalen der Gegenwart

9. Februar 2018, 10:26 Uhr | dpa
Das CAR-Symposium 2018 fand am 08.02.2018 in Bochum statt.
© prettyme.ch | D+S Automotive

Die deutschen Autobauer gehen durch turbulente Zeiten. Auf dem Auto-Branchenkongress CAR diskutieren sie die Lage. Dort präsentiert sich auch ein umtriebiger Newcomer.

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Es sind wichtige Wochen für die deutschen Autobauer: Zum einen legen sie jetzt im Frühjahr ihre Zahlen für das vergangene Jahr auf den Tisch, und es sind noch immer meist Rekordzahlen. Doch der PR-Gau mit den Tierversuchen bei Dieselabgasen wirft Volkswagen, Daimler und BMW zumindest in der öffentlichen Meinung weiter zurück. Und in einigen Wochen steht in Leipzig ein folgenschweres Urteil zu möglichen Dieselfahrverboten an, der das Dieseldebakel noch mal teurer werden lassen könnte.

Die Autowelt ist im Umbruch, doch die deutschen Hersteller tun sich noch schwer mit der neuen Welt, auch wenn sie gerne auf neue Modelle und E-Antriebe in den kommenden Jahren verweisen. »Wir bewegen uns in diesen Wochen immer noch zwischen Vergangenheitsbewältigung und Neuausrichtung für die Zukunft«, sagte VW-Vorstandschef Matthias Müller per aufgezeichneter Videobotschaft an die Teilnehmer des Bochumer Auto-Branchenkongresses CAR Symposium am Donnerstag.

Müller sprach nicht wie geplant persönlich, sondern schickte als Redner seinen Finanzchef Frank Witter ans Pult. Müllers Fernbleiben sorgte für die ein oder andere Spekulation. Offiziell hieß es aus Wolfsburg, der Chef habe im Anschluss an die Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums am Vortag wichtige Termine mit Vertretern des Kontrollgremiums.

Laut Kongress-Gastgeber und Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Auto-Marktforscher Center for Automotive Research (CAR) hatte Müller Termine in Österreich mit den Gesellschaftern des Konzerns als Grund für seine Verhinderung angegeben. Zum Aufenthaltsort und Inhalt der Unterredungen mit dem Aufsichtsrat wollte ein Konzernsprecher keine Angaben machen.

Finanzchef Frank Witter gab zu, dass auch andere Dinge den Konzern derzeit stark beschäftigen. »Wenn jetzt Details über die Studien der EUGT bekannt werden, an denen wir leider beteiligt waren, dann ist das nichts anderes als beschämend«, sagte Witter mit Blick auf Tierversuche mit Diesel-Abgasen, die VW zusammen mit Daimler und BMW über den Lobbyverband EUGT finanziert hatte. Am Vorabend hatte VW nach einer Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums mitgeteilt, dass Untersuchungen zu dem Vorfall weiter liefen. VW-Cheflobbyist Thomas Steg hatte wegen der Affäre bereits seinen Hut nehmen müssen.

»Nie war so viel Veränderung«, sagte Müller zu den Herausforderungen der kommenden Jahre. Ob die deutschen Hersteller trotz Rekordzahlen den Wettlauf um die jungen Kunden nicht doch gegen kleinere, schnellere oder branchenfremde Wettbewerber verlieren – das gilt noch nicht als sicher.

Auf dem Branchentreff durfte sich etwa der chinesische Autokonzern Zhejiang Geely ins Licht rücken. Dudenhöffer pries die Chinesen als »dynamischstes Unternehmen« der Industrie. Der chinesische Milliardär Li Shufu, der bei Geely das Sagen hat, streckt die Fühler in viele Richtungen aus. 2010 kaufte er dem US-Autobauer Ford die schwedische Traditions-Pkw-Marke Volvo ab. Nach hohen Investitionen zeigt Volvo mit dem Management-Team um Hakan Samuelsson den europäischen Massenherstellern seit Jahren, wie man mit SUVs blendend Geld verdienen kann.

Zuletzt berichteten etwa das »Handelsblatt« und die »Bild am Sonntag«, Li könne sich auch groß beim deutschen Traditionskonzern Daimler einkaufen. Konkret sind die Planspiele bislang zumindest in nennenswertem Umfang nicht geworden. Grund soll unter anderem sein, dass man von Seiten der Chinesen eine Allianz auch gegen neue Herausforderer wie Apple, die Google-Mutter Alphabet und andere Tech-Konzerne schmieden will.

Einstieg ja oder nein – dazu hielt sich Li in einer kurzen Videoansprache bedeckt, Geely-Vorstandsmitglied Carl-Peter Forster wollte »Spekulationen« nicht kommentieren. Li hat aber ohnehin mehrere Eisen im Feuer. Zum Beispiel Lynk & Co. Der chinesische Newcomer will sich radikal von herkömmlichen Herstellern abheben: Die Autos gibt es nur online zu kaufen, und die verschiedenen Varianten sollen sich beim geplanten Europastart Ende 2019 auf sechs beschränken, während bei den großen Marken derzeit Millionen Kombinationen von Serien- und Sonderausstattungen verfügbar sind.

Da soll im Sinne des Kunden sein. Lynk-Manager Alain Visser sagte: »Das Niveau an Innovation in der Autoindustrie ist lächerlich«. Wenn heute Autos gekauft würden, dauere es zwei bis drei Monate, bis der Kunde den Kauf auch fahren könne. »Wir werden die einzige Marke sein, wo man heute sein Auto kauft und es morgen mitnehmen kann.« Die offiziellen Ziele von weltweit 500.000 verkauften Autos 2021 seien extrem konservativ. Um den Jahresstart 2020 herum will das Unternehmen auch in Europa am Start sein, Amsterdam und Berlin sollen nach derzeitigen Planungen die ersten Standorte sein.


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